Euro-Exit und Schuldenschnitt Italiens Koalitionsentwurf schockt Europa
16.05.2018, 16:19 Uhr
Matteo Salvini von der Lega verhandelt mit Luigi Di Maio von den Fünf Sternen.
(Foto: AP)
Dass Italien eine populistische Regierung bekommen könnte, bereitet vielen Staatschefs in Europa Kopfzerbrechen. Für Aufregung sorgt die Forderung nach einem gigantischen Schuldenerlass. Der wird jedoch relativiert.
Bei der Regierungsbildung in Italien sind die beiden populistischen Parteien auf Konfrontationskurs mit Brüssel gegangen. Vor allem ein Entwurf des Koalitionsvertrags der rechtspopulistischen Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung heizte die anti-europäische Stimmung weiter an. Die Märkte reagierten verunsichert auf das Dokument, in dem von Szenarien eines Euro-Ausstieges und von einem Schuldenerlass die Rede ist. Allerdings betonten beide Parteien, dass der Entwurf an den entscheidenden Stellen geändert wurde.
Lega-Chef Matteo Salvini erklärte, sich nicht von der Unruhe in Brüssel oder an den Märkten einschüchtern zu lassen. "Sorge in Europa, Sorge in Washington, Sorge in Berlin, Sorge in Paris: Wenn die Machtzentralen, die entschieden haben, dass unsere Kinder in Unsicherheit und Angst leben, und (...) die unsere Zukunft massakriert haben, besorgt sind, dann bedeutet das, dass wir etwas richtig machen", sagte er.
Er reagierte damit zudem auf eine Aussage des EU-Migrationskommissars
Dimitris Avramopoulos. Der hatte gesagt, er gehe davon aus, dass Italien an seiner bisherigen europäischen Politik festhalte. "Italien ist ein Gründerstaat des europäischen Projekts und ich bin sicher, dass die Italiener sich zur europäischen Perspektive bekennen." Die Verhandlungen mit den Sternen sind derzeit in der entscheidenden Phase. Wann und ob es überhaupt eine Einigung gibt, ist unklar.
Entwurf "radikal verändert"
Sterne-Chef Luigi Di Maio sagte, er verstehe, dass "eine Regierung des Wandels" Ängste beim "europäischen Establishment" auslöse. "Mit Europa wird es den maximalen Dialog geben, aber wir werden nicht die Untergebenen einiger Eurokraten sein." In dem umstrittenen Entwurf geht es um die Forderung, 250 Milliarden Euro der italienischen Staatsschulden bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu erlassen. Derzeit liegt die Verschuldung bei 2,263 Billionen Euro. Zum Euro-Ausstieg heißt es, es müsse Regeln geben, die jedem Land erlaubten, die Einheitswährung zu verlassen. Italien hat eine der höchsten Staatsverschuldungen der Welt.
Beide Parteien dementierten, dass der Ausstieg aus der europäischen Einheitswährung ein Thema sei. Sie erklärten, dass der Entwurf "radikal" verändert worden sei - "vor allem was Verschuldung, Euro und Einwanderung betrifft", sagte Di Maio. Der italienische Ökonom Carlo Cottarelli sprach von einem "so unrealistischen Vorschlag, dass ich mich frage, wieso er überhaupt schwarz auf weiß niedergeschrieben wurde".
Die sich abzeichnende Bildung der populistischen Regierung bewegte die Finanzmärkte. Italienische Anleihen und Aktien gerieten unter Druck. Der Eurokurs sank auf den tiefsten Stand seit Dezember 2017. Die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen legten deutlich zu. Die Rendite von zehnjährigen Papieren stieg um 14 Basispunkte auf 2,086 Prozent. Damit wird die Kreditwürdigkeit Italiens als deutlich riskanter eingestuft als beispielsweise die von Spanien und Portugal. Der starke Anstieg ist bemerkenswert, da die EZB immer noch Staatsanleihen kauft.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa