Rechnunghof rügt Fiskus schont Millionäre
14.11.2006, 12:10 UhrDer Bundesrechnungshof hat den Finanzämtern vorgeworfen, Einkommensmillionäre unzureichend zu prüfen und so erhebliche Steuerausfälle in Kauf zu nehmen. Der Fiskus prüfe im Schnitt jährlich nur 15 Prozent der Einkunftsmillionäre, kritisieren die Rechnungsprüfer in ihrem am Dienstag in Berlin vorgelegten Jahresbericht. Dabei gebe es gravierende Unterschiede zwischen den Bundesländern. Eine konsequentere Prüfung sei "allemal lohnend", sagte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels. Denn jede Sonderprüfung habe Mehreinnahmen von durchschnittlich 135.000 Euro ergeben.
Nach wie vor verschwende der Bund trotz des Sparkurses jährlich bis zu drei Milliarden Euro für sinnlose Förderprojekte und durch unwirtschaftliches Handeln, kritisierte der Rechnungshof. Hinzu kämen Einnahmeausfälle durch teils inkonsequenten und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Steuervollzug. Das Finanzvolumen seiner Vorschläge für Minderausgaben und Mehreinnahmen bezifferte der Rechnungshof wie jedes Jahr auf zwei bis drei Milliarden Euro. Engels sprach von 2,2 Milliarden, die sich ziemlich exakt beziffern ließen.
Engels übte in diesem Zusammenhang scharfe Kritik am Bund der Steuerzahler. Die vom Steuerzahlerbund genannten 30 Milliarden Euro Verschwendung aller öffentlichen Haushalte seien "überhaupt nicht nachvollziehbar". "Mir sind keinerlei Berechnungen des Bundes der Steuerzahler bekannt, wie man zu dieser Zahl kommen kann." Er habe Steuerzahler-Präsident Karl Heinz Däke wiederholt gebeten, Quellen offen zulegen. Angebliche Schätzungen von Rechnungshof-Präsidenten - wie von Däke behauptet - gebe es nicht. Engels: "Es muss sich dann schon um Rechnungshof-Präsidenten handeln, die nicht mehr leben."
Die Bundesverwaltung arbeite im "Großen und Ganzen" gut und sei zumeist bereit, aus Fehlern zu lernen, sagte Engels. Er warnte die große Koalition, angesichts der Milliarden-Mehreinnahmen den Sparkurs aufzugeben. "Die aktuell guten Zahlen sind ein erster Silberstreifen am Horizont. Ein Silberstreifen, der nicht dazu verführen darf, den unerwarteten Steuersegen für konsumtive Zwecke zu verwenden."
Die Lage der Bundesfinanzen habe sich verbessert. "Das lässt hoffen." Der Bund müsse aus der strukturellen Schieflage heraus, wonach 90 Prozent der Steuereinnahmen für Zinsen und Sozialausgaben eingesetzt würden und der Schuldenberg bis 2010 auf mehr als eine Billion Euro steige. Die mittelfristige Finanzplanung sollte jedoch wesentlich ernster genommen. Engels mahnte den Bund zugleich zu einem vorsichtigeren Umgang mit Steuerschätzungen. Die erhofften Einnahmen sollten nicht schön gerechnet werden, "weil sonst der Haushalt sofort wieder in eine Schieflage kommt".
Mit Blick auf den ungleichen Steuervollzug wollte Engels nicht einzelne Länder "an den Pranger stellen". Aber ein Land prüfe jährlich 60 Prozent der Einkunftsmillionäre, ein anderes nur rund 10 Prozent. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Länder weniger forsch vorgingen, die als Geberländer in den Finanzausgleich einzahlten und daher wenig Anreiz hätten. Auch bei der insgesamt viel zu seltenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung gebe es erhebliche Differenzen -in einem Land erfolge sie rechnerisch alle 35 Jahre, in einem anderen nur alle 77 Jahre. Im Zuge der weiteren Föderalismusreform müsse der Bundesfinanzminister ein wirkliches Weisungsrecht bekommen, um Steuergerechtigkeit und eine einheitliche Erhebung durchzusetzen.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß begrüßte die Forderung nach einem Weisungsrecht. "Konsequentere Abhilfe könnte hier eine einheitliche Bundessteuerverwaltung schaffen." Der Bericht lege den Verdacht nahe, dass einige Länder sehr bewusst eine lasche Steuererhebungspraxis als Standortfaktor kultivieren. Aus Sicht der FDP-Politikerin Claudia Winterstein zeigt der Bericht, dass mehr Einsparungen möglich sind.
Quelle: ntv.de