
Die kurdischen Veranstalter rechneten mit bis zu 30.000 Teilnehmern an der Demo in Köln.
(Foto: dpa)
Zuerst die Erdogan-Fans, nun seine Gegner: In Köln demonstrieren Kurden gegen die Zustände in ihrer Heimat. Sie kündigen erbitterten Widerstand gegen die Erdogan-Regierung an.
Dutzende Imbissstände und Kaffeebuden säumen das Gelände am Rheinufer. Dazwischen werden Kleider und Schmuck, Bücher, Fahnen und T-Shirts verkauft. Manches davon ist unpolitisch, auf vielen Shirts ist das Konterfei des PKK-Chefs Abdullah Öcalan zu sehen, der in der Türkei inhaftiert ist.
Sei Gesicht ziert auch die gelben Fahnen, die vor der Bühne geschwenkt werden. "PKK-Verbot aufgeben", steht auf Transparenten. Ein paar junge Frauen tragen grüne Kampfanzüge, versehen mit einem Aufnäher der YPG - jener syrisch-kurdischen Truppe, die im Norden Syriens eine friedliche Zone gegen den Islamischen Staat verteidigt und als engster Verbündeter von Nato und USA in dem Land gilt.
Fest im Stadion verhindert
Bei aller Politik ist das Kurden-Festival in Köln aber auch eine Art Familientreffen. Eltern schieben ihre Kinderwagen durch die Menge, alte Damen haben Picknickdecken ausgebreitet, junge Leute fallen sich in die Arme, als sie sich treffen. Die Älteren sprechen eher kurdisch, die Jüngeren eher deutsch.
Kurdische Kulturfestivals haben schon eine stolze Tradition in Deutschland. 1992 kamen zum ersten Mal Zehntausende Kurden in Bochum zusammen, seitdem gab es mit nur einer Ausnahme jedes Jahr ein Treffen, meistens im Ruhrgebiet, manchmal in den Niederlanden und einige Male auch schon in Köln. Veranstalter ist das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland", kurz Nav-Dem.
In diesem Jahr ist die Lage allerdings anders. Die Planungen für das Festival im Kölner Fußballstadion wurden von der Polizei durchkreuzt, die meinte es dort nicht schützen zu können. Stattdessen meldete Nav-Dem nur eine Demonstration an und sagte dann auch noch einen Demonstrationszug ab. Die Polizei lobt die Kooperationsbereitschaft von Nav-Dem, die allerdings sind mit der Situation unzufrieden: Die Entscheidung stärke "das despotische Vorgehen des AKP-Regimes", also der Erdogan-treuen Regierung in der Türkei. Nav-Dem und einige linke Gruppierungen fordern eine Aufhebung des "Verbotes" des Festivals.
Obwohl es nicht der Plan der Kurden war, wirkt die Demonstration nun wie eine direkte Antwort auf die Pro-Erdogan-Demonstration. Das Verhältnis Erdogans zu den Kurden verschlechtert sich seit Jahren. Seit Kurzem greift er sogar direkt in den Syrien-Krieg ein und lässt dabei auch Stellungen der kurdischen YPG beschießen.
"Wollen die Freundschaft der Völker"
Salih Muslim versucht, das Verhältnis nicht zusätzlich zu belasten. Er ist der Ko-Vorsitzende der syrischen Partei PYD und steht damit in enger Verbindung zu den Kämpfern der YPG. Auf der Bühne in Köln entwirft er die Vision eines föderalen Staates, der den Nahen Osten umfasst, in dem die Ländergrenzen also nicht aufgehoben sind, die Völker aber über sich selbst bestimmen können. "Wir waren niemals gegen das türkische Volk und werden es niemals sein", ruft er. "Wir wollen die Freundschaft der Völker." Rojava, also die syrischen Kurdengebiete, seien nie eine Gefahr für die Türkei gewesen. Tausende Zuhörer rufen trotzdem: "Erdogan, du Mörder".
Gekommen ist auch Selahattin Demirtas. Er wird gefeiert wie ein Star. Demirtas ist der Vorsitzende der kurdenfreundlichen HDP, der letzten demokratischen Hoffnung für die Türkei, wie er sagt. Alle anderen Parteien verbeugten sich vor dem Palast des Präsidenten. "Wenn wir schweigen, wird die Türkei ein Regime wie das Hitler-Regime bekommen." Wenn Erdogan könnte, würde er noch heute das Parlament auflösen, so Demirtas. Im Geschichtsunterricht würde Erdogan nur noch seine eigene Biographie lehren lassen. "Wenn unsere Bastion fällt, wird die Türkei in eine lange Phase der Dunkelheit eintauchen." Das harmonische Kulturfest ist an dieser Stelle praktisch vorbei. Was Demirtas sagt, klingt wie die Ankündigung eines Widerstandes, auch wenn er betont, dass alles im demokratischen Rahmen stattfinden werde.
Zum Symbol des Widerstandes wird das Schicksal von PKK-Chef Öcalan. Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei gibt es kein Lebenzeichen mehr von ihm. Demirtas deutet an, dass er es für möglich hält, dass Öcalan hingerichtet oder gefoltert wurde. Ab dem 8. September würde nun ein Hungerstreik von 50 Menschen beginnen, bis Angehörige Öcalan zu ihm vorgelassen würden. Er ruft die in Deutschland lebenden Kurden auf, alles im demokratischen Rahmen mögliche zu tun, um den Widerstand zu unterstützen.
Quelle: ntv.de