"Eingefrorener Mist bleibt Mist" Heftige Kritik an Mützenichs Idee zum Einfrieren des Krieges
15.03.2024, 17:29 Uhr Artikel anhören
Mützenich lobt im Bundestag die Besonnenheit seines Kanzlers.
(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)
Im Bundestag spricht SPD-Fraktionschef Mützenich über ein mögliches Einfrieren des Krieges in der Ukraine. FDP und Grüne sind entsetzt. Der einstige ukrainische Botschafter in Berlin, Melnyk, äußert sich drastisch: "Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker."
Grüne und FDP haben SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für dessen Äußerungen zu einem möglichen Einfrieren des Kriegs in der Ukraine kritisiert. "Fragen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Existenz der Demokratie in der Ukraine dürfen nicht zum Gegenstand von Vorwahlkampf werden, wie es der Vorsitzende der SPD-Fraktion versucht hat", sagte FDP-Chef Christian Lindner der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er warf dem Koalitionspartner SPD vor, die Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine für Wahlkampfmanöver zu missbrauchen.
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verlangt nach Mützenichs Rede eine rasche Erklärung des Bundeskanzlers und der SPD zum Ukraine-Kurs der Bundesregierung. "Wenn Rolf Mützenich, der als Vorsitzender ja für die gesamte SPD-Fraktion spricht, ernsthaft ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs fordert, rückt die Kanzlerpartei SPD offenkundig von der vereinbarten Zeitenwende ab", sagte Strack-Zimmermann dem "Stern". "Das ist inakzeptabel und muss schnellstens in der Koalition geklärt werden." Weiter kritisierte sie: "Ich bin entsetzt, dass Rolf Mützenich ernsthaft vorschlägt, den Ukraine-Krieg einzufrieren", sagte Strack-Zimmermann. "Eingefrorener Mist bleibt auch nach dem Auftauen Mist."
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki warf Mützenich autoritäres Verhalten vor. "Die heutigen Erklärungen des sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden sind nicht auf große Gegenliebe bei vielen Grünen und Freien Demokraten gestoßen - um es freundlich zu sagen", sagte er bereits am Donnerstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Grüne: Rückfall in die alte Russlandpolitik der SPD
Auch von den Grünen kam scharfe Kritik: Die Rede sei ein "Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie" gewesen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang dem Sender Welt. Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wer den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine "einfrieren" wolle, gebe dem Aggressor nach und verlange von den Menschen in der Ukraine, "sich einem Diktator zu unterwerfen". Die Fehler der jahrzehntelangen falschen Russlandpolitik dürften nicht wiederholt werden, "das kann nicht die Politik dieser Bundesregierung 2024 sein".
Gewohnt unverblümt war die Kritik des ehemaligen ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrii Melnyk. "Habe immer gesagt: Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker. Für immer und ewig", schrieb Melnyk bei X.
Mützenich sieht seine Äußerungen als Anregung
Mützenich wies die Kritik an seinen Äußerungen indes zurück. Er habe sich am Donnerstag im Bundestag "klar für die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen und Munition, ausgesprochen", sagte er der "Rheinischen Post". Darüber hinaus habe er, wie viele vor ihm, "angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken". Mützenich betonte zugleich: "Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die staatliche Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine ist unser klares Ziel."
Der SPD-Fraktionsvorsitzende betonte, er rede "keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort". Über einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Kämpfe könne nur die ukrainische Regierung entscheiden. Er fügte zugleich hinzu: "Dies enthebt uns nicht von der Verantwortung, auch über Wege und Perspektiven für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenken."
Der SPD-Politiker hatte in der Bundestagsdebatte über den Taurus-Antrag der CDU/CSU auf die umfangreiche deutsche Unterstützung mit Militärgütern, humanitärer Hilfe und bei der Aufnahme von Flüchtlingen hingewiesen. Zugleich sagte er, es müsse damit umgegangen werden, dass viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg hätten. Daher müsse die Frage gestellt werden, "wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfessel auch zu befreien".
Mützenich fuhr fort mit einer Frage, die nach seinen Worten manchmal im Bundestag als "Schandfleck" bezeichnet werde. Er sagte wörtlich: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?" Gehe es "nicht auch politisch um diese Fragen?"
Quelle: ntv.de, ghö/AFP