"Ypsilanti macht, was sie will" Koalitionsbruch abgeblasen
01.09.2008, 15:55 UhrNach den jüngsten Äußerungen führender Unionspolitiker über ein mögliches Ende der Großen Koalition im Bund hat die SPD dazu eine Klarstellung der Unionsspitze und auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich verlangt. "Wir erwarten, dass dieses unverantwortliche Gerede aufhört", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nach einer Sitzung des SPD-Parteivorstands. Er hob zugleich hervor, dass die SPD das Regierungsbündnis nicht vorzeitig beenden wolle. Zugleich wurde deutlich, dass die SPD fest mit der Wahl Andrea Ypsilantis zur Ministerpräsidentin von Hessen rechnet.
Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hatte dazu aufgerufen, die Große Koalition im Bund zu beenden, sollte die SPD in Hessen eine Regierung mit Unterstützung der Linken bilden. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) stellte für diesen Fall das Regierungsbündnis im Bund in Frage.
Kanzlerin lässt beschwichtigen
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte derweil, die Bundesregierung sehe die Koalition im Bund durch die politische Entwicklung in Hessen nicht infrage gestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Union und SPD sei unverändert "gut und konstruktiv", sagte Wilhelm. Sie sei geprägt vom festen Willen der Beteiligten, "eingedenk ihrer Verantwortung für das Votum der Wähler" dieser Verantwortung für diese Wahlperiode nachzukommen und die Politik im Interesse des Landes fortzusetzen.
Auch die CDU-Spitze erklärte, sie wolle an der Großen Koalition festhalten. Merkel und das CDU-Präsidium distanzierten sich klar von Müllers und Wulffs Gedankenspielen. Dennoch verschärfte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nach der Präsidiumssitzung abermals den Ton gegenüber der SPD. Er sprach von einer Selbsterniedrigung der SPD vor der Linkspartei. "Bei der SPD brechen bundesweit in Ost und West die Dämme." Den stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und potenziellen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier forderte Pofalla auf, das Werben der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti um die Linkspartei zu stoppen.
Müller schweigt
Pofalla betonte aber auch, dass alle Mitglieder des CDU-Präsidiums gegen einen Bruch der Koalition in der laufenden Legislaturperiode seien. "Die CDU wird weiter dafür sorgen, dass diese Regierung ihre Arbeit bis zum Herbst 2009 verantwortungsvoll erfüllt." Als Projekte der großen Koalition zählte er die Reform der Erbschaftssteuer, die Arbeitnehmerkapitalbeteiligung, die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, die Entlastung der Familien, die Föderalismusreform II und die Haushaltssanierung auf. An der Sitzung nahm Wulff nicht teil. Müller soll sich nach Teilnehmerangaben nicht geäußert haben.
SPD rechnet fest mit Wahl Ypsilantis
Unterdessen stellt sich die Bundes-SPD auf einen Machtwechsel in Hessen mit Unterstützung der Linkspartei ein. SPD-Chef Kurt Beck erklärte vor dem Präsidium der Partei, es wäre nicht das Schlechteste, wenn in den kommenden Monaten bei der SPD "der eine oder andere Ministerpräsident" dazu kommen würde. Es sei selbstverständlich, dass eine Ablösung von CDU-Amtsinhaber Roland Koch gut für Hessen sei.
Laut Teilnehmern vermied Beck bei den Beratungen offene Kritik an der Hessen-SPD um ihre Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti. Er bekräftigte den SPD-Vorstands-Beschluss, dass über Koalitionen auf Länderebene "vor Ort" entschieden werde. Kritik musste während der Sitzung SPD-Vize Peer Steinbrück einstecken: Die linken SPD-Mitglieder Hermann Scheer und Gernot Grumbach waren mit der Einschätzung des Finanzministers, die hessische SPD stehe bei der angestrebten Regierungsübernahme vor der Wahl "zwischen Pest und Cholera", nicht einverstanden.
Aber auch der konservative SPD-Flügel signalisierte, er werde sich mit dem Vorgehen der Hessen-SPD abfinden. "Letztendlich hat Frau Ypsilanti gezeigt, dass sie macht, was sie will, egal was es die Bundesebene kostet", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, im WDR. Wichtig sei deshalb, dass erkennbar bleibe, "dass Hessen ein Sonderfall ist und mit der Bundesebene nichts zu tun hat".
Quelle: ntv.de