Politik

Özdemir soll zum Bluttest Erdogan beschimpft deutsche Abgeordnete

Die Kritik des türkischen Präsidenten im Streit über die Armenien-Resolution reißt nicht ab. Deutschland müsse erst einmal Rechenschaft über den Holocaust ablegen, poltert er nun. Und dann greift er einige Bundestagsabgeordnete persönlich an.

Nach der Völkermord-Resolution des Bundestags hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Ton gegenüber Deutschland nochmals verschärft: Deutschland sei "das letzte Land", das über einen "sogenannten Völkermord" der Türkei abstimmen solle, sagte Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Zunächst solle Deutschland Rechenschaft über den Holocaust und über die Vernichtung von mehr als 100.000 Herero in Südwestafrika Anfang des 20. Jahrhunderts ablegen. Bereits am Samstagabend hatte Erdogan scharfe Kritik an der Einstufung der Massaker an den Armeniern als Völkermord geübt und besonders die türkischstämmigen Bundestags-Abgeordneten angegriffen, die für die Resolution gestimmt hatten.

Einem Bericht der "Welt" zufolge soll Erdogan in seiner Ansprache auch Bluttests für türkischstämmige Bundestagsabgeordnete gefordert haben. Angeblich soll er den Grünen-Chef Cem Özdemir angegriffen haben - ohne allerdings dessen Namen zu nennen. Erdogans Worte: "Da kommt ein Besserwisser und bereitet etwas vor, das er dem deutschen Parlament vorschlägt. Ein Türke, sagen manche. Ach was, Türke. Ihr Blut sollte einem Labortest unterzogen werden."

Neue Qualität der Bedrohung

Außerdem warf Erdogan den türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten vor, der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als verlängerter Arm zu dienen. "Es ist sowieso bekannt, wessen Sprachrohr sie sind", sagte Erdogan. "Von der separatistischen Terrororganisation in diesem Land sind sie die Verlängerung in Deutschland."

Der Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu sprach von einer neuen Qualität der Bedrohung - "zumal irgendwelche durchgeknallten Verrückten das sich anhören und denken, die Obrigkeit hat befohlen. So sind viele Menschen in der Türkei zu Tode gekommen", sagte der Grünen-Politiker am Sonntag der ARD-"Tagesschau". Integrationsbeauftragte Aydan Özugus, die ebenfalls ins Visier türkischer Kritiker geraten war, warb für Verständnis: "In Deutschland nehmen wir, glaube ich, zu wenig wahr, was dort eigentlich weit über extremistische Kreise hinaus gedacht und gefühlt wird - dass das nämlich wirklich eine echte Enttäuschung gerade darstellt", so die SPD-Politikerin.

Grünen-Chef Cem Özdemir hatte der "Welt am Sonntag" von Bedrohungen von türkischer Seite gegen ihn berichtet. "Es gibt leider auch eine türkische Pegida", sagte der Politiker der Zeitung zur Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen. "Rechtsradikalismus ist kein deutsches Privileg. Das gibt es leider auch in der Türkei und unter Deutschtürken." Die Berliner Polizei hat dem Bericht zufolge ihre Präsenz in der Umgebung von Özdemirs Wohnung erhöht. Özdemir hatte sich wiederholt kritisch zum Kurs der Türkei unter Präsident Erdogan geäußert. Er war einer der Initiatoren der am Donnerstag vom Bundestag beschlossenen Resolution, in der die Massaker und Deportationen von Armeniern im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord eingestuft werden.

Erdogan zeigte sich in der Folge enttäuscht von Kanzlerin Angela Merkel: Er verstehe nicht, warum die CDU-Vorsitzende es nicht geschafft habe, ihre eigene Partei dazu zu bringen, gegen die Resolution zu stimmen, sagte Erdogan nach Berichten türkischer Medien. Er warnte, Deutschland könne einen "wichtigen Freund" verlieren und verwies ausdrücklich auf die Millionen türkischstämmiger Menschen in Deutschland. Sanktionen gegen die Bundesrepublik wollte er nicht ausschließen.

Quelle: ntv.de, kpi/dpa

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