Politik

Kabinettsklausur in Meseberg Die Stimmung ist mies - und dürfte es bleiben

Seit 2007 nutzt die Bundesregierung das Barockschloss in Meseberg für ihre Klausurtagungen.

Seit 2007 nutzt die Bundesregierung das Barockschloss in Meseberg für ihre Klausurtagungen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Kennenlernen reicht nicht mehr, um in der Großen Koalition eine freundliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen. In diesem Jahr wird der "Geist von Meseberg" wohl in der Flasche bleiben. Oder?

Vor vier Jahren brachte die Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg Ruhe in den holperigen Start der damals neuen Großen Koalition. Schon kurz nach ihrer Vereidigung stritten die Minister über Vorratsdatenspeicherung und Mindestlohn. Da erschien es sinnvoll, sich im Gästehaus der Bundesregierung im Norden Berlins zusammenzusetzen, um sich kennenlernen und "Vertrauen für die künftige Zusammenarbeit zu schaffen", wie Regierungssprecher Steffen Seibert seinerzeit sagte.

Ruhe täte auch der aktuellen Bundesregierung gut. Seit Wochen ärgern sich die Sozialdemokraten über Äußerungen von Jens Spahn, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt. Größtenteils geht es dabei lediglich um Signale: Wenn der Gesundheitsminister sich in einem Interview mehr Recht und Ordnung wünscht oder wenn der Innenminister und der CSU-Landesgruppenchef finden, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, dann hat das für die praktische Politik schließlich keine große Relevanz. Beim Streit um den Familiennachzug und das Werbeverbot für Abtreibungen ist das nur scheinbar anders: Hier geht es zwar um konkrete Gesetzentwürfe. Doch beide Themen sind so stark aufgeladen, dass sie zu Symbolen geworden sind.

Atmosphärische Folgen haben Wortmeldungen wie die von Spahn, Seehofer und Dobrindt dagegen schon. "Es müsste langsam mal ein Bild von dieser Regierung entstehen: Sie muss trotz aller Unterschiede gemeinsam für dieses Land arbeiten", sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles am Wochenende. Das klang durchaus nach Zähneknirschen. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Nahles ein Machtwort: "Vornehmste Aufgabe der Kanzlerin ist es nun, das Regierungsgeschäft ans Laufen zu bekommen."

Kurzum: Die Stimmung ist mies. Da kommt die aktuelle Meseberg-Klausur an diesem Dienstag und Mittwoch gerade recht. Anders als in früheren Jahren soll dort jedoch offenbar gar nicht erst versucht werden, gute Laune zu simulieren. Sie freue sich auf "den Wettbewerb zwischen den unionsgeführten und den SPD-geführten Ministerien, wer am schnellsten und überzeugendsten die entsprechenden Punkte des Koalitionsvertrages angeht und umsetzt", sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einer Präsidiumssitzung ihrer Partei am Montag. Soll heißen: Wir bilden zwar eine gemeinsame Regierung, aber ein Team sind wir deshalb noch lange nicht.

Kein Kommentar von AKK zum neuen Seehofer-Zitat

Anders als in der jüngsten GroKo will die CDU sich trotz weiter bestehender Differenzen mit der CSU erkennbar nicht auf die Seite der SPD schlagen. Erst am Morgen hatte Seehofer seinen Islam-Satz wiederholt und seinen Kritikern innerhalb der Union vorgeworfen, "irgendwas" zu relativieren. Er stellte sich erneut damit gegen CDU-Größen wie Kanzlerin Merkel und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Darauf angesprochen, sagte Kramp-Karrenbauer nur, Seehofers Äußerung sei "nichts Neues" und müsse daher nicht weiter kommentiert werden. Auf die Frage, wie die CDU zum Streit um den Familiennachzug stehe, merkte die Generalsekretärin an, der Entwurf des Bundesinnenministeriums setze die Beschlüsse des Koalitionsvertrages "zu einem ganz hohen Prozentsatz" um.

Im Koalitionsvertrag heißt es, der Zuzug solle "auf 1000 Personen pro Monat begrenzt" werden. Für den Fall, dass in einem Monat dieses Kontingent nicht ausgeschöpft wird, will die SPD in späteren Monaten entsprechend mehr Familiennachzug bewilligen. Die CSU lehnt dies kategorisch ab. Obwohl es hier um eine sehr überschaubare Fallzahl gehen dürfte, warf Dobrindt der SPD vor, sie verfolge eine "Einwanderungs-Agenda in unsere Sozialsysteme".

Kramp-Karrenbauer sagte dazu, sie verstehe die Zahl 1000 als Grenze "übers Jahr", was 12.000 Personen wären. Inhaltlich stellte sie sich also auf die Seite der SPD. Aber sie tat es so unauffällig wie möglich. Wichtiger sei ihr, "dass wir saubere und klare Kriterien haben", wann und ob Familiennachzug stattfinde. Der Streit um die 1000 Personen sei eine "nachgelagerte Frage", die in der Ressortabstimmung geklärt werde.

Auf Nahles' Ruf nach einem Machtwort reagierte Kramp-Karrenbauer deutlich weniger entspannt. Das sei "Parteitagsregie", wie überhaupt die Kritik aus der SPD "einer gewissen Choreographie" folge. Nahles will sich auf einem Parteitag in knapp zwei Wochen zur SPD-Vorsitzenden wählen lassen. "Wenn die SPD klug ist", so Kramp-Karrenbauer spitzt, werde sie sich noch einmal die letzten Monate der vergangenen Legislaturperiode anschauen. Damals hätten die Sozialdemokraten versucht, gleichzeitig Regierung und Opposition zu sein - genutzt hat es ihnen bekanntlich nicht.

Vor vier Jahren führte die zweitägige Landpartie im Brandenburgischen tatsächlich zu einem "Geist von Meseberg", auch wenn es nur Himbeergeist war und die Harmonie nicht vier Jahre anhielt. Ob das Kennenlernen auch dieses Mal hilft, ist fraglich: Man kennt sich ja längst, vielleicht sogar viel zu gut: Wer den Koalitionspartner ärgern will, weiß genau, welchen Knopf er drücken muss. Vor allem die CSU beherrscht dieses Spiel perfekt. "Ich stelle fest, dass die Unionsminister sehr gut in ihre Ämter gekommen sind. Die mediale, öffentliche Debatte wird mit den Themen der Unionsminister bestimmt", sagte Dobrindt vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. "Jetzt wünscht man sich, dass auch die Kollegen der SPD auch mit der Arbeit beginnen." Parteichef Seehofer warf den Sozialdemokraten vor, "immer noch neben der Spur" zu stehen, und riet ihnen zu "mehr Gelassenheit".

Gelassenheit. Genau das lösen solche Ratschläge in der SPD vermutlich nicht aus. Immerhin: Seehofer sagte auch, er erwarte "eine ganz normale Arbeitsklausur".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen