Grünen-Parteitag in Stuttgart Kein Konflikt um Castor-Proteste
10.03.2001, 09:37 UhrZu Protesten gegen den Castor-Transport, die sich gegen den Atom-Konsens richten, werden die Grünen nicht aufrufen. Im Sinne eines raschen Atomausstiegs wollen die Grünen sich jedoch "an den Protesten der Anti-Atom-Bewegung in Ahaus, Gorleben und anderswo" beteiligen.
Das sieht ein Beschluss vor, dem die Delegierten des Grünen-Bundesparteitags in Stuttgart mit großer Mehrheit zustimmten. Eine Zerreißprobe über die Haltung der Partei zu den Castor-Protesten wurde damit vermieden.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin, Parteichef Fritz Kuhn und seine neugewählte Co-Chefin Claudia Roth hatten die Partei zuvor eindringlich zur Zustimmung aufgerufen. "Ich finde es richtig, dass wir nicht zu Demonstrationen aufrufen, aber selbstverständlich werden Grüne teilnehmen", sagte Roth. Der Rücktransport von deutschem Atommüll ist Bestandteil des Atom-Konsenses. Für Ende März ist ein Castor-Transport nach Gorleben geplant.
Trittin versicherte, es werde in Gorleben "kein Endlager durch die kalte Küche" geben. Im Wendland richtet sich der Castor-Protest nicht nur gegen die Transporte, sondern vor allem gegen eine befürchtete Umwandlung des Zwischenlagers zum Endlager.
Vor der Debatte hatten einige Dutzend Atomkraftgegner Einlass in die Parteitagshalle verlangt. Sie wurden von der Polizei abgedrängt, bis eine Abordnung mit mehreren Delegierten samt der Protestplakate in den Saal einziehen durfte.
Fischer hält Plädoyer für Europäisierung
Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für eine Parlamentarisierung Europas hat Bundesaußenminister Joschka Fischer die Grünen aufgerufen, sich zu "europäisieren". Vor allem die Osterweiterung der Europäischen Union biete eine enorme Chance zu einer Demokratisierung der EU.
Auch die Partei müsse "Strukturen und Denken" europäisieren. Im Vorfeld der nächsten Wahlen zum Europaparlament sollten Grüne aus anderen Ländern zu Debatten hinzugezogen werden. "Wir als ökologische und demokratische Partei müssen das Erbe Europas aufnehmen und fortentwickeln", rief Fischer.
Trennung von Amt und Mandat
Zuvor hatten die Delegierten sich mit knapper Mehrheit bei zwei "urgrünen" Themen gegen die Parteispitze gestellt. Sie beschlossen, dass Minister der Partei nicht gleichzeitig Abgeordnete sein dürfen. Für Fischer und Trittin bleibt dieser Beschluss allerdings folgenlos, da die Regelung nicht rückwirkend gilt.
Asylrecht
Die Delegierten forderten außerdem, den Asylkompromiss von 1993 aufzukündigen. Demnach soll die Fraktion im Bundestag eine Gesetzesinitiative einbringen, wonach der Artikel 16 des Grundgesetzes wieder in seiner alten Fassung gelten soll. Auf die bundesdeutsche Rechtslage wird dieser Beschluss keine Auswirkungen habe, da für Grundgesetzänderungen eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag nötig ist.
Grün wählt Roth
Bereits am Freitagabend wurde Claudia Roth erwartungsgemäß zur neuen Vorsitzenden gewählt. Mit 91,5 Prozent der Stimmen erhielt sie ein für Grünen-Verhältnisse ungewohnt eindeutiges Ergebnis. Die Parteilinke Roth wird künftig gemeinsam mit dem "Realo" Fritz Kuhn die Partei führen.
n-tv.de überträgt den gesamten Grünen-Parteitag live.
Quelle: ntv.de