Während Gedenkveranstaltung Früherer DDR-Bürgerrechtler Schulz stirbt im Schloss Bellevue
09.11.2022, 14:52 Uhr
Werner Schulz ist kurz vor seiner geplanten Rede verstorben.
(Foto: imago/Rainer Weisflog)
Seit den 60er Jahren engagiert sich Werner Schulz in Oppositionsgruppen der DDR. Nach dem Mauerfall sitzt er für die Grünen im Bundestag. Nun ist der Bürgerrechtsaktivist bei einer Gedenkveranstaltung im Schloss Bellevue gestorben.
Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz ist tot. Er starb während einer Veranstaltung im Berliner Schloss Bellevue. Das gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während der Tagung bekannt. Schulz wurde 72 Jahre alt. Das Bundespräsidialamt beendete die Veranstaltung zum 9. November vorzeitig und begründete dies mit einem Todesfall im Kreis der Teilnehmer.
Schulz hatte als Gast an der Veranstaltung teilgenommen, zu der Steinmeier gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden eingeladen hatte - ihr Titel: "Wie erinnern wir den 9. November? Ein Tag zwischen Pogrom und demokratischen Aufbrüchen." Der 72-Jährige habe dann während der Veranstaltung den Saal verlassen und sei in einem Vorraum zusammengebrochen, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster - ein ausgebildeter Arzt - sei zur Wiederbelebung hinzugerufen worden. Schulz' Tod habe aber nicht verhindert werden können.
Dass Schulz "heute hier bei uns im Hause so tragisch mitten aus dem Leben gerissen wurde, hat mich zutiefst bestürzt und macht mich sehr traurig", schrieb Steinmeier an die Witwe Monika Schulz. "Werner Schulz war ein Mensch, der sich aus vollem Herzen und mit großer Kraft sein Leben lang für die Demokratie und die Freiheit einsetzte." Er sei eine jener "mutigen Persönlichkeiten" gewesen, "denen wir alle in unserem wiedervereinten Land den Fall der Mauer verdanken", heißt es weiter in Steinmeiers Schreiben. "Für seine Courage, seine stets aufrechte Haltung und zugleich für seine Analysekraft habe ich ihn zutiefst bewundert."
"Ohne dich fehlt ein Anker"
Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich bestürzt über den Tod von Schulz: "Ich kann es nicht fassen. Ohne dich wäre dieses Land nicht wie es ist. Ohne dich fehlt ein Anker. Auch mir", teilte die Grünen-Politikerin mit. Parteikollegin und Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte: "Er konnte wie kein anderer den Totalitarismus des SED-Regimes und den Unterschied zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit begreifbar machen. Er war Bürgerrechtler durch und durch."
Schulz wurde am 22. Januar 1950 in Zwickau geboren. Er absolvierte ein Studium der Lebensmittelchemie und -technologie an der Humboldt-Universität Berlin. Seit 1968 war er in verschiedenen Oppositionsgruppen der DDR aktiv. 1989 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Neuen Forums, das er am Runden Tisch vertrat. 1990 wurde Schulz Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Vom Oktober 1990 bis Oktober 2005 gehörte er für Bündnis 90/Die Grünen dem Bundestag an, von 2009 bis 2014 dem Europaparlament.
Für seinen Einsatz für die Demokratie und für die Opposition in Russland wurde Schulz erst im vergangenen Juni mit dem Deutschen Nationalpreis geehrt. Der Bundespräsident und sein Vorgänger Joachim Gauck würdigten ihn als meinungsstarken Streiter für demokratische Werte. "Unsere Zeit, geprägt von zum Teil hasserfüllten, faktenleugnenden Debatten und einer bemerkenswerten Anzahl von Wutbürgern, die die liberale Demokratie ablehnen, braucht derartige Vorbilder", sagte Gauck seinerzeit.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa/AFP