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Israel hält an Kriegszielen fest "Dieser Horror muss aufhören" - Sicherheitsrat tagt wegen Rafah

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Rauchende Trümmer in dem Flüchtlingslager in Rafah.

Rauchende Trümmer in dem Flüchtlingslager in Rafah.

(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)

Nach dem israelischen Angriff auf ein Flüchtlingslager in Rafah kursieren erste Erklärungen, wie es zu dem tödlichen Feuer kam: Granatsplitter hätten einen Treibstofftank getroffen, heißt es. Der UN-Sicherheitsrat beruft eine Dringlichkeitssitzung ein.

Israels Führung hält ungeachtet des weltweiten Entsetzens über den Luftangriff mit etlichen Todesopfern in einem Flüchtlingslager in Rafah an ihren Kriegszielen fest. Derweil soll der Weltsicherheitsrat angesichts des Vorfalls zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Diplomaten aus dem obersten Gremium der Vereinten Nationen berichteten, das Treffen sei für den heutigen Abend angesetzt.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums bezeichnete die Bilder aus dem Zeltlager für Vertriebene im südlichen Gazastreifen als "herzzerreißend". Man arbeite mit der israelischen Armee und Partnern vor Ort zusammen, um die Umstände des Luftangriffs zu klären. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach im Parlament von einem "tragischen" Vorfall, aus dem man lernen werde. Zugleich betonte er nach Angaben seines Büros jedoch: "Ich werde nicht nachgeben oder kapitulieren. Ich werde den Krieg nicht beenden, bevor wir alle unsere Ziele erreicht haben."

USA betonen Israels Recht, gegen die Hamas vorzugehen

Das israelische Militär hatte bei der Attacke auf ein Lager für Vertriebene am Sonntagabend nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mindestens 45 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Bei den meisten Toten handelt es sich demnach um Frauen und Minderjährige. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte Israels Vorgehen und forderte: "Dieser Horror muss aufhören."

Ein Sprecher des US-Außenministeriums betonte auf Nachfrage, Israel habe das Recht, gegen die Islamisten der Hamas vorzugehen. Den vorliegenden Informationen zufolge seien bei dem Angriff zwei ranghohe Terroristen getötet worden. "Aber wie wir bereits deutlich gemacht haben, muss Israel alle möglichen Vorkehrungen treffen, um die Zivilbevölkerung zu schützen", sagte er. Und in diesem Fall seien Dutzende unschuldige Palästinenser getötet worden.

Bericht: Feuer wohl durch Granatsplitter entstanden

Israelische Beamte hätten der verbündeten US-Regierung erklärt, sie glaubten, dass nach dem Luftangriff ein 100 Meter entfernter Treibstofftank möglicherweise durch Granatsplitter Feuer gefangen habe, zitierte der Sender "ABC News" einen US-Beamten. Dadurch habe ein Zelt Feuer gefangen, was wiederum zu dem Brand in dem Lager geführt habe. Den USA lägen jedoch keine eindeutigen Informationen hierzu vor. In sozialen Medien kursierten nach dem Luftangriff Videos, die zeigen, wie verkohlte Leichen aus brennenden Zelten geborgen werden. Israels Armee hatte mitgeteilt, Vorkehrungen getroffen zu haben, um das Risiko für Zivilisten zu verringern. So sei bei dem Angriff präzise Munition eingesetzt und das Gebiet aus der Luft überwacht worden.

Unterdessen sagten zwei US-Beamte dem Nachrichtenportal "Axios", die Regierung von US-Präsident Joe Biden prüfe noch, ob der tödliche Luftangriff eine Verletzung der von Biden proklamierten "roten Linie" darstelle. Biden hatte Israel unlängst gedroht, die Lieferung einiger US-Waffen auszusetzen, sollte Israels Armee in dicht besiedelte Stadtzentren in Rafah eindringen. Die US-Regierung lehnt eine große israelische Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt ab, hatte zuletzt jedoch erklärt, die Einsätze dort hätten bislang nicht das Ausmaß erreicht, vor dem sie gewarnt habe. Die Frage, ob das Außenministerium die Situation nach dem jüngsten Luftangriff weiterhin so bewerte, beantwortete der Sprecher nicht.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass es im Zusammenhang mit dem Angriff einen Fehler der israelischen Seite gegeben habe. Derzeit liefen in Israel Untersuchungen, ob es sich um einen gezielten Angriff gehandelt habe, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Auf alle Fälle ist ein Fehler passiert, das kann man jetzt schon sagen", fügte er hinzu. "Der Schluss, ob das ein Kriegsverbrechen ist im Sinne des Völkerrechtes, das ist etwas, was man Juristen überlassen muss, die die genauen Sachverhalte kennen." Die Maxime laute: "Erst mal untersuchen, was genau passiert ist und dann urteilen. Und nicht anhand von Bildern sofort ein Urteil fällen."

Dämpfer für Bemühungen um Waffenruhe

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Wegen des Angriffs in Rafah setzte die Hamas ihre Teilnahme an den Verhandlungen über eine Waffenruhe vorerst aus. Dies teilten Hamas-Repräsentanten am Montag mit. Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Islamistenorganisation, bei denen Ägypten, Katar und die USA als Vermittler agieren, waren zuletzt nach mehrtägigen Gesprächen in Kairo und Doha in eine Sackgasse geraten. Medienberichten zufolge sollten sie in dieser Woche "auf der Basis neuer Vorschläge" wiederaufgenommen werden. Israel warte auf weitere Informationen von den Vermittlern über die neuesten Positionen der Hamas, bevor es eine Entscheidung über die Entsendung eines eigenen Verhandlungsteams treffe, sagte ein israelischer Beamter der "Times of Israel".

Die EU will unterdessen mit Israel im Rahmen eines formellen Treffens über die Situation im Gazastreifen sprechen. "Wir haben die notwendige Einstimmigkeit erzielt, um einen Assoziationsrat mit Israel zu fordern", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel nach einem Treffen der Außenministerinnen und -minister der Mitgliedstaaten. Es solle um die Achtung der Menschenrechte gehen und darum, wie Israel die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) umsetzen wolle, sagte Borrell. Seit der Verkündung der Entscheidung sei nicht die Einstellung der militärischen Aktivitäten zu beobachten, sondern "im Gegenteil: eine Zunahme der militärischen Aktivitäten, eine Zunahme der Bombardierungen und eine Zunahme der Opfer unter der Zivilbevölkerung".

Quelle: ntv.de, mau/dpa

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