Politik

Weiter Ärger um Jobcenter-Reform Kauder sauer auf Koch

Die Bundesagentur für Arbeit wirbt für die Jobcenter: Sie seien den kommunalen Ämtern für klar überlegen. Hessens Ministerpräsident Koch will die Jobcenter zurückdrängen. Seine Position sorgt in der Union für Unmut. Die CDU/CSU ist von einer gemeinsamen Position noch weit entfernt.

Die Bundesagentur hält die Jobcenter für erfolgreich. Allerdings ist ihre Konstruktion grundgesetzwidrig.

Die Bundesagentur hält die Jobcenter für erfolgreich. Allerdings ist ihre Konstruktion grundgesetzwidrig.

(Foto: AP)

Das rigide Nein des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) zu den Reformplänen der Bundesregierung für die Jobcenter sorgt bei der Unionsfraktion für Verärgerung. Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich rügten nach einem Bericht des "Spiegel" intern Kochs Vorpreschen. Sie warfen ihm vor, er sabotiere die ohnehin schon schwierigen Gespräche über die Hartz-Reformen.

Koch lehnt die Pläne von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Neuorganisation der Jobcenter ab und verlangt zugleich eine Grundgesetzänderung, um die Arbeitsvermittlung auf eine neue Basis zu stellen. Unterstützt wird er vom bayerischen Ministerpräsidenten, Horst Seehofer: "Eine Grundgesetzänderung ist die sauberste Lösung", sagte der CSU-Chef. Der Bund wäre seiner Meinung nach "schlecht beraten, wenn er sich aus Eitelkeit einer sachgerechten Lösung verweigern würde".

"Am Nasenring durch die Arena"

Kauder und Friedrich lehnen jedoch eine Änderung des Grundgesetzes ab ­ der CSU-Landesgruppenvorsitzende aus grundsätzlichen Erwägungen, Kauder auch aus taktischen, da für eine Verfassungsänderung die Union die Stimmen der SPD im Bundestag braucht. Der Fraktionschef fürchtet dem Bericht zufolge, dass die Sozialdemokraten die Verhandlungen dazu nutzen könnten, Zwietracht in die Regierung zu tragen. "Die werden uns doch am Nasenring durch die Arena führen", wird Kauder zitiert.

Von der Leyen wollte die Aufgaben von Kommunen und Arbeitsagenturen zwar organisatorisch trennen. Beide Behörden sollten aber unter einem Dach auf freiwilliger Basis weiter kooperieren. Damit wäre eine Grundgesetzänderung vermieden und das Konzept der Jobcenter weitgehend erhalten worden. Koch dagegen will die Rolle der Arbeitsagenturen zurückdrängen.

"Die Jobcenter sind besser"

Frank-Jürgen Weise

Frank-Jürgen Weise

(Foto: picture alliance / dpa)

Dagegen wandte sich der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. Er hält die Jobcenter bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Arbeit für besser als die rein kommunalen Ämter. Für den Vergleich gebe es "ganz harte" Daten, sagte Weise: "Es geht nicht um eine Saisonarbeit, nicht um eine kurze Zeitarbeit, sondern wer ist, nachdem wir oder die Optionskommunen ihn vermittelt haben, nach sechs Monaten in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung." 64 Prozent der sogenannten Optionskommunen, die die Hartz-IV-Betreuung in Eigenregie bewältigen, stünden in dieser Hinsicht schlechter da.

Für Weise ist damit ganz klar: "Die Option hat sich als besseres Modell gegenüber der Arge nicht gezeigt." Im Unterschied zu den von den Arbeitsagenturen und den Kommunen gemeinsam betriebenen Arbeitsgemeinschaften (Argen) endeten die Vermittlungsmöglichkeiten einer Kommune an den Kreisgrenzen. Auch eine Kooperation unter den Landkreisen könne das überregionale Netz der Arbeitsagenturen nicht ersetzen. "Die Arbeitsmärkte sind ja längst mindestens europäisch." So habe die Bundesagentur viele jüngere Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern in die Schweiz oder nach Österreich vermittelt. "Und da brauchen wir nicht mehr lange zu diskutieren: Das kann keine Optionskommune." Der politische Wille, wo jemand untergebracht werden solle, spiele auf dem Arbeitsmarkt keine Rolle.

Das Beispiel Gelsenkirchen

Nach Ansicht von Weise arbeiten die Mitarbeiter in den Argen auch professioneller. Als Beispiel nannte er eine Arge in Gelsenkirchen, der es dank des guten Personals gelungen sei, Jugendliche so zu qualifizieren, dass die Jugend-Arbeitslosenquote in der Stadt innerhalb eines Jahres um 30 Prozent gesunken sei.

Die Führungskräfte in den Jobcentern achteten darauf, dass ihre Mitarbeiter differenzierten - "von großer Liebe und Fürsorge bis hin zu Strenge, wenn man merkt, da gibt sich jemand nicht Mühe", sagte Weise. "Diese Art der Geschäftsführung scheint sich sehr (von der in Optionskommunen) zu unterscheiden." Die Stärken der Kommunen seien dagegen Sozialberatung und weitere Hilfestellungen.

Streit seit 2007

Die Optionskommunen sind die Folge eines Kompromisses zwischen Union und der rot-grünen Bundesregierung. Diese führte Anfang 2005 im Zuge der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform die Argen bzw. Jobcenter ein, die von Kommunen und Arbeitsagenturen gemeinsam betrieben werden. Sie beendeten das Nebeneinander von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe.

Die Union setzte damals durch, dass 69 Städte und Landkreise - sogenannte Optionskommunen - die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Eigenregie in die Hand nehmen durften. Dieses Modell ist bis Ende 2010 befristet. 2007 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Mischverwaltung in den Jobcentern für grundgesetzwidrig. Seither wird über eine Neuregelung gestritten.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen