Trotz magerer Umfragewerte Lang sieht gute Chancen für Habeck als Kanzlerkandidat
21.07.2024, 16:54 Uhr Artikel anhören
In einem robusten Setting: Ricarda Lang beim Sommerinterview.
(Foto: dpa)
Sollten die dümpelnden Grünen einen Kanzlerkandidaten stellen? Grünen-Chefin Lang will sich dies noch offen halten. Wer für das Amt infrage käme, ist für sie allerdings klar. Zugleich bemüht sie sich um eine Erklärung für das schlechte Abschneiden der Grünen bei den jüngsten Wahlen.
Parteichefin Ricarda Lang hält die Aufstellung eines Kanzlerkandidaten der Grünen zur nächsten Bundestagswahl trotz derzeit schwacher Umfragewerte grundsätzlich offen. "Wir sehen, dass das Parteiensystem sich schon grundlegend verändert hat", sagte sie im Sommerinterview des ZDF. Wenn nur noch Parteien mit 30 Prozent es machen könnten, hätte man jetzt genau eine Kanzlerkandidatur, sagte Lang mit Blick auf die Union. "Ich glaube, das wäre nicht so gut für die Demokratie."
Lang zufolge hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dabei gute Chancen, Kanzlerkandidat zu werden. Die Entscheidung dazu stehe zwar noch aus und werde noch in diesem Jahr gefällt, sagte die Co-Vorsitzende. Auf die Frage allerdings, ob es noch jemand anderes außer Habeck gebe, der infrage komme, sagte Lang: "Ich sehe gerade niemanden." Man werde mit einer Person an der Spitze in den Wahlkampf ziehen, "weil wir wissen, dass uns das hilft, sowohl was Vertrauen angeht, als auch was Klarheit angeht". Aber das werde noch entschieden. Über ein Jahr vor der Wahl würden sich die Menschen allerdings nicht für Personalfragen interessieren, sagte Lang.
Habeck gilt als klarer Favorit für eine mögliche Kanzlerkandidatur, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock erklärt hatte, nicht erneut dafür antreten zu wollen. Mit ihr als Kanzlerkandidatin waren die Grünen bei der Bundestagswahl 2021 auf 14,7 Prozent gekommen.
Lang fügte hinzu, dass die Grünen sich mit ihren Umfragewerten von derzeit 13 Prozent natürlich nicht zufriedengeben könnten. "Wenn wir sagen, wir wollen für die Breite des Landes Politik machen, dann muss das wieder mehr werden. Und daran arbeiten wir jetzt." Hinsichtlich einer möglichen Koalition sagte Lang mit Blick auf die Wiederwahl der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU, die die Grünen unterstützt hatten: "Wir als Grüne haben bewiesen, dass wir verlässliche Partner sind."
"Wir waren zu sehr im Krisenmodus gefangen"
Die jüngsten Verluste ihrer Partei und die Zugewinne der AfD bei Jungwählern führte Lang auch auf Enttäuschungen nach der Coronapandemie zurück. "Wir waren zu sehr im Krisenmodus gefangen", sagte sie. Nach der Pandemie habe sich der Fokus sehr schnell auf die Folgen des Ukraine-Kriegs für Deutschland verlagert - die Interessen der Jugendlichen seien dabei zu kurz gekommen.
"Da hatten viele junge Menschen das Gefühl 'Und wo bleiben wir? Sieht man eigentlich, was wir geleistet haben, was wir entbehrt haben und kommt da von der Politik noch was?'", sagte Lang weiter. "Corona war für viele junge Menschen nochmal einschneidender als für viele Erwachsene."
Bei der Bundestagswahl im zweiten Corona-Jahr 2021 hätten viele junge Menschen Hoffnungen in die Grünen und die FDP gesetzt, die damals am besten bei Erstwählern abschnitten. "Das Versprechen haben wir nicht eingelöst", kritisierte Lang die Politik ihrer Partei. Nun müssten die Bedürfnisse junger Menschen wieder in den Fokus gerückt werden, mahnte Lang. Sie nannte etwa die Bildungspolitik. Bei der Europawahl im Juni hatten die Grünen hohe Verluste hinnehmen müssen, die auch auf einen Einbruch bei den Stimmen von jungen Wählern zurückzuführen waren. Überdurchschnittlich stark schnitt in der Wählergruppe dagegen die AfD ab.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP/rts