Politik

DDR ist keine Regionalgeschichte Interesse an Stasi-Akten hält an

Birthler stellt ihren zehnten und letzten Bericht vor.

Birthler stellt ihren zehnten und letzten Bericht vor.

(Foto: REUTERS)

Zum letzten Mal stellt Marianne Birthler den Tätigkeitsbericht der Stasi-Unterlagen-Behörde vor. Siestellt fest: Das Interesse an der Vergangenheit ist ungebrochen. Nur dürfe der Umgang mit der DDR nicht zum Regionalproblem werden. Birthlers Nachfolger steht derweil bereits in den Startlöchern.

Die scheidende Stasiakten-Beauftragte Marianne Birthler geht davon aus, dass ihre Behörde noch lange gebraucht wird. Sie halte die bislang avisierte Schließung im Jahr 2019 "immer noch nicht für das letzte Wort", sagte Birthler bei der Vorstellung ihres letzten Tätigkeitsberichts in Berlin. Nach ihren Worten ist das Interesse an den Unterlagen der DDR-Staatssicherheit auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sehr hoch.

Im vergangenen Jahr seien bei ihrer Behörde und den Außenstellen 87.514 Anträge auf persönlichen Akteneinsicht gestellt worden, sagte Birthler. 2009 seien es 102.658 gewesen. Ein Drittel davon komme von Menschen, die erstmals einen Antrag stellen. Das Interesse an der SED-Diktatur sei "über all die Jahre ungebrochen geblieben".

"Die ein oder andere Überraschung zu erwarten"

Seit Inkrafttreten des Stasi-Unterlagen-Gesetzes stellten Birthler zufolge rund 1,8 Millionen Menschen einen Antrag auf Akteneinsicht, manche davon mehrfach. Einschließlich der Anträge auf Entschlüsselung von Decknamen und Herausgabe von Kopien gingen insgesamt 2,7 Millionen Anträge von Privatpersonen bei der Behörde ein.

Birthler verwies zudem darauf, dass derzeit ein Verfahren zur virtuellen Rekonstruktion zerschredderter Akten erprobt werde. Dies lasse die Wiederherstellung ganzer Täter- und Opferakten zu. Sie gehe deshalb davon aus, "dass noch die ein oder andere Überraschung zu erwarten ist".

Zur Debatte über ehemalige Stasi-Mitarbeiter in ihrer Behörde sagte Birthler, sie habe deren Übernahme Anfang der 90er Jahre "sehr kritisch" gesehen. Die Spielräume zum Umgang mit diesen seien aber "ausgesprochen eng". Sie verwies dabei auf die Möglichkeiten, die früheren Geheimdienstmitarbeiter an anderer Stelle in der Bundesverwaltung zu beschäftigen.

Gemeinsames Geschichtsverständnis nötig

Birthler mahnte weitere Anstrengungen an, um die Erinnerung an die DDR-Geschichte wachzuhalten. Trotz aller positiven Signale und Entwicklungen sind wir noch weit davon entfernt, dass die DDR als wichtiger Bestandteil deutscher Nachkriegsgeschichte wahrgenommen wird", erklärte Birthler weiter. Ein Problem dabei sei, "dass DDR-Geschichte vielerorts immer noch lediglich als ostdeutsche Regionalgeschichte gesehen wird". Ein gemeinsames Geschichtsverständnis in Deutschland könne sich aber nur entwickeln, "wenn die zweite deutsche Diktatur darin einen angemessenen Platz einnimmt".

Birthler übergab ihren Tätigkeitsbericht an Bundestagspräsident Norbert Lammert. Nach zwei Amtsperioden muss sie ihr Amt abgeben, Nachfolger wird der ostdeutsche Ex-Bürgerrechtler und Journalist Roland Jahn. Er tritt sein Amt am kommenden Montag an.

Kritik an Birthlers Tätigkeit übte der Berliner SED-Forscher Klaus Schröder. Birthler habe in ihrer Amtszeit das Ansehen der Behörde nicht gesteigert, sagte er dem Sender MDR Info. Die Schuhe ihres Vorgängers Joachim Gauck "waren etwas zu groß für sie". Birthler habe bei einigen Skandalen, die es innerhalb der Behörde gab, so bei der Beschäftigung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, sehr schlecht oder überhaupt nicht reagiert.

Quelle: ntv.de, AFP

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