Politik

Wahlnachlese bei Lanz "Die Grünen haben den einen oder anderen nicht zu unterschätzenden Fehler gemacht"

12.06.2024, 05:51 Uhr
imageVon Marko Schlichting
00:00 / 05:44
imago0492689040h
"Wir haben ein seit Jahren ignoriertes Problem von Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft", sagt der Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses Hofreiter. Das sehen nicht alle Gäste bei Lanz so. (Foto: IMAGO/Nordphoto)

Die Europawahlen haben für die Grünen mit einem herben Verlust geendet. Anton Hofreiter nennt bei Lanz allerlei Gründe für den Absturz seiner Partei - das leidige Thema Migration gehört seiner Ansicht nach aber nicht dazu.

Nach den Europawahlen ist wie vor den Europawahlen. Die Ampelkoalition streitet sich erneut um das Rentenpaket, das sich vielleicht weiter verzögert, und der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ist zu Gast bei Markus Lanz im ZDF. Gut drauf ist er auch. Nun ja, der Hofreiter-Toni stammt aus München. Da hat man dieses Jahr gelernt, Verluste wegzugrinsen. Im Fußball und in der Politik.

"Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, und in fünf Jahren kann sehr viel passieren", sagt er, als ihn Moderator Lanz über die Gründe der Verluste seiner Partei bei den Europawahlen befragt - immerhin fast die Hälfte ihrer Wähler gingen den Grünen im Vergleich zur Europawahl 2019 flöten. Aber so dürfe man das auch gar nicht sehen, rechnet sich der Politiker das Ergebnis schön. Denn immerhin habe die Partei ja schon bei den Bundestagswahlen 2021 weniger Wählerstimmen erzielt, und gemessen daran - naja.

Aber Gründe für die Verluste nennt Hofreiter dann doch. Die Grünen seien unbeliebt. Denn: "Die Grünen haben den einen oder anderen nicht zu unterschätzenden Fehler gemacht", sagt Hofreiter. Die Fehler nennt Hofreiter dann auch: Die Art und Weise, wie man das Heizungsgesetz gestaltet und kommuniziert und dass man dessen Verhetzung zugelassen habe. Das sei der größte Fehler gewesen.

Und noch etwas sei dazugekommen: "Im Jahr 2022 haben die Grünen pragmatisch und durchsetzungsstark gehandelt." Die Grünen hätten sich für Waffenlieferungen an die Ukraine eingesetzt, für LNG-Infrastruktur und den Ausbau der erneuerbaren Energien. "Dann gingen Atomdebatte und Heizungsgesetz schief", analysiert Hofreiter, "und dann war der Eindruck bei vielen Bürgerinnen und Bürgern, wir seien ideologisch und durchsetzungsschwach. Was eine ungute Kombination ist." Das könne man nicht an einer Person festmachen, das träfe auf die gesamte Partei zu.

Moderator Markus Lanz klingt die Erklärung ein wenig zu worthülsig. Er fragt, ob es sein könne, dass Hofreiter in Wahrheit keine Antwort habe. Der sieht das jedoch nicht so: "Im Gesamtpaket ist das eine ziemlich gute Erklärung", findet er.

Die Migrationspolitik

Wie es denn bei den Grünen mit der Migrationspolitik aussähe, will Lanz wissen. Das sei das zentrale Thema bei den Wahlentscheidungen gewesen, fügt der stellvertretende Zeit-Chef Martin Machowecz, ein weiterer Gast der Sendung, hinzu. Nein, sagt Hofreiter, die sei nicht schuld an dem Verlust der Grünen. Die habe zwar etwas mit der Stimmung im Land zu tun und mit dem Verlust der Ampelparteien ganz allgemein. Aber bei den Grünen? Nein.

Eingeladen zur Sendung ist auch die Chefredakteurin vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, Eva Quadbeck. Sie sieht das völlig anders. "Parteien werden gewählt, weil man ihnen zutraut, Probleme zu lösen. Und die Migrationspolitik wird im Moment als das Topthema in der Gesellschaft wahrgenommen", erklärt sie. "Und es wird den Grünen nicht zugetraut, dass sie das Migrationsthema lösen können." Bei den Grünen werde allgemein wenig Problemlösungskompetenz wahrgenommen. Das gelte für die anderen Ampelparteien auch. Und für die Union. Deswegen gingen die Wähler an die Ränder zu den Populisten. Denen fehle die Problemlösungskompetenz zwar auch, sie würden jedoch als Protest oder in ihrer Radikalität gewünscht.

"Wir haben ein seit Jahren ignoriertes Problem von Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft", hakt Hofreiter ein. Zwei Drittel der AfD-Wähler hielten zum Beispiel die Aussagen der Partei für richtig. Das ärgert den in Meißen geborenen Martin Machowecz ein wenig. Nein, so sei das nicht, sagt er. Zumindest nicht in Sachsen.

Aber Lanz möchte noch ein wenig über Migrationspolitik reden. Wie Hofreiter denn dazu stehe, straffällig gewordene Islamisten wie den mutmaßlichen Polizistenmörder von Mannheim abzuschieben. Hofreiter ist dagegen. "Nehmen wir an, dieser islamistische Straftäter wird bei uns als Mörder verurteilt und dann nach Afghanistan abgeschoben. Dann kann es sein, dass der da einfach freikommt, dass ihm die Terrorbande, die in Afghanistan regiert, die Taliban, eine Belohnung gibt, denn er ist ja auch ein Islamist. Es kann sein, dass er dann nach zwei Jahren wieder zurückkommt, weil er ja nicht im Gefängnis sitzt."

Zudem lehnt Hofreiter grundsätzlich Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Taliban ab. Er will, dass der mutmaßliche Polizistenmörder in Deutschland verurteilt wird, am besten zu einer lebenslänglichen Haft, und danach vielleicht sogar in Sicherungsverwahrung kommt. Lanz bezweifelt, dass das eine gute Idee sei. Denn dazu müsste ihn ja erst einmal ein Gericht verurteilen.

Machowecz für Neuwahlen

Nach dem Wahldebakel für die Ampelparteien von Sonntag gibt es für Machowecz nur eine Konsequenz: Neuwahlen, "weil das für die Landtagswahlen in Ostdeutschland ein Ventil öffnen würde." Denn dann könnte man sich mit den bundespolitischen Themen und mit der Abrechnung für die Politik der Ampelkoalition bei Bundestagswahlen beschäftigen, die Landtagswahlen in Ostdeutschland wären der Landespolitik vorbehalten.

Doch davon will Hofreiter nichts wissen. "Ich halte es für schwierig, Neuwahlen zu machen, denn das ist immer so die totale Krise, und wir haben im Moment schon genug Krisen." Er appelliert stattdessen an die Ampelpolitiker: "Ich glaube, es müssen sich alle drei Parteien jetzt am Riemen reißen und versuchen, Kompromisse hinzukriegen." Das bedeute vor allem, keine Maximalforderungen zu stellen. Daran seien die Grünen gescheitert. Auseinandersetzungen sollten besser hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden. Und wenn es doch mal nur öffentlich geht, dann solle man weniger Zeit darauf verwenden.

Quelle: ntv.de

AfDBündnis 90/Die GrünenEuropawahlMarkus LanzRechtsextremismusAnton HofreiterReaktionen und Statements