Gerüchte über Flugzeugabsturz Keine Spur von Assad - wo steckt Syriens flüchtiger Machthaber?


Die Familie von Assad soll Syrien bereits in der vergangenen Woche verlassen haben.
(Foto: picture alliance / ROPI)
Um kurz vor 4 Uhr deutscher Zeit erreicht die Offensive der islamistischen Rebellen ihren bisherigen Höhepunkt. Syrische Netzwerke und Rebellen vermelden, dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad die Flucht ergreift und die Hauptstadt Damaskus mit unbekanntem Ziel verlässt. Doch seitdem fehlt von dem Autokraten jede Spur. Hat er es womöglich nie zur Grenze geschafft? Ein vom Radar verschwundenes Flugzeug und Berichte von anonymen Quellen nähren das Gerücht, Assad könnte tot sein. Hier die wichtigsten Fragen im Überblick:
Wie sicher ist, dass Assad Syrien tatsächlich verlassen hat?
Dass Baschar al-Assad das Land verlassen wollte, ist gesichert. Die entsprechenden Angaben stammen von der für gewöhnlich gut informierten Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Großbritannien. Diese berief sich auf syrische Offiziere in Damaskus. Assad habe Syrien über den internationalen Flughafen von Damaskus verlassen, erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, am frühen Morgen. Die Organisation stützt sich auf ein Netz von Informanten in Syrien.
Wenig später wurde die Flucht von der syrischen Rebellen-Allianz bestätigt. "Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen", teilten die Aufständischen in sozialen Medien mit. "Wir verkünden, dass die Hauptstadt Damaskus befreit wurde."
Zu dieser Darstellung passen Berichte westlicher Medien. Am Samstagabend meldete das Wirtschaftsportal Bloomberg unter Berufung auf gut informierte Quellen, dass Assad über die Vereinigten Arabischen Emirate versucht habe, Kontakt zur US-Regierung aufzunehmen. Im Gegenzug für eine sichere Passage ins Exil soll der Machthaber den USA angeboten haben, alle Verbindungen zu militanten Gruppen wie der Hisbollah abzubrechen.
Einen Grund, in Syrien zu bleiben, hatte Assad im Angesicht der Blitzoffensive der Rebellen nicht mehr: Seine Familie soll das Land bereits in der vergangenen Woche in Richtung Russland verlassen haben.
In welche Länder könnte Assad geflohen sein?
Als die Flucht vermeldet wurde, hieß es, Assad habe Syrien mit unbekanntem Ziel verlassen. Als Fluchtziel kommt Russland infrage, wo sich bereits die Familie des Machthabers aufhalten soll. Aus Moskau gibt es dazu keinen Kommentar. Das russische Außenministerium erklärte am Mittag lediglich, dass Assad außer Landes geflüchtet sei.
Als Fluchtziel kommen weiterhin die Vereinigten Arabischen Emirate infrage. Dorthin soll sich ein Schwager von Assad abgesetzt haben. Zu den militärischen Verbündeten des Machthabers zählte zudem der Iran, der Assad im blutigen Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung unterstützt hatte.
Frühere Regierungsmitglieder können Berichten zufolge keine Auskunft zu dieser Frage liefern. Assad habe sein Kabinett im Unklaren über seinen Fluchtplan gelassen, behaupten syrische Sicherheitsbeamte. Viele seiner loyalen Militärangehörigen habe der Machthaber ebenfalls nicht informiert.
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Was hat es mit dem Gerücht auf sich, Assad könnte bei einem Flugzeugabsturz gestorben sein?
Lebt Assad überhaupt noch? Diese Tatsache stellt Reuters infrage. Im Syrien-Ticker der Nachrichtenagentur hieß es am Vormittag kurz und knapp: "Zwei syrische Quellen sagten, es sei sehr wahrscheinlich, dass Assad bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sei."
Der Hintergrund ist ein rätselhaftes Flugzeug, das am Abend vom Flughafen Damaskus abhob, und zwar zu dem Zeitpunkt, als die Rebellen in die syrische Hauptstadt einmarschierten. Wenig später machte das Flugzeug eine überraschende Kehrtwende nahe der Stadt Homs, verlor laut den Daten der Flugseite Flightradar plötzlich an Höhe und verschwand von der Landkarte. Gerüchte besagen, es habe sich bei dem Flugzeug um die Fluchtmaschine von Assad gehandelt.
Ob dem tatsächlich so ist, lässt sich derzeit weder dementieren noch bestätigen. Das Verifizierungsteam von ntv kann zu diesem Zeitpunkt nur festhalten, dass am Abend eine Maschine auf dem internationalen Flughafen von Damaskus gestartet und später vom Radar verschwunden ist. Es bezeichnet die Daten von Flightradar als "nur bedingt aussagekräftig", da das Tracking der Maschine "ungewöhnlicherweise" erst in der Luft beginnt und auch endet.
Die Verifizierungsexperten weisen zudem darauf hin, dass man den Tracker eines Flugzeugs ausschalten könne, wenn man wisse, wie. Allerdings steigt am Ende der Datenaufzeichnung die Geschwindigkeit der Maschine an, während die Höhe abnimmt. Das suggeriert, dass die Piloten ein Erreichen des Bodens verhindern wollten.
Unklar bliebe aber selbst in diesem Fall immer noch: Befand sich Assad tatsächlich an Bord des Flugzeugs? Solange weder Aufnahmen eines Abschusses veröffentlicht noch Wrackteile gefunden werden, scheint ein Absturz unwahrscheinlich. Flightradar selbst gibt zudem an, dass sich die Maschine in einem Gebiet befand, in dem es zu GPS-Störungen kam, sodass die Daten fehlerhaft sein könnten.
Was spricht für einen Flugzeugabsturz?
Bisher gibt es abgesehen von den ungewöhnlichen Flightradar-Daten keinerlei Belege für einen Absturz. Erst vor einem halben Jahr starb allerdings der iranische Präsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz. Im Sommer 2023 wurde das Flugzeug von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin laut westlichen Geheimdiensten abgeschossen. Ob Zufall oder nicht, der Iran und Russland waren in den vergangenen Jahren die engsten Verbündeten Assads.
Genährt wird die Gerüchteküche zudem vom Schweigen des syrischen Machthabers. Eine für Samstagabend geplante Rede im syrischen Fernsehen wurde ohne Angaben von Gründen gestrichen. Seit seiner Flucht fehlt von Assad jede Spur - und diese liegt inzwischen bereits viele Stunden zurück.
Quelle: ntv.de