Politik

Aufatmen in der EU Ja aus Prag

Der EU-Reformvertrag hat eine wichtige Hürde genommen. Der tschechische Senat billigte das Abkommen nach kontroverser Debatte mit 54 Stimmen, 20 Abgeordnete votierten dagegen, fünf enthielten sich. Damit haben die Parlamente von 26 der 27 EU-Länder dem Reformvertrag zugestimmt. Nur in Irland war im Sommer 2008 das Abkommen bei einer Volksabstimmung abgelehnt worden.

Die andere Kammer des Prager Parlaments, das Abgeordnetenhaus, hatte den sogenannten Lissabon-Vertrag schon im Februar gebilligt. Wie dort gab es nun auch im Senat eine parteiübergreifende, verfassungsgebende Mehrheit. Die Ratifizierung in Tschechien könnte sich dennoch weiter verzögern: Der EU-kritische Staatschef Vaclav Klaus muss den Vertrag noch unterschreiben. Klaus hat mehrfach angekündigt, allenfalls nach einer erneuten Volksabstimmung in Irland eventuell den Vertrag zu unterschreiben. Außerdem drohte eine Gruppe Senatoren mit einer neuen Verfassungsklage gegen den Reformvertrag. Auch die Unterschriften der Präsidenten in Deutschland und Polen stehen noch aus.

Damit der Reformvertrag in Kraft treten kann, muss er aber auch in Irland ratifiziert werden. Irland will im Herbst eine zweite Volksabstimmung abhalten. In Deutschland muss das Bundesverfassungsgericht über eine Reihe von Klagen gegen den Lissabon-Vertrag entscheiden.

Erleichterung in Brüssel

EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso begrüßte die Entscheidung in Prag. "Das ist eine sehr gute Nachricht", hieß es in einer Erklärung Barrosos in Brüssel. "Das Votum reflektiert das Engagement der tschechischen Republik für eine demokratischere, verantwortlichere, effektivere und verständlichere Europäische Union". Er sei "sehr glücklich" über die Entscheidung.

Barroso äußerte die Hoffnung, dass der Ratifizierungsprozess in Tschechien und drei anderen Mitgliedstaaten nun so schnell wie möglich abgeschlossen werden könne. Das Abkommen soll die EU-Strukturen entscheidungsfähiger machen und damit für die Zukunft rüsten.

Aufruf für ein europäisches Signal

Außenminister Karel Schwarzenberg hatte die Senatoren vor der Abstimmung aufgerufen, ein "eindeutiges Signal" abzugeben, dass Tschechien ein europäisches Land sei. Für eine Zustimmung war eine Drei-Fünftel-Mehrheit in der 81 Mitglieder zählenden Kammer nötig, also mindestens 49 Stimmen.

Die Diskussion im tschechischen Senat hatte sich zunächst in einer stundenlangen, kontroversen Debatte festgefahren. Einzelne Abgeordnete lehnten das Abkommen ab, während sich die Mehrzahl der Redner dafür aussprach, den sogenannten Lissabon-Vertrag zu billigen. Der scheidende Ministerpräsident Mirek Topolanek warnte davor, den Vertrag scheitern zu lassen. "Unsere Verankerung in Europa wäre gefährdet", mahnte er.

"Umstrittenes Dokument"

Topolanek räumte ein, es handele sich um ein umstrittenes Dokument - "auf der einen Seite dämonisiert, auf der anderen Seite in seinen Auswirkungen bagatellisiert". Prag könne es sich nicht leisten, der Union nach der schwierigen EU-Ratspräsidentschaft weitere Probleme zu bereiten, sagte Topolanek. Außenminister Karel Schwarzenberg forderte "ein klares Signal, dass wir ein Land sind, das Entwicklung will".

Senator Jiri Oberfalzer hingegen nannte das Abkommen eine "Verschwörung der Eliten". Senator Jiri Pospisil sagte, "die Vereinbarung ist schlecht und auch schlecht formuliert". Senatspräsident Premysl Sobotka wiederum wollte für den Vertrag stimmen. Die Senatsabgeordneten in Prag fühlen sich, da sie direkt gewählt werden, üblicherweise nicht an Parteivorgaben gebunden. Europaminister Alexandr Vondra, der dem Senat angehört, erwartete wie auch die heimischen Medien eine ausreichende Mehrheit, um den Reformvertrag zu verabschieden.

Quelle: ntv.de, AFP / dpa

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