Politik

Bühne frei für die Sondierungen Für die Grünen verschwindet Merkel kurz

Begrüßung zum Auftakt des Treffens: Özdemir, Seehofer, Lindner, Merkel und Göring-Eckardt (v.l.).

Begrüßung zum Auftakt des Treffens: Özdemir, Seehofer, Lindner, Merkel und Göring-Eckardt (v.l.).

(Foto: AP)

Die ersten Sondierungsgespräche in der großen Runde laufen. Vor Beginn des Treffens sagen alle Parteichefs, welche Themen ihnen wichtig sind. Merkel und Seehofer achten darauf, den Auftritt der Grünen nicht zu stören.

Union und FDP üben sich in Bescheidenheit, die Grünen zeigen sich staatstragend. Das ist der Eindruck, den die Spitzen der Jamaika-Parteien zum Auftakt der ersten Sondierungsgespräche in der großen Runde gemacht haben.

Das Treffen begann um 16.30 Uhr in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft, einem Gebäude hinter dem Reichstag. Über zwölf Themenblöcke wollen die vier potentiellen Partner heute sprechen, jede Partei soll sich zu jedem Thema äußern. "Da können Sie sich leicht ausrechnen, dass es heute länger dauert", hieß es aus einer der Parteien.

Zum Auftakt gaben die Parteivorsitzenden - beziehungsweise bei den Grünen die Spitzenkandidaten aus dem Wahlkampf - kurze Statements vor den wartenden Journalisten ab. Deren Inhalte, aber auch der Ablauf zeigte, dass noch gewisser Abstimmungsbedarf zwischen den Parteien besteht. Als erstes kamen die Grünen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, diese mögliche Koalition könne dann etwas werden, wenn sie Klimaschutzziele "nicht nur international unterschreibt, sondern auch national handelt". Als zweites Thema nannte Göring-Eckardt das Ziel, die Kinderarmut zu reduzieren.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, es sei "gut, dass es jetzt endlich losgeht". Für die Grünen sei wichtig, "dass die Gespräche ergebnisoffen geführt werden". Es könne "gut sein, dass es klappt", aber es könne auch sein, "dass es nicht inhaltlich reicht".

Merkel und Seehofer verziehen sich in einen Seitengang

Während Göring-Eckardt und Özdemir sprachen, kamen hinter ihnen bereits CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer den Gang hinunter und zogen die Aufmerksamkeit der Fotografen prompt auf sich. Um den Auftritt der beiden Grünen nicht zu stören, verdrückten sich Merkel und Seehofer kurz in einen Nebengang. Dort warteten sie, bis Göring-Eckardt und Özdemir fertig waren.

Merkel und Seehofer freuen sich beziehungsweise sind "richtig froh".

Merkel und Seehofer freuen sich beziehungsweise sind "richtig froh".

(Foto: AP)

Anschließend sagte die Kanzlerin, sie freue sich, dass es heute losgehe. Es werde "sicherlich eine Vielzahl von Differenzen", aber auch "einen Willen geben, Gemeinsamkeiten zu finden". Sie habe "durchaus die Bereitschaft, kreativ auch nachzudenken", kündigte Merkel an. "Über allem muss stehen: Was erwarten die Menschen in diesem Land von uns? Was erwarten sie für ihr Leben?" Als Themen nannte Merkel "Arbeitsplätze" und "Sicherheit im umfassenden Sinne".

Seehofer sagte, er sei "richtig froh, dass es jetzt richtig los" gehe. "Wir legen Wert darauf, dass wir ehrliche und präzise Vereinbarungen treffen - hoffentlich", fügte er hinzu. Und es solle zügig verhandelt werden. "Sorgfalt und Zügigkeit schließen sich nicht aus." Das oberste Ziel für die CSU sei es, Antworten zu geben auf die Fragen und Signale, die die Wähler gegeben hätten. "Das heißt vor allem, die Frage der Migration, der Sicherheit, aber auch viele soziale Fragen wie Rente, Pflege, Höhe der Mieten bis hin zur Gesundheit zu lösen."

"Vierblättrige Kleeblätter bringen Glück, sind aber selten"

Zum Schluss trat FDP-Chef Christian Lindner vor die Mikrofone. Wie Özdemir schloss er ein Scheitern der Gespräche ausdrücklich nicht aus: Die Freien Demokraten seien "bereit zur Übernahme von Verantwortung", aber sie seien "ergebnisoffen". Und wie Merkel und Seehofer sagte er: "Wir freuen uns, dass es jetzt losgeht mit den Sondierungen dieser Kleeblattkonstellation."

Ein vierblättriges Kleeblatt könne ein Glücksfall für Deutschland sein, so Lindner weiter, "ist allerdings sehr selten, wie Sie wissen". Wichtige Fragen seien die Gestaltung der Digitalisierung, eine Priorität für Bildung und "eine andere Einwanderungspolitik". Außerdem gelte es, ein "Momentum zur Erneuerung Europas" zu nutzen.

Als einziger Vertreter der vier Parteien erwähnte Lindner die AfD. Es gehe darum, die Stabilität unseres politischen Systems" zu erhalten. Mit der AfD gebe es erstmals eine Partei im Bundestag, "die auf Abschottung setzt, die völkisches Denken kultiviert, die in ethnischen, kulturellen, religiösen Einheitsfantasien denkt". Eine Aufgabe der "Parteien des demokratisches Zentrums" müsse es sei, "diese Partei wieder klein zu machen". Um das zu schaffen, müsse eine künftige Regierung eine "Politik der Mitte" machen, die nicht in der Kontinuität der Großen Koalition stehe.

Bis Mitte November soll sondiert werden

Am Vortag hatte Lindner die Vorstellung seines neuen Buches genutzt, um seine Demut zu demonstrieren. "Niemand hat die FDP mehr besiegt als sie sich selbst", heißt es in dem Buch. Vor den Sondierungen witzelte er mit den Kameraleuten, als die ihn baten, sich auf eine Markierung am Boden zu stellen: "Sie wissen ja, dass ich einen dienenden Charakter habe."

Insgesamt verhandeln heute Abend mehr als 50 Vertreter der vier Parteien. Die zwölf Themenblöcke, auf die sich die Generalsekretäre geeinigt hatten, sind folgende:

  1. Finanzen, Haushalt und Steuern
  2. Europa
  3. Klima, Energie, Umwelt
  4. Flucht, Asyl, Migration, Integration
  5. Bildung, Forschung, Innovation, Digitales, Medien
  6. Arbeit, Rente, Gesundheit, Pflege, Soziales
  7. Familie, Frauen, Senioren, Jugend
  8. Kommunen, Wohnen, Ehrenamt, Kultur, Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen
  9. Landwirtschaft, Verbraucherschutz
  10. Wirtschaft, Verkehr
  11. Außen, Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit, Handel
  12. Innen, Sicherheit, Rechtsstaat

Diese Themenblöcke hatten CDU, CSU, FDP und Grüne am Vormittag bekannt gegeben, dazu die Termine für die nächsten Sondierungsrunden. Das zweite Treffen findet am 24. Oktober, dem Tag der konstituierenden Sitzung des Bundestages, statt, weitere Treffen sind am 26. und am 30. Oktober, außerdem am 1. und 2. November. Die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner sagte, bis zum 17. oder 18. November werde ein "Sondierungspapier" erstellt. Die eigentlichen Koalitionsverhandlungen beginnen erst dann.

Quelle: ntv.de

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