Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge Kommunen fordern volle Erstattung der Kosten
11.03.2022, 10:21 Uhr
Flüchtlingszentrum am Münchner Hauptbahnhof: Täglich kommen Tausende Menschen aus dem Kriegsgebiet auch in Deutschland an.
(Foto: dpa)
Vermutlich weit über 100.000 ukrainische Flüchtlinge sind in Deutschland angekommen, die Aufnahme und Versorgung übernehmen die Kommunen. Die wollen nun, dass Bund und Länder dafür bezahlen und drängen auf eine "möglichst gleichmäßige Verteilung" der Menschen.
Die Städte und Gemeinden in Deutschland haben den Bund und die Länder aufgefordert, die Kosten für die Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge in voller Höhe zu übernehmen. "Wir erwarten von Bund und Ländern, dass sie den Kommunen die für Unterbringung, Versorgung, Kita, Schule und medizinische Betreuung anfallenden Kosten voll erstatten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post".
Gleichzeitig mahnte er eine "möglichst gleichmäßige Verteilung" auf die Länder und dann auch auf die Kommunen nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel an. Dieser Schlüssel bestimmt die Anteile der einzelnen Bundesländer nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl. Zur besseren Koordinierung solle ein Expertenrat auf Bundesebene eingerichtet werden - ähnlich wie für die Corona-Pandemie. Derzeit gelinge es noch, ausreichend Wohnraum für die Geflüchteten zur Verfügung zu stellen, meinte Landsberg.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte der "Passauer Neuen Presse", es gehe jetzt verstärkt darum, die Flüchtlinge so unterzubringen, dass sie über das ganze Land verteilt würden. "Es braucht eine solidarische Aktion aller Städte und Gemeinden. Das aber setzt voraus, dass der Bund und die Länder bestimmte Verteilregeln in Kraft setzen." Er fügte hinzu: "Die Aufgabe für unser Land könnte größer werden als 2015." Dedy betonte zugleich: "Wir kriegen das irgendwie hin."
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, will das Thema Flüchtlinge auf die Agenda der Beratungen der Länderchefs und -chefinnen mit dem Bund setzen. "Wir müssen im engen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen zentrale Fragen klären und in geordnete Verfahren kommen", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". Dazu müsse auch über finanzielle Unterstützung für Länder und Kommunen gesprochen werden.
Giffey setzt auf Bundeswehr-Hilfe
Der Hausärzteverband forderte unterdessen eine rasche Ausstattung der Flüchtlinge mit elektronischen Gesundheitskarten. "Das würde die Versorgung deutlich vereinfachen", sagte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, der Funke-Mediengruppe. Man habe damit bereits während der Flüchtlingskrise 2015 gute Erfahrungen gemacht. Das derzeitige System, bei dem Menschen durch die Kommunen Behandlungsscheine erhalten, könne keine dauerhafte Lösung sein.
In Deutschland haben die Behörden bis Freitag rund 109.000 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Wegen fehlender Grenzkontrollen könnten die Zahlen aber auch wesentlich höher sein, hieß es vom Bundesinnenministerium. Besonders betroffen ist - unter anderem wegen ihrer Lage nahe der polnischen Grenze - die Hauptstadt Berlin. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey setzt daher neben Hilfe des Bundes auch auf Unterstützung der Bundeswehr. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir jeden Abend 1000 Betten in der Stadt brauchen", sagte die SPD-Politikerin im Berliner Abgeordnetenhaus.
Die Bundesregierung arbeitet bei der privaten Aufnahme von Geflüchteten auch mit der gemeinnützigen Organisation des US-amerikanischen Unterkunfts-Vermittlers Airbnb zusammen. Von den inzwischen weit über zwei Millionen Menschen, die seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine vor zwei Wochen das Land verlassen haben, hält sich der Großteil in Polen, Moldau, Ungarn, Rumänien und der Slowakei auf. Allein in Polen sind es nach Angaben des Grenzschutzes mehr als 1,4 Millionen Flüchtlinge.
Quelle: ntv.de, jog/dpa