Verfassungsreferendum am Sonntag Malis Junta will ihre Macht zementieren
17.06.2023, 12:08 Uhr Artikel anhören
Stimmt mit "Ja": In Bamako trägt ein junger Mann T-Shirt und Basecap mit Werbung für das Referendum.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
In Mali wirbt die Militärregierung massiv für die Zustimmung zu einer neuen Verfassung. Sie ist die Voraussetzung für die Wahlen, die eigentlich schon 2022 hätten stattfinden sollen. Doch in der Bevölkerung macht sich Ernüchterung breit.
Malis Militärregierung will an diesem Sonntag mit einem Verfassungsreferendum einen ersten Schritt in Richtung Wahlen machen. Der Verfassungsentwurf stärkt die Kompetenzen des Präsidenten und ist damit auf Junta-Chef Assimi Goïta zugeschnitten, dessen Kandidatur bei den für 2024 geplanten Wahlen erwartet wird. Kritiker am Bundeswehr-Einsatz und den demokratischen Defiziten in dem westafrikanischen Land dürften sich bestätigt sehen.
Mit einer massiven Kampagne wirbt die Regierung seit Wochen für ein "Ja" bei dem Referendum. Handynutzer kriegen jeden Tag Text-Mitteilungen wie "Für ein souveränes Mali - Stimmen Sie mit Ja". Die Regierung gab diese Woche allen Beschäftigten extra einen Tag frei, damit sich möglichst viele zur Stimmabgabe registrieren können. Dazu beschwören Vertreter der Junta die Verfassung als Zeichen eines souveränen Malis, das sich vom angeblichen Joch der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich befreit habe.
Doch das Interesse der Malierinnen und Malier hält sich eher in Grenzen. Goïta hatte im Sommer 2020 mit einer Gruppe von Offizieren geputscht, nachdem die Vorgängerregierung Korruption und eine katastrophale Sicherheitslage nicht in den Griff bekommen hatte. Viele hatten letztes Jahr die Regierung unterstützt, als die Beziehungen zum im Lande unbeliebten Frankreich eskalierten. Seitdem hat sich aber zumindest bei Teilen der Bevölkerung eine Ernüchterung breitgemacht. Die Militärregierung war angetreten, um die Sicherheitslage zu verbessern und Dschihadisten zurückzudrängen - diese haben sich aber noch ausgebreitet. Im Norden, wo die Bundeswehr noch bis Mai 2024 als Teil einer UN-Blauhelmmission stationiert ist, ist der Islamische Staat auf dem Vormarsch.
Russische Söldner bewirken wenig
Frankreich hatte 2013 die Dschihadisten aus dem Norden vertrieben, die dort einen islamischen Staat einschließlich Händeabhacken für Diebe und anderer Strafen ausgerufen hatten. Diese kamen allerdings schnell zurück und haben sich in den letzten Jahren auch in anderen Landesteilen und Nachbarländern ausgebreitet. Als Mali die Zusammenarbeit mit Russland ausweitete und sich Söldner der berüchtigten Wagner-Gruppe ins Land holte, zog Frankreich ab. Deutschland und alle anderen westlichen Staaten, die zusammen mit Frankreich im Norden für etwas Stabilität gesorgt hatten, haben ebenfalls sukzessive ihren Rückzug von der UN-Mission angekündigt. Die Russen haben wenig bewirkt - ganz im Gegenteil: Ihre Brutalität treibt den Dschihadisten eher neue Freiwillige zu.
Der Kurs der Regierung, Streit mit westlichen Partnern und auch Malis Nachbarn anzufangen, hat zu einer Isolierung des Landes geführt. Jüngst stimmte Mali mit Nordkorea und Syrien gegen eine Verurteilung von Russlands Ukraine-Invasion im UN-Sicherheitsrat. Europäische Geldgeber haben die Zusammenarbeit mit Mali eher zurückgefahren und starten neue Projekte vor allem im Nachbarstaat Niger, wo es noch eine demokratisch legitimierte Regierung gibt. Das spüren die Menschen in Mali, wo Inflation viele in noch größere Armut treibt.
Tritt Goïta an?
Die Regierung verweist darauf, dass der Verfassungsentwurf neben einer neuen Behörde für Korruptionsbekämpfung auch eine stärkere Beteiligung traditioneller Anführer vorsieht; auf dem Papier liest sich das gut. In der Realität leidet Mali unter einem nicht-existenten Staat. Die Macht und das Budget sind in der Hauptstadt Bamako konzentriert, in den Regionen fehlt es jedoch an Krankenhäusern oder Schulen, wie ich bei einem Besuch diese Woche in Mopti in Zentralmali beobachten konnte. Auf einer Polizeiwache klagten Beamte über einen Mangel an Ausrüstung, Benzin und funktionierenden Fahrzeugen. Eine neue Verfassung wird daran wenig ändern. Der Mangel an staatlichen Dienstleistungen treibt immer wieder arbeitslose Menschen in die Hände von Dschihadisten, die die Armut ausnutzen.
Goïtas Fokus auf Militäroperationen hat zudem wenig gebracht. Die Regierung hat von Russland Hubschrauber und Jets gekauft, die jetzt viel im Einsatz sind. Die Armee ist präsenter, aber nach wie vor kaum in der Lage, Territorium zu halten. Der Staat zieht nicht in zurückeroberte Gebiete ein. Schlimmer noch: Nach Angaben von Menschenrechtlern unterscheiden Soldaten und Russen häufig nicht zwischen Feind und Zivilist. Das sorgt dann wieder für neue Wut bei der Bevölkerung.
Die neue Verfassung ist Voraussetzung für Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Diese hätten eigentlich schon 2022 stattfinden sollen, wurden aber von der Militärregierung verschoben. Auch das Referendum über die Verfassung hätte schon im März über die Bühne gehen sollen. Es mangelte aber an technischen Voraussetzungen. Jetzt sind die Behörden angeblich besser vorbereitet, aber Oppositionelle bezweifeln dies. Eine Wahlbehörde ist immer noch im Aufbau, und es gibt auch keine biometrischen Wahlkarten. Mit dem Termin will die Regierung beweisen, dass sie es ernst meint mit den Wahlen. Eigentlich sollten Goïta, ein ehemaliger Kommandeur von Spezialkräften, und seine Mitputschisten nicht kandieren dürfen - das neue Wahlgesetz erlaubt dies aber, falls die Offiziere die Armee verlassen. Letztes Jahr, als die Regierung im Streit mit Frankreich auf einer Welle des Nationalismus schwamm, wäre seine Wahl eine Formsache gewesen. Ein Gegenkandidat ist nicht in Sicht, aber die Stimmung bei den Menschen hat sich eingetrübt. Es bleibt also abzuwarten, wie es mit der Militärregierung weitergeht.
Ulf Laessing ist Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bamako.
Quelle: ntv.de