Bloß kein neuer Lockdown Darum geht's beim Bund-Länder-Treffen
10.08.2021, 02:03 Uhr
Im Kampf gegen Corona wollen sich Bund und Länder für schwierigere Wochen wappnen. Doch anders als zuletzt geht es bei der heutigen Konferenz von Kanzlerin und Ministerpräsidenten nicht nur um die Pandemie. Ein Überblick über die bislang bekannten Punkte der Beschlussvorlage, die ntv vorliegt.
Wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten heute zur Videokonferenz zusammenschalten, geht es gleich um zweifaches Krisenmanagement: Angesichts rasch steigender Infektionszahlen soll der Corona-Kurs für den Herbst geklärt werden - mit Nachjustierungen beim Impfen und Testen und Vorgaben für mögliche weitere Beschränkungen. Erklärtes Ziel: eine neue große Welle und einen erneuten Lockdown abzuwenden.
Zweites Krisenthema ist ein geplanter milliardenschwerer Fonds, um den Aufbau nach der Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands zu finanzieren. Im Kampf gegen die Pandemie kommt nach längerer Pause nun also wieder die Runde der Ministerpräsidenten zusammen, die in puncto Corona-Beschränkungen zuletzt eher viel Streit und Frust verursachte. Gut sechs Wochen vor der Bundestagswahl geht es auch darum, welche Weichen jetzt mit Aussicht auf breite Akzeptanz gestellt werden können. Oder ob es doch noch einen heftigen Corona-Wahlkampf gibt.
Im Blick stehen mehrere Ansatzpunkte, wie sie auch aus einem ntv vorliegenden Entwurf mit Stand von Montagabend hervorgehen - wichtige Aspekte waren demnach aber noch offen:
Impfen
Nach monatelangem Ärger um zu knappen Impfstoff und zu wenige Impftermine ist inzwischen beides reichlich da - wie vom Bund für den Sommer zugesagt. Nun gilt es, auch zum Schutz vor der ansteckenderen Delta-Virusvariante möglichst schnell möglichst viele noch zögernde Bürger für Impfungen zu gewinnen. "Jede Impfung zählt!", appellierte schon Gesundheitsminister Jens Spahn. Vollständig geimpft sind bundesweit rund 45,6 Millionen Menschen - knapp 55 Prozent aller Einwohner. Manche Bundesländer haben aber besonderen Nachholbedarf. So hat in Sachsen nicht einmal jeder Zweite eine Erstimpfung erhalten. Dort ist allerdings auch der Anteil der Genesenen besonders hoch.
Testen
Schon vorab auf breite Zustimmung traf die Idee, das Angebot kostenloser Schnelltests für alle im Herbst auslaufen zu lassen - durchaus auch als Extra-Anstoß für mehr Impfungen, die ja gratis sind. Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Schritt für Mitte Oktober vorgeschlagen - der genaue Termin war vorerst noch offen. Gratis dürften Schnelltests dann nur noch für Menschen sein, die nicht geimpft werden können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt wie für Schwangere oder Unter-18-Jährige.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte im "Frühstart" bei ntv, Ungeimpfte müssten damit rechnen, dass sie nur noch mit Tests am öffentlichen Leben teilhaben können. "Wenn jemand sich nicht impfen lässt, obwohl es so einfach ist und wir endlich genügend Impfstoff haben, worauf viele andere Länder dringend warten, dann muss derjenige nachweisen, dass sie für andere keine Gefahr mehr darstellt durch ein Testergebnis, ich finde das ist das Mindeste." Er gehe davon aus, dass es ab Oktober keine kostenlosen Tests für Ungeimpfte mehr geben werde.
Quarantäne-Regeln
Die Quarantäne-Regeln sollen entsprechend einer RKI-Empfehlung angepasst werden. Für symptomlose enge Kontaktpersonen mit einer vollständig abgeschlossenen Immunisierung ist eine Quarantänepflicht grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Geimpfte und Genesene sind auch von der Quarantänepflicht bei der Rückreise nach Deutschland aus einem Hochrisikogebiet ausgenommen.
Schutzmaßnahmen
Keine großen Diskussionen zeichnen sich dazu ab, den Basis-Schutz mit Abstand, Hygiene und Maskenpflicht in bestimmten Bereichen bestehen zu lassen: in Bussen und Bahnen oder Geschäften. Neu geregelt werden könnten einheitliche Vorgaben, die "3G-Regel" für den Zugang zu bestimmten Einrichtungen zu verankern: Also, dass nur hinein oder teilnehmen kann, wer geimpft, genesen oder frisch negativ getestet ist. Im Gespräch war dies unter anderem für Kliniken und Pflegeheime, Sport und Veranstaltungen drinnen, Innengastronomie, körpernahe Dienstleistungen wie Friseure und Beherbergungen. Strittig war zuletzt, ob für manches auch "2G" gelten solle: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene. Private Anbieter könnten das ohnehin so handhaben.
Der Corona-Rahmen
Die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" gilt noch bis zum 11. September und eine Zeit lang sah es so aus, als könne die Gesetzesgrundlage für diverse Corona-Maßnahmen danach entfallen. Doch mit der Ausbreitung der Delta-Variante wird das unwahrscheinlich. Die Gesundheitsminister der Länder haben sich noch am Montag dafür ausgesprochen, dass der Bundestag die "epidemische Lage" erneut verlängert. Das Parlament hatte sie zuletzt am 11. Juni bestätigt - ohne erneutes Votum würde die Sonderlage nach drei Monaten auslaufen. Sie gibt dem Bund das Recht, direkt Verordnungen etwa zu Tests und Impfungen zu erlassen. Auch Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen, die die Länder festlegen können, beziehen sich laut Infektionsschutzgesetz auf die Feststellung dieser "epidemischen Lage".
Forderungen
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte: "Wichtig ist, dass neben der Debatte um Schnelltests und Impfbereitschaft die Kitas und Schulen im Fokus stehen." Es brauche ein "verbindliches Versprechen der Politik", dass ein Offenhalten Priorität habe. Zentral sei, dafür zu sorgen, dass sich Erwachsene impfen lassen, insbesondere auch im Umfeld von Kindern. "So kann eine Art "Schutzkokon" gebildet werden." Alle Schulen und Kitas müssten Räume mit Luftfiltern oder mindestens CO2-Ampeln ausstatten können. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz sagte: "Es darf keinen weiteren Lockdown geben." Eine Überlastung der Intensivstationen sei dank der Impfungen sehr unwahrscheinlich geworden. "Für Geimpfte, Genesene und Getestete muss deshalb auch im Herbst bei höheren Inzidenzen ein normales Leben möglich sein."
Fluthilfe
Bund und Länder wollen einen Fonds vereinbaren, um den Wiederaufbau nach dem Hochwasser im Westen Deutschlands zu finanzieren - im Gespräch war nach dpa-Informationen ein mögliches Volumen von etwa 30 Milliarden Euro. Die Bauprojekte sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden, heißt es im Entwurf von Montagabend. Summen sind noch nicht beziffert. Vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hatte es massive Schäden gegeben.
Beraten werden soll auch über Verbesserungen etwa bei Warnungen für die Bürger. Dazu gehören ein Programm zur Ertüchtigung von Sirenen. Dafür sind 88 Millionen Euro an Geldern für die Bundesländer vorgesehen. Dazu soll ein System eingerichtet werden, das ähnlich wie bei einer SMS Nachrichten an Handy-Nutzer verschickt - und zwar an alle, die sich zu dem Zeitpunkt in einer Funkzelle aufhalten. Für das Cell-Broadcasting-System erarbeite die Bundesregierung gerade eine Gesetzesgrundlage, auch die Mobilfunkmasten sollen "zeitnah" technisch angepasst werden.
Quelle: ntv.de, Sascha Meyer, dpa