Politik

Bundesweite Verteilung stockt Flüchtlingsaufnahme läuft mit Problemen

Großer Andrang in Hamburg. Auch dort gibt es Schwierigkeiten bei der Unterbringung.

Großer Andrang in Hamburg. Auch dort gibt es Schwierigkeiten bei der Unterbringung.

(Foto: picture alliance/dpa)

Tausende Menschen aus der Ukraine erreichen täglich Deutschland. Während Berlin bereits an der Belastungsgrenze steht, fahren andere Kommunen ihre Kapazitäten noch hoch. Die Geflüchteten sind hierzulande mit einem weiteren Problem konfrontiert: Ihr Bargeld ist nichts mehr wert.

Der Krieg in der Ukraine zwingt Millionen Menschen zur Flucht. Allein in Deutschland sind laut Bundespolizei bis heute fast 147.000 Menschen erfasst. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein. Das Innenministerium zeigt sich heute überrascht über die große Anzahl an Kriegsflüchtlingen: "Mit dem hatte man so nicht rechnen können."

Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland ankommen, können sich grundsätzlich ohne Visum bis zu 90 Tage legal in Deutschland aufhalten. Wer voraussichtlich länger in Deutschland bleibt, sollte sich als Kriegsflüchtling registrieren lassen, denn nur so ist ein dauerhafter Zugang zu Sozialleistungen oder Krankenversicherung gewährleistet. Deutschland bemüht sich dabei, die Ankunft der Menschen unbürokratischer zu gestalten, als es etwa während des Flüchtlingsstroms 2015 und 2016 der Fall war.

Die erste Anlaufstelle für die meisten Geflüchteten ist Berlin. Doch die Hauptstadt ächzt unter dem großen Andrang. Derzeit müssten jeden Abend etwa 1000 neu angekommene Menschen versorgt werden, teilt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey mit. Am Wochenende seien es sogar 4000 gewesen. Die Lage sei extrem angespannt, so Giffey. "Berlin kann das nicht alleine regeln."

Frage nach der Unterkunft

Für Flüchtlinge, die nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen können, stellt sich zunächst die Frage nach einer Unterkunft. So vermittelt eine Website Unterkünfte bei Privatpersonen. Die Hilfsbereitschaft ist offenbar enorm: Laut eigenen Angaben hätten sich bereits mehr als 143.000 Gastgeber auf der Seite registriert. Bei der privaten Aufnahme gilt es jedoch einiges zu beachten.

In Berlin können sich alle, die eine Unterkunft gefunden haben, über ein neu eingerichtetes Online-Portal des Senats als Kriegsflüchtling registrieren lassen. Das Angebot befindet sich derzeit aber noch im Aufbau. Es kommt zu Serverproblemen, die Termine sind aktuell bis Mitte April ausgebucht. Da könne man nur warten, heißt es auf Nachfrage.

Wer keine Unterkunft in Berlin hat, soll sich an das Ankunftszentrum im Bezirk Reinickendorf wenden. Dort werden Menschen aufgenommen, versorgt und vorläufig registriert. Die Kapazitäten vor Ort reichten jedoch nicht mehr aus, um die Lage zu bewältigen, so Bürgermeisterin Giffey. Abhilfe soll der stillgelegte Flughafen Tegel schaffen. Dort wird derzeit ein neues Zentrum mit Kapazitäten von 10.000 bis 15.000 Menschen pro Tag hochgezogen. Die Eröffnung ist im Laufe der Woche geplant.

Um der ungleichen Verteilung entgegenzuwirken, hat sich die Bundesregierung inzwischen auf die Anwendung des Königsberger Schlüssels geeinigt. Dieser berechnet sich aus der Finanzstärke und Einwohnerzahl der Länder. Geflüchtete können sich den Aufenthaltsort dann in der Regel nicht selbst aussuchen. Doch die Weiterleitung stockt.

Notunterkünfte sind voll

Die Notunterkünfte der Hauptstadt, von denen es mehrere gibt und die eigentlich nur einen kurzzeitigen Aufenthalt vorsehen, sind überfüllt. Der "rbb" zitiert Helfer, die von miserablen Zuständen berichten. Es gebe oftmals keine Duschen und warmes Essen. Dazu mangele es an Dolmetschern. Die Berliner Strategie sei inzwischen, alle reisefähigen Menschen, die ankommen, an die restlichen Bundesländer weiterzuleiten, sagt Monika Hebbinghaus, Sprecherin vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, dem "rbb". Doch es gebe kein zentrales Verteilungssystem. Berlin müsse derzeit per Hand die Bundesländer einzeln abtelefonieren, um Kapazitäten auszumachen.

Info-Seiten der Länder zur Ukraine

Bund und Länder haben Überblicksseiten zum Thema Ukraine eingerichtet. Dort gibt es Hinweise zu Hilfsaktionen und Geflüchteten, teils auch auf Ukrainisch und Russisch:

Bundesinnenministerium - Migrationsbeauftragte des Bundes - Baden-Württemberg - Bayern - Berlin - Brandenburg - Bremen - Hamburg - Hessen - Mecklenburg-Vorpommern (PDF) - Niedersachsen - Nordrhein-Westfalen - Rheinland-Pfalz - Saarland - Sachsen - Sachsen-Anhalt - Schleswig-Holstein - Thüringen

Der Berliner Senat legt Flüchtlingen inzwischen nahe, auf eigene Faust in andere Bundesländer weiterzureisen und sich dort bei den zentralen Anlaufstellen zu melden. Eine Registrierung als Kriegsflüchtling sei so deutlich schneller möglich. Bundesverkehrsminister Wissing kündigte zudem jüngst an, die Verteilung auf die Bundesländer bereits im Vorfeld geordneter regeln zu wollen. Züge aus Polen sollen zukünftig Städte mit freien Kapazitäten direkt anfahren und so die Hauptstadt entlasten.

Aus Hamburg kommen derweil ähnliche Berichte. Bei Registrierung, Aufnahme und Unterbringung der Menschen aus der Ukraine gebe es erhebliche Probleme, sagt der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering. "Die Folge sind unzumutbare Wartezeiten, zum Teil in der Kälte und ohne Verpflegung, für eine Registrierung in bereits jetzt völlig überfüllten Unterbringungen", so Thering.

Abseits der beiden Millionenmetropolen fahren die Städte und Kommunen ihre Flüchtlingshilfe hoch. Bundesweit entstehen aktuell Notunterkünfte. Die Stadt Gelsenkirchen baut zu diesem Zweck ein Impfzentrum um - die Eröffnung ist für Ende des Monats angesetzt, sagt ein Stadtsprecher.

In Hessen haben mehrere Landkreise den Auftrag bekommen, Erstaufnahmeeinrichtungen für Tausende Menschen zur Verfügung zu stellen. Auch der nordrhein-westfälische Familien- und Flüchtlingsminister Joachim Stamp bekräftigt den schnellen Ausbau von Unterbringungskapazitäten. Aber die Zeit drängt. So erklärten die Behörden in Dortmund am Freitag, dass alle 900 Übernachtungsmöglichkeiten der Stadt belegt seien, berichtet der "WDR".

Bargeld ohne Wert

Doch viele Flüchtlinge erwartet nach ihrer Ankunft in Deutschland ein weiteres Problem: Ihr Bargeld ist praktisch nichts mehr wert. Ein Umtausch von Hrywnia in andere Währungen wie Euro ist bei Banken in ganz Europa nahezu unmöglich, berichtet die "SZ". "Die Währung ist praktisch nicht mehr konvertibel", sagt eine Sprecherin der Deutschen Bundesbank in Frankfurt dem Blatt. Der Grund: Die ukrainische Notenbank habe den "kriegswirtschaftlichen Modus" für die Währung ausgerufen. Damit könne sie nicht mehr gehandelt werden.

Die Notenbank empfiehlt Flüchtlingen laut "SZ", kein Bargeld mitzunehmen und im Ausland stattdessen per Karte zu bezahlen oder das Geld in der jeweiligen Landeswährung abzuheben. Doch auch dabei gibt es Probleme. Der "rbb" berichtet, dass zwar internationale Kreditkarten noch funktionieren würden, Zahlungsmittel ukrainischer Banken aber nicht. Denn eine Abhebung müsse von ukrainischer Seite autorisiert werden, was kriegsbedingt kaum noch möglich sei. Das Bundesfinanzministerium arbeite derzeit an einer Lösung. Der Berliner Flüchtlingsrat weist darauf hin, dass auch Ukrainerinnen und Ukrainer, die noch nicht offiziell als Kriegsflüchtlinge registriert sind, ein Anrecht auf Sozialleistungen haben.

Langfristige Perspektive

Um eine Überlastung einzelner Regionen zu verhindern, muss eine gleichmäßige Verteilung koordiniert und umgesetzt werden, fordert heute auch der Landkreistag. Die Errichtung von Notunterkünften sei dabei das eine, die langfristige Herausforderung aber werde sein, den Ukrainerinnen und Ukrainern eine Perspektive zu geben. Eine Mammutaufgabe ist es etwa, eine beständige Unterbringung zu gewährleisten. Denn auch private Angebote sind oftmals nur für kurze Dauer angelegt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte bereits an, den Arbeitsmarkt für die ankommenden Menschen zu öffnen und ihnen Möglichkeiten zu bieten, schnell Deutsch zu lernen. Kinder und Jugendliche sollen Zugang zu Kitas und Schulen bekommen. Rheinland-Pfalz teilte etwa mit, Deutsch-Intensivkurse und Ukrainisch als Herkunftssprachenunterricht anbieten zu wollen. Auch Bayern plant sogenannte "Willkommensgruppen" in Schulen.

Die Zahl der ankommenden Menschen in Deutschland nimmt derweil täglich zu. Und aktuell sieht es nicht danach aus, dass sich daran so schnell etwas ändern wird. Fest steht also: Es gibt noch einiges zu tun.

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP

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