Politik

Deutschlands "zentraler Fehler" Experte: Kreml hat mehr Einfluss auf uns als umgekehrt

Für den Kreml sei Europa "kein adäquater Partner", sagt Politikexperte Kaim.

Für den Kreml sei Europa "kein adäquater Partner", sagt Politikexperte Kaim.

(Foto: picture alliance / pressefoto_korb)

Wenige Tage vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, appelliert Kanzler Scholz an Putins Vernunft. Seit Jahrzehnten setzt Deutschland in seiner Russland-Politik auf Diplomatie. Anzunehmen, dass dies Moskau tatsächlich beeindruckt, sei ein großer Fehler, sagt Politikexperte Kaim.

Markus Kaim vom Institut für Wissenschaft und Politik sieht gravierende Fehler in der deutschen Russland-Politik der vergangenen Jahrzehnte. Der Sicherheitsexperte hielt es im Interview mit ntv für den zentralen Fehler, "dass wir immer davon ausgegangen sind, dass wir Russland transformieren können". Es habe die Auffassung bestanden, man könne Russland in eine andere Richtung bewegen. Dies sei schon das Prinzip der "brandtschen Außenpolitik" gewesen.

Markus Kaim ist Politikwissenschaftler am Institut für Wissenschaft und Politik in Berlin.

Markus Kaim ist Politikwissenschaftler am Institut für Wissenschaft und Politik in Berlin.

(Foto: picture alliance / AA)

Sogar die Sanktionsbeschlüsse, so Kaim, "atmen den Geist, wir hätten den Hebel, Russland in eine bestimmte Richtung zu drängen". Der Experte riet zum Umdenken. Man müsse die Auffassung sogar umdrehen, denn angesichts weltwirtschaftlicher Verflechtungen "kann Russland uns fast stärker beeindrucken und in eine Richtung drängen als wir das umgekehrt können". Kaim betonte, es sei eine Umkehrung der Machtverhältnisse von vor 20 Jahren.

Es gebe derzeit keine Möglichkeit des Westens, in das Geschehen in der Ukraine einzugreifen, so Kaim. Grundsätzlich haben die Staaten zwar militärische, diplomatische und politische Handlungsmöglichkeiten. Diplomatisch gebe es im Moment jedoch keinen Spielraum und militärisch habe die NATO keine Hebel, wie sie selbst erklärt habe. "Also bleibt die Politik und damit die Sanktionen." Allerdings "taugen die nicht für das, was gerade in der Ukraine passiert". Was in den nächsten Stunden und Tagen in dem Land passiere, sei dem Westen entzogen.

Kaim: Europa versagt als Krisenmanager

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Der Experte rechnet mit einem schnellen Ende des militärischen Manövers. "Es könnte jetzt zügig gehen, vor allem wenn es gelingt, die politische Entscheidungsstruktur der Ukraine zu enthaupten, den Präsidenten zu verhaften und wenn die Ukraine dann eine Art Kapitulation unterschreibt." Denn die politische Enthauptung der ukrainischen Regierung sei das Ziel der militärischen Operation Russlands. Kaim rechnet damit, dass "das Ganze innerhalb von ein paar Tagen über die Bühne" gehe. Wenn die Bevölkerung sich allerdings wehren und es zu einer Art Guerillakrieg kommen würde, "dann würde das den Blutzoll der russischen Seite erhöhen", mahnte Kaim.

Er weist zudem darauf hin, dass weniger Europa und vielmehr die USA "ein adäquater Partner für Putin" seien. Um Russland die Stirn zu bieten, müssen die USA sich mit aller Kraft, politisch, wirtschaftlich und finanziell in Europa engagieren. "Damit kehren sie zu einer Politik zurück, die sie eigentlich loswerden wollten", sagte Kaim. Für die EU gebe es gleichzeitig einen bitteren Befund: Sie habe immer noch nicht die Fähigkeit gefunden, "in der eigenen Nachbarschaft als Krisenmanager tätig zu sein".

Quelle: ntv.de, spl

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