Irritiert von Trumps Strategie Ex-Nato-Chef: Russland bekommt Appetit auf noch viel mehr
17.02.2025, 08:17 Uhr Artikel anhören
Russland ist groß, die Sowjetunion war allerdings größer - wie Putin gerne beklagt.
(Foto: imago images/ITAR-TASS)
Gespräche mit Russland haben noch nicht begonnen, da gibt US-Präsident Trump schon viele Verhandlungspositionen auf - zum großen Ärger von Ex-Nato-Generalsekretär Rasmussen. Dieser beklagt auch die "offene Flanke gegenüber Trump", für die Europa nun büßen muss.
Vor dem Start möglicher Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine diese Woche unter Führung der USA hat der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen das Vorgehen des US-Präsidenten Donald Trump kritisiert. "Man muss Verhandlungen aus einer Position der Stärke beginnen. Man darf auf keinen Fall von Beginn an Dinge ausschließen", betonte der Däne gegenüber dem "Tagesspiegel". Die Tatsache, dass Trump noch vor Beginn der Gespräche etwa die Entsendung von US-Truppen und den Nato-Beitritt der Ukraine ausgeschlossen habe, nannte er "äußerst ungeschickt". "Alle diese Optionen müssen auf dem Tisch sein, damit Putin weiß, dass er konstruktiv sein muss", führte er aus.
In dem Gespräch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz bedauerte der 72-Jährige, dass US-Vizepräsident J.D. Vance mit seiner Rede dort nicht die Chance genutzt habe, auch den Partnern die amerikanischen Pläne zum Ukraine-Krieg zu erläutern. "Ich war überrascht, dass Vizepräsident Vance die Demokratien in Europa angegriffen hat, anstatt den Mangel an Demokratie in Russland zu beklagen."
Sollte es Russland gelingen, durch einen Deal mit Trump Gebietsgewinne in der Ukraine zu erzielen, bedeute dies eine "akute Bedrohung" für weitere europäische Staaten. "Putin wird Appetit auf noch viel mehr bekommen", befürchtet Rasmussen. Als besonders gefährdet sieht er die Republik Moldau, Georgien und die baltischen Staaten.
Unabhängig vom Ausgang der geplanten Friedensverhandlungen benötige die Ukraine "eiserne Sicherheitsgarantien", um einen weiteren russischen Angriff zu verhindern. Der "Goldstandard" sei die Nato-Beistandsklausel. Wer der Nato beitrete, entschieden die Mitglieder: "Putin hat kein Wort mitzureden". Die Ablehnung einer Nato-Perspektive für die Ukraine durch die Trump-Administration nennt Rasmussen "noch nicht" endgültig.
Ohne Nato-Mitgliedschaft brauche die Ukraine bilaterale Sicherheitsgarantien. Diese sollten unter anderem einen Luftverteidigungsschild und nicht-kämpfende Truppen umfassen und könnten von einer europäischen Koalition der Willigen getragen werden, die von Frankreich und Großbritannien angeführt wird - denn Deutschland habe sich "bisher um eine Führungsrolle gedrückt", so Rasmussen.
Rasmussen: "Peinlich", dass Europa bettelt
Dass Trump über den Krieg in der Ukraine direkt mit dem russischen Präsidenten Waldimir Putin verhandele und die europäische Unterstützung für die Ukraine ignoriere, sieht Rasmussen als eine "Schande". Grund dafür sei, dass Europa nicht ausreichend in seine eigene Verteidigung investiert habe. "Wir haben uns damit eine offene Flanke gegenüber Trump erlaubt, für die wir jetzt büßen." Wer eine Stimme auf der Weltbühne haben wolle, benötige militärische Stärke. "Ich finde es peinlich, dass Europa darum bettelt, auch einen Platz am Verhandlungstisch zu bekommen", kritisierte der Däne im Gespräch mit dem "Tagesspiegel".
Damit Europa sich angesichts des Rückzugs der USA verteidigen könne, müssten die Staaten ihre Investitionen in die Sicherheit "mindestens verdoppeln". "Vier Prozent des BIP wäre aus meiner Sicht ein guter Richtwert für die Verteidigungsausgaben". Russland investiere so viel in die Verteidigung wie ganz Europa zusammen, führte er aus. "Das ist beängstigend."
Europa müsse der Trump-Regierung einen Finanzierungsvorschlag vorlegen, um sie davon zu überzeugen, sich langfristig in der Ukraine und in Europa zu engagieren. Rasmussen, der 2001 bis 2009 Ministerpräsident von Dänemark war, schlägt den schrittweisen Übergang zu einer Lastenteilung von 70 zu 30 von Europa zu den USA vor. Sobald es eine "europäische Koalition der Willigen" gebe, die bereit sei, signifikant mehr in die Verteidigung zu investieren und Truppen in die Ukraine zu entsenden, "wird es für die USA schlicht unmöglich sein, ein Friedensabkommen abzuschließen, ohne die Europäer einzubeziehen", ist sich Rasmussen sicher.
Quelle: ntv.de, ghö