Politik

Plagiate in Doktorarbeit Gutachten rügt Sonderbehandlung für Giffey

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Will nach Kommunal- und Bundespolitik nun in die Landespolitik: Franziska Giffey.

(Foto: picture alliance/dpa)

Am Wochenende will sich Bundesfamilienministerin Giffey zur Co-Vorsitzenden der Berliner SPD wählen lassen. Vor dem Landesparteitag holt sie aber die Affäre um Plagiate in ihrer Doktorarbeit wieder ein.

Dass Franziska Giffey vor mehr als zehn Jahren in ihrer Doktorarbeit womöglich unehrlich, mindestens aber unsauber im Umgang mit ihren Quellen war, ist unstrittig. Zu dieser Einschätzung war auch eine Kommission der Freien Universität (FU) Berlin vor ziemlich genau einem Jahr gekommen. Streitpunkt ist seither die Konsequenz, die die Universität daraus zog. Mit Verweis auf das Ausmaß der Täuschung, auf die Verhältnismäßigkeit der Strafe und den eigenen Ermessensspielraum entschied sich die FU für eine Rüge anstelle einer Aberkennung des Doktortitels. Ein am Mittwoch vorgestelltes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass diese eigens erfundene Sanktionsform eine widerrechtliche Entscheidung sei.

Autor des Gutachtens ist der Jura-Professor Klaus Gärditz, der sich im Auftrag der Berliner CDU-Fraktion mit der Dissertation der SPD-Politikerin und früheren Bürgermeisterin des Bezirks Neukölln auseinandergesetzt hatte. "Die von der Freien Universität angelegten Maßstäbe an die Beurteilung einer Promotionsleistung sind unrechtmäßig und bergen die Gefahr, künftig als allgemeiner Maßstab für die Bewertung solcher wissenschaftlicher Arbeiten genommen zu werden", erklärt Gärditz. Er unterstütze daher Forderungen, das Verfahren gegen Giffey neu aufzurollen.

CDU spricht von "Lex Giffey"

Gärditz' Einschätzung steht nicht allein auf der weiten akademischen Flur: Schon im Sommer hatte ein von der AfD-Fraktion beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes geurteilt, dass die Möglichkeit einer Rüge weder von der Hochschulordnung noch vom Berliner Hochschulgesetz vorgesehen sei. Seither kursiert der Vorwurf der Sonderbehandlung, zumal der Regierende Bürgermeister und SPD-Genosse Michael Müller auch Wissenschaftssenator ist und Hochschulen sich ohnehin in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zur Exekutive befinden, wenn es um die Mittelverteilung geht.

"Der Versuch der FU, durch eine "Lex Giffey" der Bundesministerin den Entzug des Doktortitels zu ersparen, ist gleich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft und rechtswidrig", erklärte der Generalsekretär der CDU Berlin, Stefan Evers. "Es offenbart sich in erschreckender Weise, wie Recht und wissenschaftliche Standards gebeugt wurden, um einer prominenten Sozialdemokratin Konsequenzen zu ersparen." Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Adrian Grasse, erklärte hierzu: "Der leider schon entstandene Eindruck, dass hier nach Parteibuch entschieden worden sein könnte, ist schädlich für die Reputation des Wissenschaftsstandortes Berlin."

Streit um Ausmaß der Täuschung

Die umstrittenen Passagen ihrer 2010 veröffentlichten Doktorarbeit zur Beteiligung der Zivilgesellschaft in der EU hatte zuerst das Portal Vroniplag aufgedeckt. Der FU-Ausschuss war aber zu dem Schluss gekommen, dass der Umfang zu beanstandender Stellen weit geringer ist, als von der Plattform behauptet. Insgesamt stufte die Kommission 27 Stellen als eindeutige Verstöße ein, davon fünf als Plagiate, also wörtliche Zitate ohne Quellenangabe. Allerdings handele es sich nicht um gravierende Plagiate, weil keine originellen Gedanken oder Erkenntnisse fremder Quellen als eigene ausgegeben worden seien. Demnach waren die wesentlichen Forschungsarbeiten und -ergebnisse Giffeys eine Eigenleistung.

Der von der CDU beauftragte Gärditz allerdings trägt die Einschätzung der Kommission nicht mit, wonach die Plagiate nicht "überhandgenommen" hätten. Zudem bestreitet er die Zuständigkeit des Gremiums. Giffey selbst hatte auf die Debatte um die Rechtmäßigkeit der Rüge bisher nicht reagiert.

Promotion nebenher

Die im Frühjahr 1978 geborene Brandenburgerin hatte im Alter von 27 Jahren ihr Promotionsstudium begonnen, parallel zu ihrer Stelle als Europabeauftragte des Bezirks Neukölln unter dem damaligen Bürgermeister Heinz Buschkowsky. Vier Jahre später schloss die junge Mutter ihre Doktorarbeit ab. 2010 erhielt Giffey den Doktortitel, wurde Bezirksstadträtin für Jugend und Bildung und folgte schließlich 2015 Buschkowsky als Bürgermeisterin.

Am Samstag will sich Giffey zusammen mit Raed Saleh zur SPD-Landesvorsitzenden wählen lassen. Es gilt als sicher, dass sie auch SPD-Spitzenkandidatin bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 wird, wo der Regierende Bürgermeister Michael Müller nicht mehr antreten wird.

Quelle: ntv.de

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