"Diplomatie, Diplomatie" Deutschland streitet über Angriff auf Syrien
14.04.2018, 14:05 Uhr
Dieses von der syrischen Nachrichtenagentur Sana zur Verfügung gestellte Foto zeigt die Trümmer des Forschungszentrums in Barsah, das bei Angriffen der USA, Großbritannien und Frankreich stark beschädigt wurde.
(Foto: dpa)
Ist der Angriff auf Syrien die richtige Strategie des Westens? Grüne und Linkspartei sprechen von einem "riesigen Gefahrenpotenzial". Die FDP fordert eine konsequente Antwort auf Russlands Politik - und Union und SPD stellen sich hinter die Luftschläge.
Der Luftangriff in Syrien hat in Deutschland Streit ausgelöst. Die Opposition kritisierte die Angriffe heftig, auch die Kirchen zeigen sich entsetzt über das "Schlachten".
Die Grünen warnten vor einer Eskalation des Konflikts. "So furchtbar die Gräueltaten des syrischen Regimes und seiner Verbündeten sind, so falsch ist eine weitere militärische Eskalation", erklärte Parteichefin Annalena Baerbock. "Ziel darf nicht Vergeltung sein, sondern das jahrelange Morden in Syrien endlich zu stoppen." Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer nannte die Angriffe bei n-tv.de einen "eindeutigen Bruch des Völkerrechts" und einen "feindlichen Akt gegen den UN-Generalsekretär, der klar vor solchen Aktionen gewarnt hatte".
Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte, dass der Angriff gegen das Völkerrecht verstoße. "Es gibt dafür keine rechtliche Grundlage", sagte er. "Bomben und Raketen schaffen keinen Frieden." Das Gefahrenpotenzial sei riesig. "Deeskalation, darum geht es jetzt. Diplomatie, Diplomatie und nochmals Diplomatie", so Bartsch. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht forderte die Bundesregierung auf, sich klar davon abzugrenzen, "dass Nato-Staaten Völkerrecht mit Füßen treten". Sie kritisierte, dass der Angriff stattfand, ehe die Inspekteure der Organisation zum Verbot von Chemiewaffen (OPCW) ihre Arbeit überhaupt aufgenommen haben und der Chemiewaffeneinsatz nachgewiesen worden sei.
FDP-Chef Christian Lindner forderte Initiativen der Bundesregierung, um den Dialog mit Russland und der Türkei nicht abreißen zu lassen. Deutschland sei gut beraten, auf diplomatische Möglichkeiten zu setzen, so Lindner. "Der Einsatz von Giftgas in Syrien ist ein Zivilisationsbruch, auf den die internationale Gemeinschaft reagieren muss. Mir graut es aber vor diesem Pulverfass Syrien, das ja längst nicht mehr nur ein Bürgerkrieg ist, sondern Schauplatz internationaler Konfliktlinien." Lindner forderte im Verhältnis zu Russland einen neuen Ansatz. "Provokation und Aggression braucht eine konsequente Antwort." Debatten über einen Abzug amerikanischer taktischer Nuklearwaffen aus Europa seien fehl am Platz, solange sich Russland nicht an internationale Verträge halte.
AfD-Parteichef Alexander Gauland warf Bundeskanzlerin Angela Merkel unterdessen eine halbherzige Politik im Syrien-Konflikt vor. "Die Position von Frau Merkel läuft wie gewohnt halbherzig nach dem Motto 'Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass'. Das kann keine gute Außenpolitik für Deutschland sein", sagte Gauland.
Merkel unterstützt Angriff
Merkel hatte am Donnerstag eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag ausgeschlossen, sich aber an diesem Samstag hinter die Attacke der drei verbündeten Länder gestellt. "Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben." Der Militäreinsatz sei "erforderlich und angemessen" gewesen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen.
In der Unions-Fraktion hieß es, die Angriffe auf Einrichtungen der syrischen Regierung dienten dem Schutz der Menschen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte, "angesichts der Abscheulichkeit" des Chemiewaffenangriffs sei der Militärschlag richtig.
Die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles forderte Verhandlungen mit Russland. "Dieses Sterben und Morden in Syrien wird nur beendet durch eine diplomatische Lösung mit Russland", sagte Nahles. Sie verurteilte zugleich den möglichen Einsatz von Chemiewaffen gegen die Zivilbevölkerung als Kriegsverbrechen - so etwas könne nicht geduldet werden. Aber der UN-Sicherheitsrat sei seit Jahren daran gescheitert, den Syrien-Krieg zu beenden. Nahles betonte, die SPD müsse sich deutlich als Friedenspartei positionieren - der Weg zu Frieden in Syrien führt aus ihrer Sicht nur über Verhandlungen mit Russland.
Die Angriffe können nach Ansicht der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland im Syrien-Konflikt keine Lösung bringen. "Militärische Lösungen wird es nicht geben. Und auch Militärschläge führen nicht zum Ziel", sagte der Münchner Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Die großen Mächte sollten sich jetzt "mit gutem Willen an den Tisch setzen", so Marx. Die Großmächte hätten leider "keinen Weg gefunden, dieses Schlachten, so muss man eigentlich sagen, zu beenden". "Der Weg der Gewalt wird keine Lösung bringen", betonte auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP/rts