Am Tisch mit dem Kanzler Die Attacke gegen die Letzte Generation nimmt Scholz nicht zurück


Olaf Scholz am Tisch mit der pensionierten Lehrerin Regine Springorum, dem Stahlarbeiter Chris Rücker und RTL-Moderatorin Pinar Atalay.
(Foto: RTL)
Vier Bürgerinnen und Bürger grillen Kanzler Scholz bei RTL mit ihren ganz persönlichen Anliegen: Angst vor der Inflation und vor immer neuen Belastungen wegen des Heizungsgesetzes. Oder ganz im Gegenteil, Sorge vor zu schwacher Klimapolitik.
Für Olaf Scholz sind es nicht ganz einfache Tage. Die meisten Deutschen sind mit seiner Arbeit nicht zufrieden - das zeigen aktuelle Zahlen des RTL/ntv-Trendbarometers, und genau darauf spricht Moderatorin Pinar Atalay den Bundeskanzler zu Beginn der Sendung "Am Tisch mit Olaf Scholz" an.
Scholz gibt sich gelassen. "Ich bin ganz sicher, dass die SPD wie bei der letzten Bundestagswahl gut abschneiden wird und ein Regierungsmandat bekommt - genauso wie die ganze Regierung. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass man gute Arbeit macht."
Die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine, die schleppend vorangehende Energiewende und die gestiegenen Lebenshaltungskosten der Deutschen - nicht zuletzt aufgrund der vielen, parallel zu bewältigenden Krisen befindet sich die Regierungskoalition seit Monaten im Umfragetief. Wie bewerten die Menschen die Performance der Ampel konkret? Um das herauszufinden, stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz heute um 22.10 Uhr in einem "RTL Direkt Spezial" den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Moderation: Pinar Atalay.
Kern der Sendung ist das Gespräch zwischen Scholz und vier ganz normalen Bürgern mit ganz normalen Sorgen. Wobei schnell klar wird, dass ihre Sorgen ganz unterschiedlich sind. Regine Springorum etwa, eine pensionierte Lehrerin aus Niedersachsen, hat sich sehr über Scholz' Aussage geärgert, dass die Aktionen der Letzten Generation "bekloppt" seien. Sie nahm selbst an Protesten der Gruppe teil und findet den Ausdruck des Kanzlers "populistisch und billig".
"Ich bin der Kanzler von allen, aber ich rede nicht jedem nach dem Mund"
Scholz lässt sich von Regine Springorum nicht beeindrucken. Er betont, er sei überzeugt, "dass diese Aktionen nicht weiterführen, dass sie nur Ärger und Widerstand auslösen". Nötig sei, "das zu machen, was notwendig ist", also etwa Windkraftanlagen errichten und die Stromnetze ausbauen. Auf den Einwand, seine Aussagen seien "der Würde seines Amtes nicht angemessen", kontert er, es sei "der Würde der Demokratie nicht angemessen, dass man lauter Straftaten begeht, worum es sich ja handelt bei den Blockaden und den Beeinträchtigungen des Verkehrs". Es sei wichtig, dass man möglichst gelassen miteinander umgehe und unterschiedliche Meinungen aushalte. Aber: "Ich bin der Kanzler von allen, aber ich rede nicht jedem nach dem Mund."
Mit einem ganz anderen Anliegen ist Christoph Golly aus Baden-Württemberg ins RTL-Studio nach Berlin gekommen. Golly ist Zerspanungsmechaniker und Vater von vier Kindern, er will wissen, wann Arbeit sich wieder lohne, wie Scholz im Wahlkampf versprochen hat. Ihn ärgert vor allem die Inflation. Scholz zählt auf, was die Regierung alles gemacht hat: Wohngeld erhöht, Kindergeld erhöht, Mindestlohn erhöht. "Das sind alles Tröpfchen auf den heißen Stein", sagt Golly. So langsam müsse er darüber nachdenken, lieber Bürgergeld zu beantragen, statt arbeiten zu gehen.
Dann deutet Scholz an, wie das Heizungsgesetz aussehen wird
Das will Scholz so nicht stehen lassen: Alle, die arbeiten, hätten mehr als die, die nicht arbeiten, sagt er, "und das finde ich auch richtig so". Aber Scholz stimmt zu, dass die Inflation allen "richtig zu schaffen" mache. Es sei deshalb richtig, dass die Zentralbank die Zinsen erhöhe, und deshalb habe der Staat "überall Verbilligungen gemacht", um die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine abzufedern.
Chris Rücker, ein weiterer Gast, hat den Eindruck, "dass es alles ein bisschen bergab geht". Rücker war schon vor einem Jahr "Am Tisch mit Olaf Scholz" dabei, er ist Schmelzer und Schichtführer in einem Stahlwerk in Eisenhüttenstadt. Die Klimapolitik komme ihm vor, "wie mit der Brechstange", vor allem das Heizungsgesetz stört ihn massiv.
Scholz deutet in seiner Antwort an Rücker an, wie das Heizungsgesetz, über das derzeit hinter den Kulissen verhandelt wird, am Ende aussehen könnte: "Alle Expertinnen und Experten sagen uns, dass die Preise für Gas, Kohle und Öl in die Höhe gehen werden". Es sei deshalb nicht nur wegen des Klimas richtig, auf Erneuerbare zu setzen.
Aber offenbar nicht so schnell, wie ursprünglich geplant: Auf den Einwand von Nicole Rathgeber, einer Landrätin aus dem Werra-Meißner-Kreis, dass die Bürger überfordert seien und das Heizungsgesetz dann noch obendrauf komme, gibt Scholz ihr ausdrücklich Recht: "Deshalb geht es zuallererst um Heizungen in Neubauten, das ist keine Überforderung. Dann geht's darum, wenn sehr alte Heizungen ausgetauscht werden, was macht man dann?" Das Problem mit dem Heizungsgesetz sei, dass der Eindruck entstanden sei, alles müsse in den nächsten anderthalb Jahren passieren. Deutschland wolle aber bis 2045 klimaneutral werden. "Das ist nun doch eine gewisse Zeit."
"Gerade kommt ganz viel zusammen"
Zugleich nutzt Scholz die Gelegenheit, um noch einmal deutlich zu machen, dass ein Kanzler es eben nicht allen recht machen kann: Viele Bürger würden sich überfordert fühlen - aber andere, wie die pensionierte Lehrerin, fänden, dass noch nicht genug passiere. "Das ist die Wirklichkeit, mit der wir zurechtkommen müssen", sagt er.
Keine Einigung erreicht Scholz mit Landrätin Rathgeber in der Flüchtlingspolitik. Sie findet, dass die Kommunen und Kreise stärkere finanzielle Unterstützung bräuchten. Auch mit Blick auf die Flüchtlinge sagt sie, das Gefühl der Überforderung spiele der AfD in die Karten.
Scholz räumt ein, dass die Situation eine Herausforderung ist: Deutschland habe knapp eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, die Flüchtlinge, "die sowieso immer gekommen sind in den letzten Jahren", kämen noch dazu. Hier wird deutlich, dass nicht so sehr jedes einzelne Thema als Problem wahrgenommen wird, sondern die Masse der Belastungen insgesamt. "Wie weit soll das noch gehen, irgendwo sind ja auch Grenzen gesetzt", sagt der Stahlarbeiter Rücker. "Die Leute sind unzufrieden, da ist ja kaum noch einer zufrieden." Tatsächlich komme gerade "ganz viel zusammen", sagt Scholz, vor allem infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und infolge der Inflation.
Mit Putin hat Scholz schon länger nicht telefoniert
Schon vor einem Jahr wollte Rücker von Scholz wissen, wie es mit der deutschen Stahlindustrie weitergeht. Scholz sagt jetzt, die Bundesregierung habe einen Rahmen geschaffen, der es möglich mache, dass die Investitionen in der Stahlindustrie unterstützt werden. Eisenhüttenstadt habe in Brüssel einen entsprechenden Antrag gestellt, er sei sicher, dass die Entscheidung bald komme. Rücker wirkt nicht so ganz beruhigt: "Zufriedenstellend ist die Antwort erst, wenn's losgeht."
Zuletzt geht es auch um die Ursache der großen Probleme, den Krieg in der Ukraine. Vor einem Jahr hatte der Kanzler über seine Telefonate mit Putin gesprochen; Pinar Atalay fragt ihn nun, ob er zuletzt mit dem russischen Präsidenten telefoniert habe. Mit Putin habe er "länger nicht mehr gesprochen", sagt Scholz, "wegen der Kriegsverläufe, fand ich, ist das jetzt nicht der richtige Moment". Aber er habe sich vorgenommen, das wieder zu tun. Wichtig sei, "dass Russland einsieht, dass der Versuch, sich das Nachbarland einzuverleiben, nicht funktioniert".
Dass es einen Angriff auf den Staudamm bei Cherson geben könnte, sei schon lange befürchtet worden. Auf die Frage, wen er für den Urheber hält, ist Scholz eindeutig: "Es ist natürlich, nach allem, was man annehmen kann, eine Aggression der russischen Seite, um die ukrainische Offensive zur Verteidigung des eigenen Landes aufzuhalten - aber natürlich mit schlimmen Konsequenzen für alle, die im Einzugsbereich des Staudamms leben." Das sei "eine neue Dimension".
Quelle: ntv.de