AKW-Streit bei "Hart aber fair" "Ihr wisst Bescheid, Atomkraft ist aus"
18.10.2022, 03:28 Uhr
"Streit über Pipifax" sei die AKW-Diskussion, findet Moderator Plasberg.
Bundeskanzler Scholz hat ein Machtwort gesprochen: Die drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke laufen noch bis zum 15. April 2023. Doch der Streit dürfte damit nicht beigelegt sein, wie sich am Abend bei "Hart aber fair" in der ARD zeigt.
Das war der "Machtwumms" von Kanzler Scholz. Er kam spät, war aber deutlich. Die drei Atomkraftwerke, die noch am Netz sind, laufen weiter, und zwar bis zum 15. April 2023. Das ist ein Kompromiss, bei dem Grüne und FDP ein wenig verlieren, aber auch ein wenig gewinnen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hatte ursprünglich nur zwei der drei Kraftwerke am Netz lassen wollen, aber auch das nur im Notfall. Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP wollte die Kraftwerke bis Ende 2024 weiter betreiben. Dafür hätten neue Brennstäbe angeschafft werden müssen. Vor Monaten schon hatten sich die Kraftwerksbetreiber geweigert, durch eine Laufzeitverlängerung entstehende Mehrkosten zu übernehmen. Die Brennstäbe hätten aus Steuermitteln gezahlt werden müssen, möglicherweise gar über eine Strompreiserhöhung.
Nun muss schnell ein Gesetz formuliert werden. Darüber soll der Bundestag noch in dieser Woche entscheiden. Vorher wird es eine heftige Debatte geben. Wie die aussehen könnte, haben Katrin Göring-Eckardt von den Grünen und Thorsten Frei von der CDU am Montagabend bei "Hart aber fair" in der ARD schon mal gezeigt.
AKW Emsland "fachlich nicht notwendig"
Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt ist zumindest darüber froh, dass die Diskussion nun vorbei ist. Am 15. April sei der Ausstieg aus der Atomkraft beendet. "Das ist eindeutig und das bleibt auch so", sagt sie bei "Hart aber fair". Nicht recht einverstanden ist sie aber mit dem Weiterbetrieb des AKW Emsland. "Das ist fachlich nicht notwendig", sagt sie.
Das hatte zuvor schon Grünen-Chefin Ricarda Lang getwittert. Dennoch werde die Grünen-Fraktion an einem Gesetz mitwirken, das das Machtwort von Bundeskanzler Scholz umsetzt. "Wir werden da drübergehen", sagt Göring-Eckardt, die insgesamt nicht wirklich zufrieden scheint mit der Situation, mit der sie sich nun abfinden muss.
"Nun können wir uns wieder anderen Dingen zuwenden"
Auch Habeck macht in den anschließenden "Tagesthemen" nicht den allerzufriedensten Eindruck. Er wirkt ein wenig kleinlaut, als er den Bundeskanzler lobt, der nun den Streit zwischen ihm und Lindner vorerst beendet hat. Der sei zu lang gewesen, es habe offensichtlich keine Lösung geben können, sagt er. Dann schwingt aber auch ein wenig Erleichterung mit, als er sagt: "Trotz aller Schwierigkeiten haben wir in den letzten Monaten Großes geleistet. Jetzt können wir uns wieder anderen Dingen zuwenden."
Es sei zwar eine "unübliche Lösung einer verfahrenen Situation", aber er könne mit der Entscheidung des Bundeskanzlers leben und arbeiten. "Die Entscheidung zeigt den Weg nach vorne."
"Ein fauler Kompromiss"
Dass Kanzler Scholz sein schärfstes Schwert zieht, sei "etwas total Außergewöhnliches", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, bei "Hart aber fair". Die Entscheidung selber nennt er einen "faulen Kompromiss". Sie bedeute zwölf Prozent höhere Kosten und 14 Tonnen zusätzlichen CO2-Ausstoß. Außerdem würde Deutschland die europäische Solidarität mit Füßen treten, "denn wir schalten Kraftwerkskapazität ab und warten auf der anderen Seite, dass andere uns Strom und Gas zur Verfügung stellen." Das werde so nicht funktionieren, und die Wahrscheinlichkeit, dass wir in diesem und im nächsten Winter einen Blackout erleben, sei nun gewachsen.
Während Moderator Plasberg die AKW-Diskussion als "Streit über Pipifax" bezeichnet, findet sie Ökonom Jens Südekum überflüssig. Die wirklich entscheidenden Probleme seien die Gasversorgung, der Bau der Flüssiggasterminals oder die Regasifizierungs-Kapazität in der Nordsee. Trotzdem ist er mit der Entscheidung von Bundeskanzler Scholz zufrieden: Hätte man die AKWs bis 2024 oder länger am Netz gehalten, hätte das möglicherweise dem Ausbau der erneuerbaren Energien geschadet, so Südekum.
Am Ende der Sendung fragt Moderator Plasberg die Runde, was sie Habeck und Lindner sagen würden, wenn sie sich gemeinsam für ein paar Sekunden in einem Fahrstuhl befänden. Und hier findet Göring-Eckardt die deutlichsten Worte: "Ihr wisst Bescheid: Atomkraft ist aus."
Quelle: ntv.de