Politik

Der Kampf um Rom Fällt Italien, fällt der Euro

Mario Monti soll Italien retten. Und den Euro.

Mario Monti soll Italien retten. Und den Euro.

(Foto: REUTERS)

Nach Berlusconis Niederlage schlägt die Stunde des letzten Aufgebots, ihre Verteidigungslinie ist der Tiber. Mario Monti muss die Quadratur des Kreises versuchen. Scheitert er, scheitert auch der Euro. Denn Italien ist zu groß, um von den anderen Euro-Ländern noch gerettet zu werden.

Udo Gümpel ist Italien-Korrespondent von n-tv.

Udo Gümpel ist Italien-Korrespondent von n-tv.

Die Politiker mussten den Schützengraben der Verteidigung des Euro verlassen, wegen erwiesener Unfähigkeit. Die Regierung des früheren EU-Kommissars Mario Monti ist zuallererst eine schallende Ohrfeige für die 952 Parlamentarier Italiens.

Die Katastrophe ist ja nicht über Nacht gekommen. Seit Monaten hat sich der Druck auf Italien erhöht. Die Berlusconi-Regierung hat sie zuerst geleugnet, wie immer, und dann versucht, mit Ankündigungen Punkte zu machen, ohne je Taten folgen zu lassen. Die Opposition ist zerstritten in drei verfeindete Lager, blieb zahnlos und bot nie eine glaubwürdige Alternative.

Während in der Vergangenheit die "Retter in der Not" noch aus den Reihen der Politik kamen, sind es diesmal samt und sonders Nicht-Politiker. Der Grund dafür: Ein von Berlusconi auf seine Interessen maßgeschneidertes Wahlrecht hat Personen ins Parlament gespült, die oft weder korrekt Italienisch sprechen noch zwei und zwei zusammenzählen können - um es drastisch zu sagen. Wenn man heute in Italien verächtlich von der "Politikerkaste" spricht, dann haben es sich die Politiker vor allem selbst zuzuschreiben, dass sie so wenig angesehen sind.

Kein Abgeordneter wird direkt gewählt: sie werden vom Parteichef ernannt, auf einen Listenplatz gesetzt, ohne Parteitagsbeschlüsse, ohne geheime Wahlen: Italien ist derzeit eher eine "gesteuerte Demokratie" als eine parlamentarische im klassischen Sinne.

Das letzte Aufgebot der "buona borghesia"

Nach dem "Caporetto" schlägt die Stunde der Männer des letzten Aufgebots. Die "Schlacht von Caporetto", einer Stadt im heutigen Slowenien, in deren Nähe die österreichischen Truppen die Italiener in der letzten Sommer-Offensive 1918 vernichtend schlugen, ist in Italien ein Symbol für schwere Niederlagen. Die Italiener zogen sich hinter die "die Piave-Linie" zurück: am Fluss Piave gelang es ihnen, den rasanten deutsch-österreichischen Vormarsch zu stoppen und den schon verloren geglaubten Ersten Weltkrieg doch noch auf dem Schlachtfeld zu gewinnen.

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(Foto: REUTERS)

Heute liegt die "Piave-Linie" in Rom. Nur stehen auf der anderen Seite nicht zwei Kaiser, sondern unsichtbare Spekulanten. Der "Truppenführer" ist der Rektor der renommiertesten Wirtschafts-Universität Italiens, der Bocconi in Mailand, Mario Monti. Seine Mannschaft ist ein Kabinett vom Feinsten: Eine 16-köpfige Ministerriege mit 3 Frauen an Bord, die wirklich etwas vom Fach verstehen sollten. Das letzte Aufgebot des italienischen Bildungsbürgertums, der "buona borghesia". Sie müssen den Karren nun aus dem Dreck fahren, nach Berlusconis Caporetto.

Italien kann es sich nicht leisten, auf seine Staatsanleihen 7 Prozent Zinsen - und mehr - zu zahlen. Wenn das so weiter geht, ist das Land pleite. Zwar kauft die EZB jedes Mal, wenn Italien auf den Märkten Anleihen platzieren, für Milliarden Schuldtitel. In den nächsten 12 Monaten aber braucht Italien frisches Geld für auslaufende Schuldtitel 325 Milliarden Euro, für die neuen Schulden 35 Milliarden. All das ist absurd. Italien ist Europas zweitgrößter Maschinenbauer, nach Deutschland. Hat Staatsfirmen wie ENI, deren Gas- und Ölvorräte hundert Milliarden Euro wert sind. Niemand muss den David von Michelangelo verkaufen, oder das Kolosseum, um das Land zu sanieren.

Zu groß um gerettet zu werden

Monti weiß es zu hundert Prozent: Scheitert sein Versuch der Quadratur des Kreises, der sofortigen Haushaltssanierung, der drastischen Reduzierung des Schuldenberges durch den Verkauf von wichtigen Assets, bei gleichzeitiger Ankurbelung der Wirtschaft, die seit Jahren um die Null-Prozent-Linie dümpelt, scheitert auch der Euro. Denn Italien ist nicht zu groß zum Scheitern, es ist zu groß, um von den anderen Euro-Ländern noch gerettet zu werden.

Doch gibt es noch ein letztes As im Ärmel Montis, und das heißt: Draghi. Die beiden Marios scheinen den Weg schon eingeschlagen zu haben. Gnadenlos tritt die EZB bei den Versteigerungen der italienischen Schuldtitel als Käufer auf: Sie ist der einzige Protagonist in Europa, der unbegrenzt Mittel zur Verfügung hat. Das weiß der eine Mario, das tut der andere Mario. Nur die EZB kann die Spekulation gegen den Euro in die Schranken weisen, sonst niemand. Mario Monti darf hoffen. Er muss den italienischen Patienten stabilisieren und Mario Draghi den Rücken stärken. Stimmen die "Fundamentals" Italiens, gibt es keinen objektiven Grund mehr für eine Abwertung des Landes, dann ist es reine Spekulation. Und die kann der große Mario in Frankfurt dann mit aller Härte niederwerfen: Am Tiber wird der Euro verteidigt, fällt Rom, fällt die Gemeinschaftswährung.

Quelle: ntv.de

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