Lahmes Duell in NRW Laschet greift Kraft einfach nicht richtig an
02.05.2017, 23:17 Uhr
Immer schön freundlich: Wahlplakate mit Laschet und Kraft in NRW.
(Foto: dpa)
Am 14. Mai wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. In vielen Kerndaten steht das Bundesland höchst bescheiden da. Grund für den CDU-Herausforderer Laschet, im TV-Duell mal so richtig auf den Putz zu hauen. Es bleibt beim Versuch.
Die Ausgangslage bei dieser Landtagswahl ist ungleich. Erwartet wird ein Sieg der Amtsinhaberin. Die SPD liegt in Nordrhein-Westfalen der jüngsten Umfrage zufolge bei 35 Prozent, die CDU bei 29 Prozent. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – wie das bei Regierungschefs und -chefinnen in der Regel so ist – ist beliebter und bekannter als der Oppositionsführer.
Armin Laschet hat bei dieser Wahl folglich nicht viel zu verlieren. Gleiches gilt für das TV-Duell, das er sich am Dienstagabend im WDR mit Kraft liefert. Wenn er gelegentlich einen Stich machen kann, hat er das Duell gewonnen.
Um es kurz zu machen: Die Chance hat er vertan. Laschet versucht zwar immer wieder, Kraft in die Enge zu treiben. Aber dabei wirkt er nicht, wie ein Herausforderer wirken sollte – angriffslustig, aber nicht aggressiv, kompetent, aber nicht arrogant. Laschet wirkt wie jemand, der es eben nur versucht.
Kraft kann damit die Rolle geben, die sie am liebsten spielt: die der Landesmutter. Damit hat sie auch gut zu tun, denn Nordrhein-Westfalen, das ist bekannt, ist in vielen Bereichen nicht gerade ein Vorzeige-Bundesland. Krafts Strategie: Defizite einräumen, Verbesserungen ankündigen. Wirkliches Kontra von den Moderatorinnen muss weder sie noch Laschet befürchten. Diese – immerhin Chefredakteurinnen des Senders – begnügten sich weitgehend damit, ihre Fragen vorzutragen.
Das beliebte NRW-Argument lässt Laschet einfach stehen
"Wir haben eine Menge geschafft, aber es gibt auch noch eine Menge zu tun", ist Krafts Parole im Wahlkampf. Das zieht sich auch durch diesen Abend. Über die sehr hohen Zahlen bei Einbrüchen in Nordrhein-Westfalen sagt sie: "Die Zahlen haben uns nicht ruhen lassen, wir haben neue Methoden eingesetzt. Wir sind gerade jetzt in der Statistik für dieses Jahr um 30 Prozent noch mal nach unten gekommen, aber das Niveau ist in der Tat noch zu hoch." Die Landesregierung habe mehr Polizisten ausgebildet und wolle auch künftig mehr Polizisten einstellen.
Laschet rechnet vor, wie schlimm es wirklich ist. "144 Einbrüche pro Tag, mehr als in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zusammen." NRW habe 22 Prozent der Einwohner Deutschlands, aber 38 Prozent der Einbrüche. "Ich will, dass Nordrhein-Westfalen so sicher ist wie andere Bundesländer." Konkret fordert Laschet verdachtsunabhängige Kontrollen, wie sie es in dreizehn Bundesländern gebe – nur in Bremen, Berlin und eben NRW nicht. Soweit läuft es gut für ihn. Dann kontert Kraft.
Sie sagt, die Schleierfahndung bringe nichts. Die ausländischen Einbrecherbanden seien sehr mobil und kämen nach Nordrhein-Westfalen, "weil wir die Hälfte aller Großstädte Deutschlands haben". Man fahre zum Einbruch halt nicht aufs Dorf. Es ist ein Argument, dass bei Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen beliebt ist, weil es auch bei Themen wie Arbeitslosigkeit, Bildung und Integration funktioniert: NRW ist ein Land mit vielen Großstädten und entsprechenden Problemen. Laschet könnte das jetzt beiseite wischen und einfach einen neuen Angriff starten. Das tut er nicht. Stattdessen erklärt er den Unterschied zwischen anlassbezogener und verdachtsunabhängiger Kontrolle. Unterm Strich bleibt: Kraft will mehr Polizisten einstellen, Laschet auch.
Laschet hat einen Experten – Kraft hatte ihn schon
Noch schlechter läuft es für Laschet beim nächsten Thema, den Salafisten. Deren Zahl habe sich seit Antritt der rot-grünen Regierung versechsfacht, sagt der CDU-Spitzenkandidat. Er habe für eine Reformkommission seiner Partei den Terrorismus-Experten Peter R. Neumann gewonnen, denn wenn die Terrormiliz IS in Syrien und dem Irak besiegt sei, dann beginne die Gefahr aus deutscher Sicht erst, dann kämen die Dschihadisten zurück. Punkt für Laschet? Immerhin ist Neumann ein renommierter Fachmann, er lehrt am King's College in London und taucht regelmäßig in deutschen Medien auf. Nein, kein Punkt. Neumann sei schon 2015 als Berater in ihrem Kabinett gewesen, sagt Kraft beiläufig. Er habe der Landesregierung geraten, die präventiven Programme hochzufahren. "Das haben wir gemacht."
Nicht einmal mit dem Fall des Terroristen Anis Amri, der den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt begangen hat und in NRW gemeldet war, kommt Laschet wirklich weiter. Die Moderatorinnen unterbrechen ihn – der Streit wird ihnen zu detailreich. Zuschauer, die ohnehin nicht viel von Kraft und ihrem Innenminister Ralf Jäger halten, werden sich von Laschet bestätigt fühlen. Wer politisch zur SPD tendiert, wird seine Meinung an diesem Abend nicht mehr ändern.
So geht es auch bei anderen Themen weiter. Entweder sind Kraft und Laschet einer Meinung, wie beim Themenkomplex Islam, Flüchtlinge und Einwanderung. Oder Laschet schafft es nicht, die Unterschiede klar zu benennen. Die Gebührenfreiheit für Kita-Kinder lehnt die CDU ab, weil sie eine Milliarde Euro kostet. Angesichts einer Neuverschuldung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro sei das "mittelmäßig gut" angelegtes Geld. Mit mehr Lust an der Attacke hätte man das schärfer formulieren können.
Kraft kommt mit Phrasen durch
Und so kommt Kraft mit ein paar beschwichtigenden Phrasen durch. Vier Mal sagt sie den Satz: "Das gehört zur Wahrheit dazu." Ihren Schlingerkurs beim acht- und neunjährigen Gymnasium verkauft sie als Wahlfreiheit. Beim Unterrichtsausfall kann sie Laschet sogar vorwerfen, ihr keine Vorschläge zu unterbreiten, wie sie das Problem lösen könnte – ein Thema, bei dem die grüne Bildungsministerin Sylvia Löhrmann vor allem auf Beschwichtigung zu setzen scheint. Ganz im Stile eine Oppositionspolitikerin sagt Kraft, man brauche mehr Lehrerinnen und Lehrer. Debatte beendet. Bei den Punkten Wirtschafts- und Verkehrspolitik läuft es für Laschet auch nicht besser.
Und jetzt? Wie die Wahl ausgeht, ist längst nicht ausgemacht. In der letzten Umfrage von Forsa für zwei Kölner Lokalzeitungen führt die SPD zwar deutlich. Aber eine Erhebung von Infratest Dimap für den WDR sah Union und SPD nur fünf Tage zuvor gleichauf bei 34 Prozent. Für eine Neuauflage von Rot-Grün dürfte es keinesfalls reichen, dafür sind die Grünen zu schwach.
Am Ende des Duells sollen beide sagen, mit wem sie nach der Wahl koalieren wollen. Kraft sagt, sie halte die Linke nicht für regierungsfähig, schließt eine Koalition aber nicht aus, sondern erklärt, sie glaube gar nicht, dass die Partei in den Landtag komme. Mit anderen Worten: Sie gibt keine klare Antwort. Laschet betont, Rot-Grün sei schon nicht gut für Nordrhein-Westfalen, aber Rot-Rot-Grün wäre "ein wirkliches Desaster". Bevor er erklären kann, mit wem er selbst regieren möchte, ist die Sendung zu Ende. Die Moderatorinnen freuen sich, dass Laschet nur fünf Sekunden weniger gesprochen hat als Kraft. Wenigstens sie hatten einen schönen Abend.
Quelle: ntv.de