Plavsic vor UN-Tribunal "Haben unsere Würde verloren"
17.12.2002, 20:17 UhrVor dem UN-Tribunal in Den Haag hat am Dienstag die wegen Kriegsverbrechen angeklagte serbische Ex-Politikerin Biljana Plavsic selbst das Wort ergriffen. Die 72-Jährige bekräftigte dabei ihr Schuldbekenntnis, das sie bereits im September abgelegt hatte. Zugleich bat sie die Richter, "alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um allen Seiten Gerechtigkeit zukommen zu lassen".
Als Triebfeder für die serbischen Verbrechen im Bosnienkrieg nannte Plavsic Angst. Die politische Führung sei in Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg von der Furcht besessen gewesen, dass Serben wieder zu Opfern werden könnten.
"Keine Rechtfertigung"
Zugleich sagte Plavsic aus, sie habe zwar während des Kriegs Berichte über Grausamkeiten gegen bosnische Moslems und Kroaten erhalten, diesen jedoch keinen Glauben schenken wollen. Sie sei damals überzeugt gewesen, die Serben kämpften im Bosnienkrieg um ihr Überleben. Heute wisse sie, dass viele tausend Menschen Opfer organisierter Verbrechen geworden seien.
Sie werde mit dem Wissen, für solches Leid verantwortlich zu sein, für immer leben müssen, erklärte Plavsic. "All die Erklärungen von Selbstverteidigung und Überlebenskampf rechtfertigen nichts", sagte sie. "Am Ende hat man auch bei uns zugegeben, dass wir unsere Würde verloren haben", fügte sie hinzu.
"Beitrag zur Versöhnung"
Vor der Angeklagten hatte unter anderem die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright in dem Prozess ausgesagt. Sie würdigte die Einlassungen der 72-Jährigen als Beitrag zur Versöhnung im früheren Jugoslawien. Albright hob auch hervor, dass sich Plavsic später aktiv für die Verwirklichung des Friedensabkommens von Dayton eingesetzt habe.
Carl Bildt, Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen für das Abkommen von Dayton, erklärte, Plavsic habe sich selbst bei ihrer Unterstützung des Abkommens schweren Risiken ausgesetzt. Dabei sei auch das Leben der Angeklagten mehrfach in Gefahr gewesen.
Urteil erst 2003
Mit der Aussage Plavsics und der Vernehmung von Zeugen ist der Prozess gegen die serbische Ex-Politikerin in die abschließende Verhandlung eingetreten. Am Mittwoch wollen Anklage und Verteidigung ihre Strafanträge vorbringen.
Plavsic ist der politischen Verfolgung angeklagt. Die Anklage wegen Völkermords und sechs weitere Vorwürfe wurden fallen gelassen, nachdem Plavsic im September ihre Schuld eingestanden hatte. Die 72-Jährige gilt auch als mögliche Zeugin im Prozess gegen den jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic. Mit einer Entscheidung des Kriegsverbrechertribunals über das Strafmaß für Plavsic wird im kommenden Jahr gerechnet.
Quelle: ntv.de