Politik

Gräben vertiefen sich Habecks Heizungspläne befeuern Ampel-Krise

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Robert Habeck in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Mittlerweile ist er wieder in Berlin.

(Foto: dpa)

Die wachsende Spannungslage in der Regierungskoalition verfolgt Vizekanzler Habeck bis nach Südamerika. Der Bundeswirtschaftsminister kündigt Vorschläge zur Lösung des Haushaltsstreits an. Überzeugt, dass insbesondere der Streit mit der FDP absehbar endet, wirkt Habeck indes nicht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Ideen, wie er im festgefahrenen Haushaltsstreit der Ampelkoalition finanziellen Spielraum schaffen könnte. "Da hätte ich ein paar Vorschläge, aber damit sie irgendeine Chance haben, angenommen zu werden, würde ich sie gerne nicht hier verkünden, sondern mit den Kollegen bereden", sagt Habeck in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. "Und dann machen wir es, wie wir es immer machen: vertrauensvoll im kleinen Kreis." Es ist ein Moment, der Habecks großes komödiantisches Talent zeigt: Albernheiten mit ernster Miene zu veranstalten, das ist hohe Schauspielkunst.

Vertraulichkeit ist in diesen Tagen so ziemlich das Letzte, was einem zur Ampelkoalition einfällt. Der Streit um den noch in der Ressortabstimmung befindlichen Gesetzentwurf zur Gebäudeenergieeffizienz war vorab öffentlich geworden. Seither läuft die FDP Sturm gegen das Vorhaben, ab kommenden Jahr den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen zu verbieten. Habeck ließ seinerseits den Streit mit Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner um den Haushalt eskalieren, indem er den Konflikt per Brief öffentlich machte.

Wenn es knirscht, dann zwischen FDP und Grünen

Es ist also reichlich vertrackt, zumal weitere Streitpunkte das Verhältnis der beiden Parteien belasten: die Kindergrundsicherung, die notwendigen CO2-Einsparungen im von der FDP verantworteten Verkehrsministerium, das Neuzulassungsverbot von Verbrennermotoren auch für E-Fuels, das Vorhaben von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel drastisch einzuschränken. Überall knarzt und knirscht es im Ampel-Getriebe und fast immer tobt der Konflikt vor allem zwischen Liberalen und Grünen.

Habeck geht in Bogotá, der letzten Station seiner gemeinsamen Südamerika-Reise mit Özdemir, einen Schritt auf Lindner zu: "Die ökonomischen Daten für 2024 sind so gut, dass ein Aussetzen der Schuldenbremse auch aus meiner Sicht nicht zu begründen ist, insofern gilt die Schuldenbremse", sagt er. "Das ist natürlich eine Herausforderung für alle, es wird natürlich gespart und gekürzt werden müssen." Das sehen viele Grünen-Politiker anders. Doch weil die Schuldenbremse im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist und auch Bundeskanzler Olaf Scholz keine Anstalten macht, von dieser Vereinbarung abzurücken, kostet Habeck die Anerkennung der Realität wenig.

Schon wieder "Technologieoffenheit"

"Wenn man nicht Steuern erhöhen will und Einsparungen zu schwierige Debatten nach sich ziehen, muss man sehen, ob man irgendwo Subventionen abbauen kann", sagt Habeck. Wo genau, will er nun mit der Koalition bereden. Dass der Vizekanzler aber so den gordischen Knoten zerschlagen kann, ist schwer vorstellbar. Für Lindner und seine Mitstreiter kommt auch der Abbau von Subventionen - etwa beim Firmenwagenprivileg oder dem Steuerrabatt auf Kerosin - Steuererhöhungen gleich.

Etwas mehr wird Habeck schon liefern müssen, um im Gegenzug doch noch die Unterstützung der FDP für die Gebäude-Dekarbonisierung zu bekommen. Denn die versprochene, aber noch nicht konzipierte Abfederung sozialer Härten wird Geld kosten, viel Geld. "Die soziale Frage können wir und müssen wir abfedern, dass also durch den Austausch, wenn eine Ölheizung kaputt ist, eine Wärmepumpe teuer ist, keine soziale Not entsteht", sagt Habeck. Gelingt hier ein überzeugendes Konzept, hat Habeck zumindest die SPD auf seiner Seite. Mit Bundesbauministerin Klara Geywitz wähnt sich Habeck auf einer Linie, wenn es um den Beitrag des Gebäudesektors zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045 geht.

Bei der FDP hingegen ist der Konflikt grundsätzlicherer Natur. Sie fordert unter anderem, auch Wasserstoff als Energieträger zum Heizen zu nutzen. Angesichts der absehbar knappen Verfügbarkeit grünen Wasserstoffs und dem hohen Bedarf der Schwerindustrie in Deutschland ist das für die Grünen aber undenkbar. Wie beim E-Fuel-Streit fordern die Liberalen "Technologieoffenheit", während Habeck Priorisierung bevorzugt.

Habeck schien Berlin nicht zu vermissen

Die teils scharfe Kritik der FDP an grüner "Verbotspolitik", die etwa FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai als "Schwachsinn" brandmarkte, geht Habeck hörbar gegen den Strich. Alle seien herzlich willkommen, zu überlegen, wie das Ziel der Dekarbonisierung des Gebäudesektors bis 2045 gelingen kann. Den Sinn des Ganzen aber in Frage zu stellen, "aus Verdruckstheit, sich vielleicht auch komplizierte Debatten zuzumuten", könne nicht die Lösung sein, sagt Habeck. Seine wachsende Ungeduld mit der FDP ist in diesem Moment mit Händen zu greifen.

Zwei Wochen nach der dritten Kabinettsklausur in Meseberg, die den dritten Versuch markierte, den Aufbruchsgeist der Anfangswochen wiederherzustellen, ist die Lage in der Ampel ziemlich festgefahren. In welchem anderen Format der Stau ungeklärter Fragen gelöst werden könnte, ist Habeck während dieser Reise durch Brasilien und Kolumbien nicht zu entnehmen. Den Eindruck, Berlin zu vermissen, vermittelte er in diesen Tagen, allem Terminstress und Reisestrapazen zum Trotz, aber auch nicht.

Quelle: ntv.de

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