Politik

Eklat um Corona-Schutzmaßnahmen Länder sind entsetzt und Scholz versteht es nicht

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Hendrik Wüst befindet sich in Jerusalem in Quarantäne und wurde per Video zugeschaltet.

(Foto: picture alliance/dpa/POOL AP)

Im Schatten der Ukraine-Krise verkrachen sich Bund und Länder gründlich über die Corona-Politik. Sämtliche Ministerpräsidenten sind unzufrieden über den Wegfall der meisten Schutzmaßnahmen. Der Bundeskanzler zeigt sich unbeeindruckt.

Die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder mit dem Bundeskanzler ist mit einem tiefen Zwist über den Fortgang der Pandemiepolitik zu Ende gegangen. Die für diesen Freitag geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die eine weitgehende Aufhebung der bisherigen Corona-Maßnahmen bedeutet, lässt die Regierungen der Bundesländer unzufrieden zurück.

"Der Bund trägt jetzt die Verantwortung dafür, dass den Ländern Instrumente für einen schnellen und erfolgreichen Basisschutz genommen werden", erklärte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst auf der anschließenden Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey.

Die von der Ampelkoalition vereinbarte Novelle überlässt es den Bundesländern, bei Feststellung von sogenannten Hotspot-Regionen über das Infektionsschutzgesetz hinausgehende Schutzmaßnahmen zu verhängen. Der aus seiner Corona-Quarantäne in Israel zugeschaltete Wüst kritisierte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz, durch dieses Vorgehen werde es "viel zu kompliziert, schnell zu reagieren". Und: "Die Regelungen des Gesetzentwurfes sind rechtlich unsicher und praktisch nicht umsetzbar." In einer Protokollerklärung zur Ministerpräsidentenkonferenz schlossen sich fünf weitere CDU-regierte Bundesländer sowie das von der CSU regierte Bayern und das grün-regierte Baden-Württemberg Wüsts scharfer Kritik an.

Scholz: Maske bitte freiwillig tragen

Scholz stellte seinerseits fest, dass die Krankenhäuser trotz hoher Infektionszahlen nicht überlastet seien. Die Infektionen verliefen in den allermeisten Fällen "nicht so kompliziert, wie das in den vergangen Jahren der Fall" gewesen sei. "Nun treten wir in dieser Pandemie in eine neue Phase ein, in der wir - wie fast alle unsere Nachbarländer - auf die meisten Schutzmaßnahmen verzichten werden." Zugleich appellierte er an die Bürger, gewohnte Schutzmaßnahmen einzuhalten und "freiwillig zum eigenen Schutz auch Maske zu tragen, wo das nach eigenem Gefühl auch Sinn macht".

"Ganz klar, die Länder wünschen sich da auch noch mehr", räumte Scholz ein, allerdings ohne zu begründen, warum die Bundesregierung ihnen nicht mehr bundeseinheitliche Schutzmaßnahmen gewähren möchte. Es gilt als allgemein bekannt, dass der Ampelpartner FDP auf eine weitgehende Lockerung bestand. Dass Wüst selbst mit der FDP in Nordrhein-Westfalen regiert, war kein Thema seiner Ausführungen. Scholz' Umschreibung für den handfesten Konflikt zwischen Bund und Ländern lautete, es habe "so viele Ansichten" zum Thema gegeben. "Wir glauben, dass man mit dieser Regelung alles tun kann, was notwendig ist", stellte er fest.

Kein Land ist zufrieden

Vom Ampelkurs abweichende Ansichten haben auch die SPD-geführten Bundesländer. Diese sind sich ihrer Protokollerklärung zufolge "einig, dass die Pandemie nur im gemeinsamen Wirken von Bund, Ländern und Kommunen bewältigt werden kann", lautet die im Vergleich zu den Unionsländern vorsichtiger formulierte Kritik. "Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat das Maske-Tragen eine hohe Wirksamkeit und stellt nur einen geringen Eingriff in die individuelle Freiheit dar", betonen die SPD-Ministerpräsidenten weiter. Die Maskenpflicht soll trotzdem außerhalb der öffentlich Verkehrsmittel und der Betreuungseinrichtungen fallen.

Zudem vermissen die SPD-Länder in ihrer Erklärung konkretere Vorgaben des Bundes, anhand derer die Länder künftig eine Gefahrenlage zur Begründung schärferer Schutzmaßnahmen feststellen könnten. Flächenländer würden es künftig schwer haben, "regionale Hotspots" festzustellen, erklären auch diese sogenannten A-Länder. Sozialdemokratin Giffey umschiffte es möglichst, neben dem Kanzler sitzend, den Ampelkurs zu kritisieren. "Es ist nicht angezeigt, trotz steigender Ansteckungsraten und Hospitalisierungen, die möglichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung grundlegend einzuschränken", stellt das vom Linken Bodo Ramelow regierte Thüringen in einer eigenen Protokollerklärung fest.

Damit ist am Ende der MPK festgehalten, dass durchweg alle Länder unglücklich sind mit dem kommenden Infektionsschutzgesetz. Scholz verwies darauf, dass die Ampel bei einer Verschlechterung der Infektionslage das Gesetz wieder neu beraten könne. Er appellierte noch einmal an den Bundestag, dass ein Impfpflicht zustande kommen müsse. "Sie wissen, dass unabhängig von der Parteifarbe alle 16 Ministerpräsidenten (…) bekundet haben, dass sie für eine solche Impfpflicht sind. Dann wäre es ja etwas merkwürdig, wenn - obwohl all diese Parteien im Bundestag vorhanden sind - ein Gesetz nicht zustande käme." Wer wollte, hätte diese Logik auch auf das Infektionsschutzgesetz anwenden können.

Quelle: ntv.de

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