Lukaschenko erhebt Vorwürfe "Deutschland wollte Putsch"
20.01.2011, 15:46 UhrDer "letzte Diktator Europas" spuckt große Töne. Deutschland habe versucht, ihn zu stürzen, behauptet der weißrussische Präsident Lukaschenko einen Tag vor einer weiteren Amtseinführung. Dafür gebe es Beweise. Auch Polen sei in den Plan verwickelt. Die EU denkt unterdessen über ihre Sanktionsstrategie nach.
Der autoritäre weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat Deutschland und Polen offen beschuldigt, einen Staatsstreich gegen ihn geplant zu haben. "In Deutschland und Polen wurden die Pläne für einen Umsturz der Verfassungsordnung ausgearbeitet", sagte Lukaschenko. "Das ist keine Erfindung unserer Geheimdienste", betonte der als letzter Diktator in Europa kritisierte Staatschef. Die Bundesregierung hatte die bisher nur von einer Staatszeitung geäußerten Putsch-Vorwürfe zurückgewiesen.

Lukaschenko steht auf Kriegsfuß mit den Funktionären der EU.
(Foto: dpa)
Lukaschenko drohte auf einer Sitzung in Minsk auch "härteste Reaktionen" an, sollte die EU Sanktionen gegen sein Land ergreifen. Das EU-Parlament verabschiedete eine Resolution, in der wirtschaftliche Strafmaßnahmen gefordert werden. Die EU-Außenminister wollen Ende dieses Monats über Sanktionen beraten. Grund ist die gefälschte Präsidentenwahl vom 19. Dezember, mit der sich der seit 1994 regierende Lukaschenko eine neue Amtszeit sicherte.
Die weißrussischen Behörden waren wiederholt gewaltsam gegen Präsidentenkandidaten und Regierungskritiker vorgegangen, die Lukaschenko zum Rücktritt aufgefordert hatten. Der Staatschef beschuldigt Deutschland und Polen, die Proteste mit organisiert sowie finanziert zu haben. Dies hätten auch die zahlreichen Festgenommenen in ihren Aussagen bestätigt. Menschenrechtler beklagen seit langem brutale Verhörmethoden und Folter in Weißrussland, um Regierungskritiker zu falschen Geständnissen zu zwingen.
Wieder Festnahmen
Unterdessen sind vor der Amtseinführung Lukaschenkos an diesem Freitag etwa 20 Regierungsgegner festgenommen worden. Die Kritiker des autoritären Staatschefs hatten am Vorabend friedlich für die Freilassung ihrer inhaftierten Angehörigen demonstriert. Nach einer "Verwarnung" seien die Regierungsgegner entlassen worden, sagte ein Behördensprecher. Dagegen blieb unter anderem der oppositionelle Präsidentenkandidat Iwan Kulikow in Haft. Dem Nuklearexperten drohen "wegen beruflicher Verfehlungen" bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Zahlreiche Oppositionelle sitzen in Haft, wie hier in Minsk.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Nach Lukaschenkos werde demonstrativ wohl kein EU-Vertreter an seiner Amtseinführung teilnehmen, verlautete aus diplomatischen Kreisen in Minsk. Ein Sprecher des weißrussischen Außenministeriums sagte dazu, er wisse nicht, ob die in der Hauptstadt akkreditierten Botschafter der EU-Staaten überhaupt eingeladen worden seien. Russland wird vermutlich einen Vertreter zu der Zeremonie entsenden. Der weißrussische Regierungschef Michail Mjasnikowitsch wurde zu Gesprächen mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin in Moskau erwartet. Dabei sollte es auch um Öl-Export nach Minsk gehen.
Angesichts der Unterdrückung von Oppositionellen forderte das Europaparlament gezielte Sanktionen gegen das osteuropäische Land. Finanzhilfen und Darlehen aus verschiedenen EU-Programmen müssten auf Eis gelegt werden, verlangten die Euro-Parlamentarier in einer Entschließung. Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik müssten so "umgeleitet" werden, damit sie künftig der weißrussischen Zivilgesellschaft zugute kämen.
Engen Kreis sperren
Neben den Wirtschaftssanktionen verlangt das Europaparlament auch, dass die Visumssperre für Lukaschenko und andere hohe Staatsvertreter "umgehend" wieder in Kraft gesetzt wird. Das Einreiseverbot in die EU müsse zudem auf Amtsträger sowie Mitglieder der Justizorgane und Sicherheitsbehörden ausgeweitet werden, die an der Fälschung der Präsidentschaftswahl sowie an der "brutalen Repression und den Verhaftungen" von Oppositionsmitgliedern beteiligt waren.
Gleichzeitig müsse die EU die weißrussische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien in ihrem Kampf für Demokratie unterstützen, forderte die EU-Volksvertretung weiter. An die 27 Mitgliedsstaaten richtete sie die Aufforderungen, die gemeinsame Politik der EU gegenüber der Regierung in Minsk nicht mit bilateralen Vereinbarungen zu unterlaufen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP