Papst in Jad Vaschem "Leiden nie leugnen"
11.05.2009, 18:44 UhrMit klaren Worten hat sich Papst Benedikt XVI. am ersten Tag seines Besuches in Israel gegen das Leugnen und Verharmlosen des Holocausts gewandt. "Mögen die Namen dieser Opfer niemals ausgelöscht werden! Mögen ihre Leiden niemals geleugnet, heruntergespielt oder vergessen werden! Mögen alle Völker guten Willens wachsam bleiben, indem sie aus dem Herzen der Menschen das tilgen, was zu solchen Tragödien führen könnte", sagte Benedikt während eines Besuches in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem.
"Ich bin gekommen, um in Stille vor diesem Monument zu stehen, das errichtet wurde, um die Erinnerung an die Millionen von Juden zu ehren, die während der schrecklichen Tragödie der Schoah getötet wurden", sagte der Papst weiter. "Sie haben ihr Leben verloren, aber sie werden niemals ihre Namen verlieren: Diese sind unauslöschlich in die Herzen ihrer liebenden Angehörigen, ihrer überlebenden Mithäftlinge und all jener eingraviert, die entschlossen sind, solche Schreckenstaten, die die Menschheit entehren, nie wieder zuzulassen. Vor allem sind ihre Namen für immer im Gedächtnis des Allmächtigen verankert."
Im Januar hatte die Aufhebung der Exkommunikation von vier traditionalistischen Bischöfen, zu denen auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson gehört, das Verhältnis des Vatikans zu Israel schwer belastet.
"Schrei gegen Gewalt"
Benedikt sprach das tiefe Mitgefühl der katholischen Kirche für die Opfer des Holocausts aus. "Während wir hier schweigend stehen, hat ihr Schrei noch ein Echo in unseren Herzen. Es ist ein Schrei gegen jeden Akt von Ungerechtigkeit und Gewalt. Es ist ein anhaltender Vorwurf gegen das Vergießen von unschuldigem Blut." Anders als von vielen Juden erhofft, ging Benedikt nicht auf die Rolle der Kirche während der Zeit der Judenvernichtung ein.
Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem erinnert an die Ermordung von sechs Millionen Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. Auf dem Boden in der "Halle der Erinnerung" sind stellvertretend für alle Orte der Judenvernichtung die Namen von 22 Konzentrationslagern eingraviert. Benedikt verneigte sich vor der ewigen Flamme und legte einen Kranz an jener Stelle nieder, an der die Asche von ermordeten Juden aufbewahrt wird.
"Seine Barmherzigkeit ist unerschöpflich"
"Mögen alle Völker guten Willens wachsam bleiben, indem sie aus dem Herzen der Menschen tilgen, was zu solchen Tragödien führen könnte", sagte der Papst. Die Kirche stehe jenen nahe, die heute Verfolgung wegen Rasse, Hautfarbe, Lebensbedingung oder Religion ausgesetzt sind. In das Besucherbuch der Gedenkstätte schrieb der Papst einen Vers aus den alttestamentarischen Klageliedern (3,22): "Seine Barmherzigkeit ist unerschöpflich".
Israels Präsident Schimon Peres hob die Bedeutung des Papst-Besuchs für den Frieden und religiöse Toleranz hervor. Geistliche Oberhäupter könnten Politikern den Weg ebenen und Hindernisse ausräumen, die auf dem Weg zum Frieden lägen. Zwischen dem Vatikan und den Juden gebe es nun Beziehungen aus Versöhnung und gegenseitigem Verständnis, sagte Peres. "Zu vergleichbaren Bemühungen mit der islamischen Welt ist unsere Tür offen."
Benedikt forderte eine "gerechte Lösung" für den israelisch-palästinensischen Konflikt und setzte sich für die Bildung eines in Frieden mit Israel existierenden Palästinenser-Staates ein. Die seit Ende März amtierende Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dieses auch von den USA angestrebte Ziel infrage gestellt.
Heikler Höhepunkt im Heiligen Land
Der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte zählte für Benedikt zu den heiklen Höhepunkten seiner einwöchigen Reise ins Heilige Land. Der Papst besuchte beispielsweise nicht das historische Museum von Jad Vaschem. Dort wird Pius XII. - im Amt von 1939 bis 1958 - als Papst dargestellt, der nicht genügend gegen die Judenverfolgung getan hat. Benedikt teilt diese Sicht nicht. Die geplante Heiligsprechung von Pius XII. hat zu einer schweren Belastung im Verhältnis von Juden zur katholischen Kirche sowie zwischen Israel und dem Vatikan geführt. Allerdings hatte Jad-Vaschem-Leiter Avner Schalev vor wenigen Tagen gesagt, die Gedenkstätte erwäge eine Neubewertung der Rolle von Pius XII. Schalev zufolge erhielt Jad Vaschem neue Dokumente aus dem Geheimarchiv des Vatikan, die das öffentliche Bild von Pius XII. "zutiefst verändern" könnten.
Am Mittwoch wird der Papst in einem Flüchtlingslager in Bethlehem im Westjordanland erwartet. Dort will er mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zusammenkommen. Zuvor hatte der Pontifex das benachbarte Jordanien besucht. Dort hielt er eine Freiluft-Messe vor Tausenden Christen und warb für ein stärkeres Verständnis zwischen Christen und Muslimen.
Quelle: ntv.de, dpa / rts / AFP