Politik

Fragen und Antworten Was über die Clique um Heinrich XIII. bekannt ist

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Beim größten Antiterroreinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik werden 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Bislang war über die Gruppe kaum etwas bekannt. Den Ermittlern zufolge planten die rechtsextremen Verschwörer einen Umsturz in Deutschland.

Was ist geschehen?

Dieser Tag dürfte in die Geschichte eingehen: Die Polizei hat am 7. Dezember eine rechtsextreme Verschwörergruppe hochgenommen, die einen Putsch gegen die Demokratie in Deutschland geplant haben soll. Nach Angaben des Generalbundesanwalts, der Ermittlungsbehörde des Bundes, rückten am frühen Morgen 3000 Beamte zu einer gigantischen Razzia aus, um eine Verschwörergruppe aus der rechtsextremen "Reichsbürger"-Szene zu zerschlagen. Sie griffen fast überall in Deutschland, außerdem in Österreich und Italien zu. 25 Männer und Frauen wurden festgenommen, mehr als 130 Objekte durchsucht. Es war der größte Einsatz dieser Art, den es je in Deutschland gab. Die Gruppe nannte sich selbst "Patriotische Union".

Was hatte die Gruppe vor?

Nichts weniger als einen Staatsstreich. Nach Angaben der Ermittler wollte die Gruppe um einen 71-Jährigen namens Heinrich XIII. Prinz Reuß den Bundestag angreifen, Politiker festnehmen und eine neue Regierung ausrufen. Demnach sollte so etwas wie das Deutsche Reich von 1871 wieder auferstehen - mit Heinrich XIII. als Staatsoberhaupt. Die Rechtsextremen erwarteten, dass Unruhen in Deutschland ausbrechen und Polizei und Militär mit ihnen gemeinsame Sache machen würden. Dass es dabei Tote geben könnte, kalkulierte die Gruppe ein. Laut "Spiegel" verfügte die Gruppe über "ungewöhnlich viel Geld". Damit soll sie Waffen, aber auch Satellitentelefone gekauft haben.

Was ist über Heinrich XIII. Prinz Reuß bekannt?

Noch nicht viel. Die Behörden hatten Heinrich Reuß als "Gefährder" eingestuft, da er unter den "Reichsbürgern" bereits aufgefallen war. Laut der "Ostthüringischen Zeitung" wurde in Thüringen ein Jagdschloss namens "Waidmannsheil" durchsucht, das dem Prinzen gehören soll. Dort könnte es ein Waffenlager geben, meldete die OTZ. Offiziell bestätigt ist das aber noch nicht.

Das Fürstenhaus Reuß gehörte, als es in Deutschland noch Adel gab, dem deutschen Hochadel an. Die Familie hat sich bereits im August von Heinrich XIII. distanziert. Dieser habe vor 14 Jahren den Familienverbund verlassen, es gebe keinen persönlichen Kontakt mehr, sagte ein Sprecher der Familie dem Sender MDR damals. Bei Heinrich XIII. handele es sich um einen "teilweise verwirrten" alten Mann, der "verschwörungstheoretischen Irrmeinungen" aufsitze.

Wer sind die anderen Köpfe?

Hervor sticht Rüdiger von P., der offenbar den "militärischen Arm" der Gruppe leitete. Der Generalbundesanwalt bezeichnet ihn neben Heinrich XIII. als "Rädelsführer". Er soll versucht haben, Polizisten und Soldaten zu rekrutieren. Auch die AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann gehört zum Verschwörerkreis. Die Berliner Richterin saß von 2017 bis 2021 im Deutschen Bundestag und war als künftige "Justizministerin" vorgesehen. Auch sie wurde nun festgenommen. Zu den weiteren Verschwörern gehören ein Stabsfeldwebel des Kommandos Spezialkräfte (KSK), mehrere frühere Bundeswehrsoldaten und mindestens ein weiterer AfD-Politiker.

Welcher Ideologie folgt die Gruppe?

Die Gruppierung hatte sich offenbar eine eigene Weltanschauung entwickelt. Grundlage für das "Konglomerat aus Verschwörungsmythen" waren laut Generalbundesanwalt Narrative der "Reichsbürger" sowie des sogenannten QAnon-Kultes, einer wilden Verschwörungserzählung aus den USA, die in Deutschland eng mit der "Reichsbürger"-Szene verbunden ist. Die Anhänger der Gruppe seien davon überzeugt, dass Deutschland von Angehörigen eines "Deep State" regiert wird, so der Generalbundesanwalt. Das Gerede von einem "tiefen Staat", der heimlich die Fäden zieht, motiviert Rechtsradikale weltweit, in den USA seit Jahren auch Trump-Anhänger. Wie der QAnon-Kult definiert die Ideologie der Festgenommenen auch die Aussicht auf Erlösung, in diesem Fall durch die "Allianz" - das soll ein weiterer Geheimbund "von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika" sein, der den "Deep State" beseitigen wolle. Nach Überzeugung sollte dieser Eingriff kurz bevorstehen.

Gibt es Verbindungen nach Russland?

Heinrich Reuß soll nach Erkenntnissen der Ermittler Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen haben, also etwa mit der russischen Botschaft. Dabei half ihm offenbar seine Lebensgefährtin Vitalia B., eine Russin. Die russische Botschaft wies jegliche Verbindung zurück. Die "russischen diplomatischen und konsularischen Büros in Deutschland unterhalten keine Kontakte zu Vertretern terroristischer Gruppen oder anderen illegalen Einheiten", zitierten russische Nachrichtenagenturen eine Erklärung der Botschaft. Auch nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler gibt es keine Anhaltspunkte, dass die von Reuß angesprochenen Vertreter Russlands positiv auf seine Anfrage reagiert hätten.

Wie weit waren die Planungen der Gruppe fortgeschritten?

Die Gruppe plante die Machtübernahme offenbar ganz konkret. Mit Heinrich Reuß hatte sie bereits ein künftiges Staatsoberhaupt erkoren, auch die Besetzung einzelner "Ministerien" war bereits geklärt. Innerhalb der Gruppe fungierte den Ermittlern zufolge ein Gremium namens "Rat" mit Heinrich Reuß an der Spitze als Leitungsorgan. Daneben gab es einen "militärischen Arm", deren Mitglieder teilweise aus der Bundeswehr kommen. An der Spitze dieses "militärischen Arms" stand laut Generalbundesanwalt Rüdiger v.P., ein ehemaliger Oberstleutnant im Fallschirmjägerbataillon 251 in Calw. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Gruppe bereit war, Menschen zu töten: Den Angehörigen der terroristischen Vereinigung sei bewusst gewesen, dass ihr Vorhaben "nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht" werden könne.

Wie akut war die Gefahr, die von der Gruppe ausging?

Das ist unklar. Dass die Antiterroreinheit GSG9 ein KSK-Gelände in Calw durchsuchte, könnte ein Hinweis auf die Gefährlichkeit der Gruppe sein, die offenbar gezielt versuchte, Soldaten und Polizisten zu rekrutieren. Auf der anderen Seite kursierten Informationen über die bevorstehenden Razzien bereits seit ein paar Tagen. "Von diesen Razzien wussten bereits Mitte der letzten Woche etliche Pressevertreter*innen", sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner ntv.de. "Wenn so sensible Informationen so breit gestreut werden, liegt der Verdacht nahe, dass es hier eher um gute PR geht als um den Erfolg der Ermittlungen." Vor allem aber spricht dieser Mangel an Geheimhaltung nicht dafür, dass die Ermittler die akute Gefahr als sehr groß einschätzten. Allerdings sind 52 Beschuldigte und 25 Festgenommene keine kleine Zahl.

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 07. Dezember 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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