Steht "niemals zur Debatte" Grüne bremsen Faesers Clan-Vorschlag aus
08.08.2023, 09:52 Uhr Artikel anhören
Kaum veröffentlicht, praktisch schon beerdigt: Bereits in der Ampel gibt es Kritik an dem Abschiebevorschlag von Bundesinnenministerin Faeser. Dieser sieht vor, auch nicht verurteilte Clan-Mitglieder abzuschieben. Zweifel gibt es zudem aus der Union und von Rechtsexperten.
Der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser aufgenommene Vorschlag zur Abschiebung nicht verurteilter Angehöriger krimineller Clans stößt in der Koalition bereits auf Widerstand. Für die Grünen kommt eine entsprechende Regelung nicht infrage, wie ihre Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic deutlich machte.
"Dabei ist klar, dass außerhalb des Rechtsstaats stehende Regelungen für uns Grüne niemals zur Debatte stehen. Das gilt auch für Maßnahmen, die nicht strafrechtlich verurteilte Verwandte von Kriminellen genauso behandeln wie Kriminelle", sagte Mihalic, die selbst Innenexpertin ist, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Koalition habe vereinbart, die Abschiebepraxis zu reformieren und effektiver zu machen. "Dazu erwarten wir von der verantwortlichen Innenministerin konkrete, belastbare Vorschläge."
Ein Diskussionspapier des Ministeriums sieht vor, dass eine Ausweisung bereits möglich sein soll, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist. Ein Ministeriumssprecher hatte am Montag erläutert, dass eine Abschiebung entsprechend einer solchen Regelung einen klaren Bezug zu kriminellen Aktivitäten voraussetzt. Eine Familienzugehörigkeit zum Clan allein reiche nicht.
Amthor: Nur eine Wahlkampf-Ankündigung
Unionspolitiker stuften die Idee als ein Wahlkampfmanöver Faesers ein. Die Bundesministerin ist SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober. "Das ist nur eine Ankündigung für den Hessen-Wahlkampf. Ich glaube, in konkreter Substanz wird davon wenig übrig bleiben", sagte der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor dem Fernsehsender der "Welt".
Ähnlich äußerte sich Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul: "Würde die Bundesinnenministerin echte Fortschritte erzielen wollen, würde sie ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren in Gang bringen, statt Ideensammlungen auf einer Homepage zu veröffentlichen", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Amthor wies darauf hin, dass es wegen fehlender Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern ohnehin schwierig ist, Abschiebungen durchzusetzen. Natürlich wäre es gut, da besser zu werden, aber vor allem "der Hahn der ungesteuerten Zuwanderung muss abgedreht werden", sagte er.
Lob von der GdP, Kritik von Rechtsexperten
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, begrüßte Faesers Vorschlag und forderte weitere Verschärfungen. In den Verhandlungen über Rücknahmeabkommen gebe es zu wenig Fortschritte. Der "Rheinischen Post" sagte er: "Straftäter sollten auch in aufnahmebereite Drittstaaten abgeschoben werden können, wenn die Heimatländer sich sperren. Familienmitglieder von Intensivtätern sollten dann gleich mit abgeschoben werden, wenn sie per Familiennachzug zum Täter nachgekommen waren und finanziell von ihm abhängig sind."
Unterdessen äußerten auch Rechtsexperten Zweifel an Faesers Clan-Abschiebeplänen. Der renommierte Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis sagte dem "Tagesspiegel": "Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Innenministerium ernsthaft erwogen wird, dass Menschen allein wegen ihrer Mitgliedschaft zu einer Familie ausgewiesen werden." Ausweisungen müssten als Eingriff in Grundrechte "immer im Einzelfall gerechtfertigt sein".
Die Vorschläge grenzten an eine "Geisterdiskussion", sagte Asylrechtsexperte Daniel Thym von der Universität Konstanz dem "Tagesspiegel". Selbst wenn die Behörden zu dem Schluss kämen, dass ein Grund für eine Ausweisung vorliege, dann stünde den Betroffenen immer noch der Klageweg offen.
Quelle: ntv.de, ses/dpa