Merkel an Uni in Amman Ein Vorbild - und weit weg von Seehofer
21.06.2018, 15:36 Uhr
Kanzlerin Angela Merkel lässt sich in Jordanien beklatschen.
(Foto: REUTERS)
In Jordanien besucht Angela Merkel eine Universität. Das Thema Flüchtlinge ist auch hier allgegenwärtig. Doch die Studierenden sind neugierig auf die Bundeskanzlerin - und voller Bewunderung.
Angela Merkel lässt sich nichts anmerken, aber das muss ihr schon gut tun: "Sie sind ein Vorbild für mich", sagt die Studierende an der deutsch-jordanischen Universität in Amman. "Ich möchte auch einmal etwas für mein Land und für die Gesellschaft tun." In ihrer Antwort ignoriert Merkel das Lob, freut sich aber über das Engagement der jungen Frau.
Eine Stunde lang beantwortet die Kanzlerin Fragen der Studierenden in Jordanien, zur Lage in Nahost, zu Berufschancen in Deutschland - und dazu, wie sicher man sich als ausländischer Student in Deutschland noch fühlen könne, die AfD sei ja so stark geworden? Merkel wägt ihre Worte genau: Es habe Übergriffe gegeben gegen Ausländer in Deutschland, aber auch junge Flüchtlinge, die deutsche Mädchen ermordet hätten. Deshalb gebe es eine Diskussion in Deutschland. Wichtig sei es, jeden Menschen unvoreingenommen zu betrachten. "Wir müssen offen sein, aber die Migration auch steuern."
Eigentlich wollte Angela Merkel auf dieser zweitägigen Reise nach Jordanien und Libanon nicht so viel über Flüchtlinge reden. Weil die beiden Länder auch noch andere Wünsche und Sorgen haben. Und weil es auch ganz schön ist, mal zwei Tage so weit weg von Horst Seehofer und der CSU zu sein.
Ein Flüchtling auf zehn Einwohner
Doch vor dem Thema Flüchtlinge zu fliehen, erweist sich als unmöglich. In der Hauptstadt Amman kommen ihre Gesprächspartner immer wieder darauf zurück. Studierende betonen genauso wie der König, wie sehr sie Deutschland für seine Flüchtlingshilfe schätzen. Sie wissen, wovon sie reden: Jordanien hat selbst eine Million Syrer aufgenommen - bei einer Bevölkerungszahl von nur 9,5 Millionen.
"Wir stehen vor den gleichen Herausforderungen", sagt Merkel dem jordanischen König Abdullah II. Doch Jordanien ist wirtschaftlich viel schlechter aufgestellt als Deutschland. Es fehlt an Wohnungen und Arbeit, der öffentliche Nahverkehr ist überlastet.
Die Regierung steht zudem auch noch unter dem Reformdruck eines Programms des Internationalen Währungsfonds. Deshalb gewährt Deutschland, zusätzlich zu fast 400 Millionen Euro Entwicklungshilfe noch einen 87 Millionen-Euro-Kredit.
Schwerpunkt Technik - Frauen in der Mehrheit
Was solche Hilfen bewirken können, zeigt der Besuch an der deutsch- jordanischen Universität, die seit zwölf Jahren von Deutschland mitfinanziert wird: Über 4000 Jordanierinnen und Jordanier studieren hier. Der Schwerpunkt liegt auf Naturwissenschaften und Technik - mehr als die Hälfte der Studierenden sind Frauen. Merkel merkt an, dass es in Deutschland leider viel weniger Mädchen gebe, die sich für diese Fächer interessierten. Unter den Zuhörerinnen bei Merkels Auftritt trägt etwa die Hälfte Kopftuch, auch die junge Frau, die so bewundernd über die Kanzlerin redet. An ihrem Willen, voranzukommen und ihr Leben selber zu gestalten, lässt sie keinen Zweifel.
Einer der Studenten fragt Merkel noch, warum Deutschland sich so in Jordanien engagiere? Damit das Land sich gut entwickle, antwortet sie. Das sei auch in deutschem Interesse: "Wir brauchen Stabilität überall. Wir lernen doch gerade, wie Ereignisse uns alle betreffen." Deshalb hilft es auch nicht, dass zwischen Merkel und Seehofer an diesem Donnerstag vier Flugstunden liegen. Das Flüchtlingsdrama hat hier im Nahen Osten begonnen und erschüttert jetzt die Bundesregierung - und ganz Europa.
Freitagabend landet Merkel wieder in Berlin, am Sonntag fliegt sie nach Brüssel zu einem Sondertreffen von EU-Staaten zur Flüchtlingskrise. Merkel kämpft um eine "europäische Lösung". Seehofer droht mit einem nationalen Alleingang. Beim Blick aus dem fernen Jordanien auf die Debatte ahnt man: Beides ist zu klein gedacht. Grenzkontrollen allein werden dieses Drama nicht beenden, egal, ob die Grenzzäune in Passau stehen oder irgendwo am Mittelmeer.
Quelle: ntv.de