Corona-Geld für Klima umgewidmet Karlsruhe-Urteil könnte Ampel-Pläne zerschmettern
14.11.2023, 19:42 Uhr Artikel anhören
Wenn Karlsruhe die Umschichtung von Corona-Mitteln in den Klimaschutz-Fonds verbietet, muss die Ampel sich überlegen, wo das Geld für die Projekte stattdessen herkommen soll.
(Foto: picture alliance / Panama Pictures)
In der Corona-Pandemie nimmt die Bundesregierung massenhaft Schulden auf - was übrig blieb, widmet die Ampel für Klimaschutz-Projekte um. Ob das rechtens war, entscheidet jetzt das Bundesverfassungsgericht. Senkt es den Daumen, wäre das ein politisches Erdbeben in Berlin. Denn das Geld ist schon fest verplant.
An diesem Mittwoch blickt die Ampel-Koalition gespannt nach Karlsruhe. Dort steht ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts an, das Sprengkraft für die Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat. Sollte Deutschlands höchstes Gericht einen Nachtragshaushalt von 2021 beanstanden, dürfte der Streit innerhalb der Regierung über den künftigen Haushalt deutlich an Schärfe zunehmen - in einer Zeit, in der sich 41 Prozent der Bundesbürger bereits für Neuwahlen aussprechen und vor allem Grüne und FDP in der Regierung immer wieder aneinandergeraten.
Darum geht es: Ende 2021, als die Ampel-Regierung gebildet wurde, wurden 60 Milliarden Euro an ungenutzten Krediten aus der Corona-Zeit umgewidmet und als Polster in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschoben, wo sie über mehrere Jahre hinweg eingesetzt werden können - vor allem für Projekte, die den Grünen besonders wichtig sind. Dieses Verschiebemanöver war Kern des Nachtragshaushaltes 2021. Die Union hält das Vorgehen für verfassungswidrig und klagte dagegen. Auch der Bundesrechnungshof rügte es.
Schuldenbremse umgangen?
Experten sprechen von einem wegweisenden Urteil, weil es um die Zukunft der Schuldenbremse und indirekt auch die Handlungsfähigkeit der Regierung geht. Für die Corona-Kredite war die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt worden, nun sollen die Mittel aber für ganz andere Zwecke genutzt werden, nämlich die Transformation Richtung Klimaneutralität. Der Rechnungshof hatte beispielsweise in seiner Rüge argumentiert, für die Aussetzung der Schuldenbremse brauche es eine akute Krise. Klimaschutz sei aber eine Langzeitaufgabe, die es aus regulären Haushaltsmitteln finanziert werden müsste.
Nach Einschätzung der Analysten der Berenberg Bank gibt es eine "signifikante Wahrscheinlichkeit", dass die Richter gegen die Regierung entscheiden werden. In einem solchen Fall müsste die Ampel ihre Ausgaben im normalen Haushalt in den nächsten Jahren neu sortieren, könnte dafür aber zumindest Zeit für den Übergang bekommen, so Berenberg-Experte Salomon Fiedler. Auch eine Verschiebung etwa auf die staatliche Förderbank KfW wäre denkbar.
Den Eilantrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen den Nachtragshaushalt hatte das Gericht allerdings abgelehnt. Der Zweite Senat legte Ende 2022 trotzdem auf 41 Seiten dar, dass durchaus verfassungsrechtliche Bedenken bestehen können.
Union: KTF wurde zu Schattenhaushalt
Die Union als Klägerin hofft dementsprechend, dass das Gericht die Schuldenbremse stärken wird: "Eine Bremse muss auch Bremswirkung haben", sagte Mathias Middelberg, Vize der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. "Würde man die Ampel mit dieser Praxis gewähren lassen, könnte künftig jeder Finanzminister in einem Krisenjahr zur Bewältigung einer bestimmten Krise unbegrenzt Schulden auf Vorrat anhäufen, die Gelder dann aber später für ganz andere Zwecke und zeitlich unbeschränkt auch in weiteren Jahren einsetzen. Die Schuldenbremse wäre damit de facto wirkungslos."
Die Grünen warnen dagegen davor, vereinbarte Investitionen aus dem Klimafonds infrage zu stellen. Die Mittel würden "absolut gebraucht", sagte Co-Parteichefin Ricarda Lang am Montag. "Je nachdem, wie das Urteil ist, werden wir uns in der Koalition darüber unterhalten müssen, wie man das auch in Zukunft sichern kann." Für die Zeit nach 2025 - also nach der jetzigen Amtszeit der Ampel-Regierung - müsse über die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gesprochen werden. "Denn dauerhaft kann es keine Lösung sein, immer über Sonderfonds zu arbeiten."
Für das kommende Jahr sind bereits Ausgaben in Höhe von 57,6 Milliarden Euro geplant. Die größten Posten sind 18,9 Milliarden für Sanierung und Neubau von Gebäuden und 12,6 Milliarden für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Aus dem Topf sollen aber auch die Subventionen für die Ansiedlungen von Halbleiterfabriken finanziert werden. In den KTF fließen jedes Jahr Einnahmen aus der europäischen CO2-Bepreisung. Diese Mittel sollen in Form eines Klimageldes an die Bürger wieder ausgezahlt werden. Dieses Vorhaben hat die Ampel-Koalition aber noch nicht umgesetzt. Finanzminister Christian Lindner von der FDP verweist dabei auf die technische Schwierigkeit, direkt an jeden Bürger Geld zu überweisen.
Quelle: ntv.de, vpe/rts