Politik

"Erst am Anfang der Beratungen" Grüne bemühen sich im Heizungsstreit um Beschwichtigung

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"Die Leute wollen wissen, was sich langfristig rechnet", sagt Grünen-Chef Nouripour bei Anne Will.

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

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Ein Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium sorgt für Unmut und Verwirrung. Schon ab dem 1. Januar 2024 will Minister Habeck den Einbau neuer Gas- und Ölheizungen verbieten. Die Gäste bei Anne Will sind sich einig: Darüber muss nochmal geredet werden.

Da hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen ein Kuckucksei ins Nest gelegt: Offenbar früher als geplant hat er einen Gesetzentwurf vorgelegt. Danach dürfen ab dem 1. Januar 2024 in Häusern keine Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden. Habeck will so den Einbau von Wärmepumpen vorantreiben, der finanziell gefördert werden soll. Womit, weiß Habeck noch nicht. Auch nicht, wer die neuen Anlagen einbaut. Denn es fehlt nicht nur an Geld, sondern auch an Fachkräften. Die FDP hat schon mal Diskussionsbedarf angemeldet und vorgeschlagen, den Gesetzentwurf lieber wieder zu kassieren, um ihn in die "Montagehalle" zu befördern. Da liegt schon der Entwurf für den nächsten Bundeshaushalt von Finanzminister Christian Lindner. Den hatte der FDP-Vorsitzende eigentlich diese Woche vorstellen wollen. Doch nun zeigt sich: Für die Forderungen der einzelnen Ressorts ist zu wenig Geld da.

Am Sonntagabend will Anne Will in der ARD mit ihren Gästen über den Gesetzentwurf von Robert Habeck sprechen. Einig scheinen sich alle Gäste mehr oder weniger zu sein: Das ist nicht der allergrößte Wurf. Sie sagen es nur anders.

Omid Nouripour zum Beispiel. "Wir sind am Anfang der Beratungen", beschwichtigt der Grünen-Chef. Er habe das Gefühl, die Menschen befürchteten, sie dürften ihre bereits vorhandenen Gas- oder Ölheizungen nicht mehr nutzen. So sei es nicht. Es gehe nur um den Einbau neuer Heizungen. Deutschland habe sich entschlossen, seine Energieversorgung bis 2045 umzustellen. Da eine Gas- oder Ölheizung in der Regel bis zu 30 Jahre halte, müsse man jetzt anfangen, auf Wärmepumpen umzustellen. Die Ampelkoalition müsse noch über die entsprechende Finanzierung reden. "Wir haben uns langfristig zum Klimaschutz verabredet. Und die Leute wollen wissen, was sich langfristig rechnet."

FDP-Fraktionschef Christian Dürr stört vor allem, dass der Gesetzentwurf nur den Einbau von Wärmepumpen priorisiert. "Ich schlage vor, wir bleiben energieoffen", sagt er bei Anne Will. "Wir haben die bedauerliche Situation, dass der Anteil fossiler Brennstoffe im Strommix wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gewachsen ist." Auch eine Wärmepumpe werde zurzeit nicht wirklich umweltfreundlich laufen. Dürr kann sich langfristig vorstellen, auch Wasserstoff zum Heizen zu verwenden.

Zukunft Wasserstoffheizung?

Wasserstoffheizungen gehören zu einem Lieblingsprojekt der Liberalen. Tatsächlich kann man unter Umständen damit energieneutral heizen. Wasserstoff kann Energie auf zwei Arten freisetzen: Durch Verbrennung oder durch eine chemische Reaktion. In beiden Fällen entsteht Wärme, bei der "kalten Verbrennung" auch Strom. Problem dabei ist der hohe Energieaufwand, den man zur Gewinnung von Wasserstoff benötigt. Außerdem fehlt es an einer funktionierenden Infrastruktur, also an einem Wasserstoffnetz, über das er eingespeist werden könnte. Heizen mit Wasserstoff könnte irgendwann vielleicht eine spannende Variante sein, aber das wird noch sehr lange dauern.

Henrike Rossbach von der "Süddeutschen Zeitung" kann verstehen, dass viele Menschen mit dem Gesetzentwurf nicht zufrieden sind. Die Bundesregierung versuche, jetzt mit der Brechstange das zu erzwingen, was in den letzten Jahren versäumt worden sei. So habe beispielsweise Norwegen schon Anfang der 1990er Jahre mit der Einführung einer CO2-Steuer bei den Menschen den richtigen Anreiz für die Entscheidung einer Umrüstung auf erneuerbare Energien geschaffen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil findet es gut, dass das Wirtschaftsministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. "Allerdings geht das Ministerium damit anderthalb Schritte zu schnell vor", klagt der SPD-Politiker. Das Gesetz zum 1. Januar umzusetzen, halte er für unrealistisch. "Ich halte es für klüger, man würde jetzt mit den unterschiedlichen Branchen Gespräche darüber führen, was in welchem Zeitraum geht und wie wir das am besten machen."

Reden müsse man auch mit den Bürgern, meint CDU-Politikerin Gitta Connemann, die auch Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion ist. "Klimaschutz geht nur mit den Menschen, aber nicht gegen sie", sagt sie bei Anne Will. Mit dem Einbau von Wärmepumpen, den sich ohnehin niemand leisten könne, sei es nicht getan. Viele Gebäude müssten saniert werden, denn 64 Prozent der Gebäudehüllen stammten von vor 1979 und dämpften ständig CO-2 aus. Schließlich brauchte man einen CO2-ärmeren Strommix, zu dem auch Atomstrom gehören müsste.

Das Gesetz werde so nicht kommen, fasst Dürr die Auffassung aller Gäste der Sendung zusammen. Aber es sei richtig, über dessen Ausgestaltung zu reden. Es gebe ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven, weitere würden ihren Dienst bald aufnehmen. "Und die sind alle Wasserstoff-Ready. Da gehen wir große Schritte voran", glaubt Dürr.

Und was haben die Zuschauer der Anne-Will-Talkshow am Sonntagabend nun gelernt? Mindestens, dass man am Ende nichts so heiß isst, wie es gekocht wird. Und das trifft im übertragenen Sinne auch auf Gesetzentwürfe von Wirtschaftsminister Habeck zu.

(Dieser Artikel wurde am Montag, 13. März 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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