Dieselprivileg und Kerosinsteuer Diese zwei Maßnahmen könnten Lindners Leben leichter machen


Mit einer Lücke von 17 Milliarden Euro rechnet Lindner für den nächsten Haushalt.
(Foto: IMAGO/Political-Moments)
Finanzminister Lindner braucht Geld und zwar schnell. Potenzial steckt in den Subventionen. Mit rund 100 Milliarden Euro haben die ein Rekordniveau erreicht. Zwei Drittel davon gelten als klimaschädlich. Zwei Maßnahmen allein könnten weiterhelfen.
Woher soll das Geld kommen? Das ist nicht die Eine-Million-Euro-Frage - es ist die 17-Milliarden-Euro-Frage. Genau diesen Betrag muss die Bundesregierung für den Haushalt 2024 auftreiben. Er rechne damit, dass 17 Milliarden Euro für das kommende Jahr fehlten, sagte Finanzminister Christian Lindner am Mittwochabend im ZDF und bezifferte damit erstmals das tatsächliche Ausmaß des Haushaltslochs. Denn die 60 Milliarden, die das Bundesverfassungsgericht aus dem Klima- und Transformationsfonds strich, waren bis 2027 verplant. Sie müssen also nicht auf einmal ersetzt werden, sondern nur stückweise.
17 Milliarden, das klingt schon etwas verdaulicher als 60 Milliarden. Viel Geld ist das aber trotzdem noch. Eine Quelle für den Ersatz könnten die Subventionen sein, die der Staat jedes Jahr vergibt. Laut dem Kieler Instituts für Weltwirtschaft befinden sich diese auf Rekordniveau. 208 Milliarden Euro seien für direkte staatliche Hilfen und Steuervergünstigungen im laufenden Jahr vorgesehen, heißt es darin. Darin stecken allerdings auch die Milliarden aus dem mittlerweile gesperrten Wirtschafts- und Transformationsfonds. Aus dem wurden hauptsächlich die Gas- und Strompreisbremsen finanziert. Diese laufen aber zum Jahresende aus.
Es bleiben demnach aber laut dem Kieler Institut trotzdem noch rund 107 Milliarden an Subventionen allein auf Bundesebene. Hinzu kommt, dass ein Großteil davon nach Einschätzung des Umweltbundesamtes klimaschädlich ist. In einem Bericht des Amtes, allerdings basierend auf Zahlen von 2018, heißt es, die klimaschädlichen Subventionen hätten einen Umfang von 65 Milliarden Euro. Ließen sich hier also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Geld sparen und Gutes fürs Klima tun?
Die einfache Antwortet: im Prinzip ja. Allerdings ist die Liste des Umweltbundesamt gnadenlos. So wird dort auch der soziale Wohnungsbau geführt, weil der Betonverbrauch schlecht für die Umwelt ist. Nicht einmal die Grünen fordern, all diese Subventionen zu streichen.
18 Cent weniger Steuern auf den Liter Diesel
Doch gibt es auf der Liste durchaus Punkte, die man angehen könnte. Einer der Klassiker ist das sogenannte Dieselprivileg. Das macht jeden Liter Diesel 18 Cent billiger als wenn er genauso wie Benzin besteuert würde. Fiele das Privileg weg, könnte das für den einzelnen Dieselfahrer im Schnitt 227 Euro Mehrkosten ausmachen, wenn man die durchschnittliche vom Kraftfahrbundesamt ermittelte jährliche Fahrleistung von knapp 18.000 Kilometern und einen Verbrauch von 7 Litern auf 100 Kilometern zugrunde legt.
2017 hatten die Grünen im Bundestag die damalige Bundesregierung gefragt, wie viel Geld das dem Staat bringen würde. Die Antwort für das Jahr 2015 wäre knapp 3,7 Milliarden Euro gewesen. Allerdings heißt es in dem Schreiben der Bundesregierung auch, dass die günstigere Steuer beim Diesel als Ausgleich für die höhere KFZ-Steuer der Selbstzünder gedacht ist. Ob das bedeutet, dass bei einer steigenden Dieselsteuer diese zwingend gesenkt werden müsste, blieb aber offen.
Das Umweltbundesamt geht dagegen für 2018 von möglichen Mehreinnahmen von 8,2 Milliarden Euro aus. Dabei legt sie wie die Bundesregierung den in Deutschland getankten Dieselkraftstoff zugrunde, geht aber von der doppelten Menge aus. Statt mit rund 20 Milliarden Litern wie die Bundesregierung ein Jahr zuvor in ihrer Antwort an die Grünen rechnet sie mit gut 44 Milliarden Litern. Quelle dafür ist eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes, das den verkauften Diesel ermittelt hatte. Darin wird allerdings nicht nach PKW oder LKW differenziert. Offenbar schließt das Umweltbundesamt im Gegensatz zur Bundesregierung also LKW mit ein.
Dieselmarktanteile sinken
Man könnte nun schnippisch fragen, ob durch höhere Dieselpreise dem Klima wirklich gedient wäre. Da viele aufs Auto angewiesen sind, würden sie es so oder so weiter nutzen. Daten des Kraftfahrtbundesamtes zeigen aber, dass die Fahrleistung der Dieselfahrer in den vergangenen Jahren stetig gesunken ist. Ein Grund dafür dürften die stark steigenden Kraftstoffpreise gewesen sein. Insofern wäre zu erwarten, dass die Fahrleistung bei weiter steigenden Preisen auch weiter sinkt. Und damit wäre ein Effekt fürs Klima vorhanden.
Das Dieselprivileg erschien vielen sinnvoll, weil es der Autoindustrie und damit dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft half und hilft. So überrascht es kaum, dass die FDP gegen eine Abschaffung ist. Sie sieht sich nicht nur als Anwalt der Konzerne, sondern auch der kleinen Unternehmer. FDP-Chef Lindner verweist gern auf den Handwerksmeister und darauf, dass der am häufigsten genutzte Dienstwagen der VW Passat sei. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Abschaffung des Dieselprivilegs auch kleine Betriebe treffen würde. Richtig ist aber auch, dass die große Zeit des Diesels vorbei ist. Die Marktanteile sinken auch in Deutschland seit Jahren. Die Zukunft ist elektrisch, diese Weichen sind gestellt.
Ein weiterer Klassiker der Subventionsdebatte ist das Kerosin. Der Flugzeug-Treibstoff wird überhaupt nicht besteuert, eine krasse Ungleichbehandlung gegenüber Bahn und Straßenverkehr. Laut Umweltbundesamt entgehen dem Staat dadurch jedes Jahr knapp 8,4 Milliarden Euro. Doch auch diese Zahl ist mit Vorsicht zu genießen. Denn das Amt hat das hierzulande getankte Kerosin zugrunde gelegt. Würde Deutschland aber im Alleingang das Kerosin besteuern, dürften die Fluggesellschaften möglichst viel im Ausland tanken. So könnten sie die Steuer zumindest teilweise umgehen.
Subventionsabbau oder Steuererhöhung?
Notwendig wäre also zumindest eine EU-weite Steuer, wobei dabei abgeschwächt das gleiche Problem auftreten würde. Noch besser wäre es, möglichst viele weitere Länder mit ins Boot zu holen. Das aber bedeutet jahrelange Verhandlungen. Zum Stopfen kurzfristiger Haushaltslöcher ist eine Kerosinsteuer also nicht besonders vielversprechend. Es bliebe noch die Möglichkeit, Kerosin für Inlandsflüge zu besteuern - doch laut Subventionsbericht der Bundesregierung, hätte das 2018 "nur" 576 Millionen Euro gebracht. Mit der Corona-Pandemie sank der Wert stark, 2022 waren es dann wieder 317 Millionen. Rechtlich möglich wäre es, wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) betont. Der verweist auch darauf, dass Norwegen und die Niederlande bereits jetzt Kerosin besteuern.
Immerhin gut vier Milliarden Euro könnten das Ende des Dieselprivilegs für PKW und eine neue Kerosinsteuer also bringen. Das wäre ein Schritt nach vorn auf der Suche nach 17 Milliarden Euro - und vielleicht so verlockend für den Finanzminister, dass er so einen Subventionsabbau nicht als Steuererhöhung interpretiert - die er ausgeschlossen hat. Zumal es außer Frage steht, dass beide Subventionen dem Ziel des Klimaschutzes widersprechen. Nicht erst diese Regierung verwickelt sich in Widersprüche: Sie fördert Diesel- und Elektroautos. Sie fördert den Bahn- und den Flugverkehr. Konsequent ist das nicht. Und ein Beispiel dafür, dass sich die Ampelkoalitionäre entscheiden müssen, was sie eigentlich wollen, wo sie die Prioritäten setzen wollen.
Quelle: ntv.de