Konkrete Maßnahmen fehlen Klimagesetz stößt auf breite Kritik
12.05.2021, 13:29 Uhr
Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien "klemmt es überall", bemängelt die Energiewirtschaft.
(Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild)
Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts reagiert die Bundesregierung schnell und legt ein neues Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigeren Zielen als bisher vor. Doch weder Umweltschützer noch die Wirtschaft sind zufrieden. Sie vermissen konkrete Maßnahmen.
Das Bundeskabinett hat das neue Klimaschutzgesetz beschlossen, das deutlich verschärfte Ziele für den Treibhausgasausstoß enthält. Dem Entwurf zufolge sollen die Emissionen in Deutschland bis 2030 um 65 Prozent und bis 2040 um 88 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht sein. Mit dem neuen Gesetz will die Regierung Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen und die deutschen Emissionsziele an die verschärften Regeln der EU anpassen.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte im ARD-"Morgenmagazin", das Gesetz sei ein "wirklich wichtiger Rahmen", da es Klimaschutz rechtlich verbindlich mache. "Niemand soll sich mehr wegducken können." Die Hauptlast für die früheren CO2-Einsparungen sollen dem Gesetzentwurf zufolge die Energiebranche und die Industrie tragen. Die Regierung will ein nächstes Sofortprogramm mit Maßnahmen in den nächsten zwei Wochen vorstellen.
Wenn ein vorgegebenes Ziel nicht erreicht werde, wie dieses Jahr im Gebäudesektor, "dann muss sofort nachgearbeitet werden", so Schulze. Dann müssten die zuständigen Minister - in dem Fall für Bau und Wirtschaft - ein Sofortprogramm vorlegen. Sie müssten sagen, wie sie die Zielverfehlung, die sie hatten, ausgleichen wollen. Hierzu müssten die Minister innerhalb von drei Monaten etwas erarbeiten.
"Aktuell klemmt es überall"
Die Debatte um das Gesetz ist mit dem Kabinettsbeschluss allerdings keineswegs beendet. Die Opposition, Wirtschaftsverbände und Umweltschützer fordern Nachbesserungen. Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, warf der Koalition vor, dass sie trotz des Klima-Urteils des Bundesverfassungsgerichts den Weg hin zu den Klimaschutzzielen noch immer nicht klar benenne. "Zukünftige Generationen haben ein Recht auf Zukunft, und heutige Generationen sind in der Verantwortung, dieses Recht zu sichern", sagte Baerbock im ARD-Morgenmagazin. Zwar sei es eine gute Nachricht, dass jetzt alle demokratischen Parteien sagten, man müsse mehr tun. Aber die Umweltministerin sage lediglich, man habe jetzt einen Rahmen für die Klimaziele.
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte die Bundesregierung nun auf, endlich die konkreten Maßnahmen zu benennen, um die Klimaziele zu erreichen. "Klimaschutz entsteht nicht durch Ziele, sondern durch Investitionen. Das muss nun zwingend folgen", erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Was schon seit Langem völlig fehle, sei die Übersetzung der Ziele in konkrete Instrumente, die das Erreichen ambitionierter Vorgaben auch wirklich ermöglichen. "Aktuell klemmt es überall: Investitionen in den Ausbau der Windenergie an Land stocken, weil Flächen fehlen und Genehmigungsverfahren viel zu lange dauern", sagte Andreae.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) machte deutlich, dass die Finanzierung der Energiewende auf eine gerechtere Grundlage gestellt werden und den Klimaschutz deutlicher in den Fokus nehmen müsse. "Die EEG-Umlage belastet Privatverbraucher und Handelsunternehmen überproportional hoch. Deshalb sollte der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie besser über den CO2-Preis bezahlt werden", fordert der HDE.
BUND: Paris-Abkommen nicht erfüllt
Die Immobilienwirtschaft mahnte, dass das Aufkommen aus der CO2-Bepreisung für den Ausstoß des klimafeindlichen Kohlendioxids im Gebäudesektor nicht ausschließlich zur Senkung der EEG-Umlage genutzt und somit zweckentfremdet werden dürfe. Die EEG-Umlage dient zur Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energie, die Kohleverstromung und Kernenergie ersetzen sollen. "Der Gebäudesektor muss auch aus diesen Mitteln Unterstützung für dieses ambitionierte Projekt erhalten. Dann können wir auch auf dem erfolgreich eingeschlagenen Weg zügig vorankommen", forderte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft.
Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), erklärte, dass die Bundesregierung deutlich mehr tun müsse, um die Klimaziele zu erreichen. "Der Gesetzentwurf ist zwar deutlich besser als das bisherige Klimagesetz. Insbesondere die Verschärfung der Sektorziele bis 2030 ist zu begrüßen. Aber besser ist noch nicht gut genug, denn der Entwurf bleibt immer noch hinter dem notwendigen Maß an Klimaschutz zurück", so Bandt. Selbst das von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Petersberger Klimadialog angekündigte Ziel von Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 erfülle nicht die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens.
"Wir können es uns nicht leisten, noch einmal ein zu schwaches Klimaschutzgesetz zu beschließen. Die Bundesregierung muss jetzt nachbessern und noch in dieser Legislaturperiode die Weichen auf wirksamen Klimaschutz stellen: weniger als Klimaneutralität bis 2040 darf dabei nicht herauskommen", so Bandt. Darüber hinaus brauche es klar definierte Sektor- und Zwischenziele.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP