Politik

Regierungen warnen Bürger Kabuls Flughafen könnte zur Falle werden

Der Flughafen von Kabul werde praktisch täglich vom IS angegriffen, sagt US-Präsident Biden.

Der Flughafen von Kabul werde praktisch täglich vom IS angegriffen, sagt US-Präsident Biden.

(Foto: AP)

Der Weg zum Flughafen von Kabul ist gefährlich. Der Aufenthalt dort auch. Jetzt scheint die Gefahrenlage neue Ausmaße anzunehmen, mehrere Länder warnen ihre Staatsbürger vor akuter Terrorgefahr, darunter auch die USA. Wie viele US-Bürger noch in Afghanistan sind, kann die Regierung nur schätzen.

Die Sicherheitslage rund um den Flughafen von Kabul spitzt sich wenige Tage vor dem mutmaßlichen Ende der militärisch gesicherten Evakuierungen erheblich zu. Die deutsche Botschaft in Afghanistan und andere Stellen warnen vor Terrorgefahr rund um den Airport der afghanischen Hauptstadt. "Aufgrund der Sicherheitsbedrohungen vor den Toren des Flughafens Kabul raten wir US-Bürgern, derzeit nicht zum Flughafen zu reisen und die Tore des Flughafens zu meiden", teilte die US-Botschaft in der Nacht zu Donnerstag mit - ohne die Bedrohungslage genauer zu benennen.

Gleichzeitig schwindet die Zeit für die Evakuierungen. US-Bürger, die sich derzeit am Abbey Gate, East Gate oder North Gate aufhielten, sollten das Gebiet "sofort" verlassen, warnte die US-Vertretung in Kabul. Die britische Regierung forderte Bürgerinnen und Bürger in der Nähe des Flughafens auf, sich an einen sicheren Ort zu begeben und auf weitere Anweisungen zu warten. Sie sprach in ihren Reisehinweisen am Mittwoch von einer "weiterhin hohen Bedrohung durch Terroranschläge". Die deutsche Botschaft warnte in einem Schreiben an deutsche Staatsbürger vor Schießereien und ebenfalls vor Terroranschlägen.

Die Bundeswehr hatte bereits am Dienstag berichtet, dass zunehmend potenzielle Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat in Kabul unterwegs seien. Ähnlich hatte sich US-Präsident Joe Biden geäußert. Praktisch täglich versuche ein örtlicher Ableger des IS, den Flughafen anzugreifen, hatte er erklärt. Die Terrormiliz sei auch ein "erklärter Feind" der militant-islamistischen Taliban.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht auch deshalb zunehmenden Zeitdruck. Das - von ihr nicht näher definierte - Zeitfenster für Evakuierungen werde kleiner, "weil die Bedrohungslage sehr konkret mit Blick auf terroristische Anschläge auf die, die evakuiert werden sollen, aber auch auf die Soldatinnen und Soldaten, größer wird", sagte die CDU-Politikerin am Mittwochabend im ZDF-"heute journal".

Kein Einspringen der Türkei

Die USA halten unterdessen weiter an ihrem Truppenabzug bis zum 31. August fest. Das bedeutet ein Ende der Evakuierungsflüge der Bundeswehr schon in den kommenden Tagen. Auch die Türkei hat damit begonnen, ihre Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Damit dürfte auch die zeitweise besprochene Option vom Tisch sein, dass türkische Truppen den internationalen Flughafen in Kabul über das Ende des Nato-Einsatzes hinaus sichern.

Unklar ist, ob Menschen auch nach dem 31. August über den Flughafen ausreisen können. Die US-Regierung betonte, dass es keine "Frist" für ihre Bemühungen gebe, ausreisewilligen US-Amerikanern oder Afghanen zu helfen. Die Taliban hätten sich verpflicht, Menschen über den 31. August hinaus sicheres Geleit zu ermöglichen, sagte Außenminister Antony Blinken. "Und wir haben sicherlich Anreize und Druckmittel gegenüber einer zukünftigen afghanischen Regierung, um sicherzustellen, dass dies geschieht", sagte Blinken weiter, ohne ins Detail zu gehen.

Auch nach Angaben der Bundesregierung haben die Taliban zugesagt, dass Afghanen auch nach dem 31. August das Land verlassen dürfen. Das gab der deutsche Verhandlungsführer Markus Potzel nach Gesprächen mit Schir Mohammed Abbas Staneksai bekannt, dem Vizechef des politischen Büros der Taliban in Katar. Die Bundesregierung will weiterhin deutsche Staatsbürger und schutzbedürftige Afghanen mit zivilen Flügen von Kabul aus außer Landes bringen. Es geht um mehrere tausend Menschen.

Kein Überblick über Zahl der US-Bürger

Die USA gingen mit Stand Mittwochnachmittag (Ortszeit) davon aus, dass noch maximal 1500 US-Amerikaner in Afghanistan sind. Davon seien 500 bereits mit konkreten Anweisungen zu ihrer baldigen Evakuierung versorgt worden, erklärte das Außenministerium. Regierungsmitarbeiter versuchten weiter intensiv, die übrigen etwa 1000 Personen zu kontaktieren. Das Ministerium betonte, dass diese Zahl auch deutlich niedriger sein könnte. Die US-Regierung verfolge nicht die Bewegung ihrer Bürger auf der Welt. Amerikaner seien nicht verpflichtet, sich bei der dortigen Botschaft zu registrieren. Von jenen, die das täten, meldeten sich auch nicht alle bei der Botschaft ab, wenn sie das Land verließen. Es sei daher schwer, eine zuverlässige Zahl zu nennen. US-Präsident Biden hatte allen ausreisewilligen Amerikanern in Afghanistan die Ausreise aus dem Land versprochen und zugesichert, sie "nach Hause zu bringen".

Die US-Regierung hatte zuletzt immer wieder betont, dass sie ihre Mission bis zum 31. August abschließen könne. "Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte die Sprecherin des Weißen Haues, Jen Psaki, am Mittwoch erneut. Der Präsident sei aber über Notfallpläne informiert worden, falls man doch länger bleiben müsse. Biden hatte das Außen- und Verteidigungsministerium angewiesen, diese Alternativpläne zu erarbeiten.

Quelle: ntv.de, ino/dpa

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