Reaktionen auf "Leopard 2"-Chaos Deutschland zieht mit Panzer-Zaudern Zorn auf sich
21.01.2023, 08:13 UhrBei dem Treffen in Ramstein sind alle Augen auf Deutschland gerichtet: Sagt Scholz der Ukraine endlich die Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern zu? Doch eine Entscheidung bleibt weiter aus. Das Entsetzen ist groß - sowohl bei Oppositions- und Ampel-Politikern als auch in der Ukraine.
Eigentlich sollte das Treffen der EU- und NATO-Staaten in Ramstein den Durchbruch für die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine bringen. Doch eine Entscheidung seitens Deutschland über eine Lieferung des "Leopard 2" ist noch immer nicht gefallen. Politiker aus der Ukraine sowie der Ampel-Koalition und Opposition zeigen sich enttäuscht. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Verteidigungsminister Oleksii Resnikow Deutschland für die Hilfen danken und einer Lieferung der gewünschten Panzer weiter optimistisch entgegenblicken, kommen von anderer Seite weitaus kritischere Stimmen.
Der ukrainische Vize-Außenminister und ehemalige Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, zeigte sich über die Aussagen des neuen Verteidigungsministers Boris Pistorius enttäuscht. "Was sollte man bitteschön prüfen?" Pistorius hatte angekündigt, prüfen zu wollen, wie viele"Leopard"-Panzer in Deutschland derzeit verfügbar seien. "Die Ukrainer sind sehr frustriert, dass die Ampel-Regierung auch heute in Ramstein keine Entscheidung beim überlebenswichtigen Thema Leoparden getroffen hat. Das ist eine wahre Tragikomödie. Was sollte man bitteschön prüfen?", sagte Melnyk zu ntv.
Bereits Anfang März 2022 sei der Ukraine klar gewesen, wie viele Panzer die Bundeswehr sowie die deutsche Rüstungsindustrie der Ukraine liefern könnten: "Ich rufe daher den Verteidigungsminister auf, diese Prüfung in den nächsten Tagen sehr zügig abzuschließen, um die Lieferung von deutschen Kampfpanzern endlich zu ermöglichen sowie andere willige Partner nicht vor den Kopf zu stoßen. Wir brauchen dringend ein gewaltiges Panzer-Bündnis", so Melnyk weiter. Es gehe nicht um einen "Wettbewerb", wer was liefert, sondern um "die Rettung von Menschenleben in der Ukraine", sagte Melnyk.
Auch die ukrainische Nobelpreis-Gewinnerin Oleksandra Matviichuk kann die Entscheidung aus Deutschland nicht nachvollziehen. "Wenn ihr sagt, dass die Ukraine für die Zukunft von Europa kämpft, warum versorgen Sie die Ukraine dann immer noch nicht mit Kampfpanzern und anderen modernen Waffen?", fragt sie auf Twitter. Dazu teilt sie ein Bild von einem Leoparden, der den Arm um Kanzler Scholz legt.
Opposition nennt Bestandsaufnahme "peinlich und erschreckend"
Die Union befürchtet nun einen schweren außenpolitischen Schaden. "Deutschland hat der Ukraine und sich selbst für die künftige Position einen Bärendienst erwiesen", sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter der "Augsburger Allgemeinen". "Das Ergebnis des Ramstein-Treffens ist für Deutschland leider eine weitere Isolierung", kritisierte Kiesewetter. Es mache ihn zudem sprachlos, dass erst der neue Verteidigungsminister eine Bestandsaufnahme der verfügbaren "Leopard 1" und "Leopard 2" in Bundeswehr- und Industriebeständen in Auftrag gegeben habe. "Es ist peinlich und erschreckend, dass Deutschland dies knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn offenbar erst einfällt."
Auch CDU-Sicherheitsexpertin Katja Leikert kann die Ankündigung von Pistorius nicht nachvollziehen. "Es ist ja prinzipiell nicht schlecht, wenn Pistorius prüfen lassen will, ob und wie viele 'Leopard 2' man an die Ukraine liefern könnte. Aber ganz ehrlich: wie kann es sein, dass das fast ein Jahr nach Kriegsbeginn nicht schon lange geprüft worden ist?! Unfassbar...", schreibt sie auf Twitter.
Der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Robin Wagener von den Grünen, sieht die von Pistorius angekündigte Maßnahme anders: "Dass der neue Verteidigungsminister endlich eine Inventur vornimmt, um zu prüfen, was wir weiter liefern können, ist ein später, aber richtiger Schritt", teilte er mit. "Ich gehe davon aus, dass Deutschland auf dieser Grundlage schnell seinen Impuls zur abgestimmten Lieferung von Kampfpanzern geben wird."
Die deutschen Grünen im Europaparlament äußerten sich wesentlich kritischer: "Bundeskanzler Scholz vergrätzt mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber europäischen Initiativen zur Lieferung von 'Leopard'-Panzern unsere europäischen Partner", sagte der Sprecher der deutschen Gruppe, Rasmus Andresen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, es sei bei dem Thema wichtig, im Gleichklang mit den USA zu handeln. "Es kommt darauf an, dass wir wichtige Schritte immer gemeinsam gehen", sagte Mützenich der "Stuttgarter Zeitung". "Gemeinsam heißt: auch und vor allem mit den USA. Die Lieferung von Kampfpanzern ist so ein Schritt."
Quelle: ntv.de, vmi/AFP