Gold und Geostrategie Russland steckt auch hinter den Kämpfen im Sudan


Im Februar traf sich Russlands Außenminister Lawrow in Khartum mit dem sudanesischen Militärmachthaber Abdel Fattah al-Burhan. Gleichzeitig unterstützte Russland Burhans Vize (und Gegenspieler) Mohammed Hamdan Daglo.
(Foto: REUTERS)
Seit Jahren schon mischt Russland vor allem über die Söldnergruppe Wagner in afrikanischen Konfliktherden mit. Im Sudan unterstützt der Kreml zuerst Diktator Baschir, dann die Armee, die ihn gestürzt hatte, nun die RSF-Miliz. Außer Gold hat Russland noch ein weiteres Motiv.
Gold oder Diamanten gegen Waffen und Sicherheit, nach diesem Geschäftsmodell operiert die russische Söldnergruppe Wagner in einer Reihe von afrikanischen Ländern. Das gilt auch für den Sudan, das drittgrößte Gold-Förderland des afrikanischen Kontinents. Allerdings geht es Russland dort - wie in Afrika überhaupt - nicht nur um finanzielle Interessen, sondern ebenso um geostrategische Ziele: In der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer will Moskau einen Marinestützpunkt errichten.
Schon der Putsch im Sudan vor zwei Jahren war vom Kreml unterstützt worden. Im Oktober 2021 setzten sudanesische Militärs die Übergangsregierung ab, die 2019 nach dem Sturz von Langzeit-Diktator Omar al-Baschir gebildet worden war.
Belege, dass Wagner-Söldner unmittelbar an den aktuellen Kämpfen im Sudan beteiligt sind, gibt es nicht. Aber im Hintergrund spielt Russland eine nicht unwesentliche Rolle. Nach Berichten des US-Senders CNN hat die Gruppe Wagner die paramilitärische Einheit Rapid Support Forces (RSF) mit Waffen versorgt, die den Putsch gegen ihn gemeinsam mit der Armee organisierte. Ursprünglich hatte die RSF Baschir persönlich unterstanden. Seit 2021 regierten RSF-Chef Mohammed Hamdan Daglo und Militär-Oberbefehlshaber Abdel Fattah al-Burhan das Land gemeinsam.
Prigoschin hat seine Finger mehrfach im Spiel
Der politische Hintergrund des Konflikts im Sudan ist der Machtkampf zwischen Daglo und Burhan. Ursprünglich war geplant, dass die gemeinsame Militärregierung die Macht 2022 an eine zivile Führung übergibt, Daglos RSF hätten in die Armee integriert werden sollen.
Informationen von CNN zufolge hat jedoch Russland die RSF mit Boden-Luft-Raketen ausgestattet und dadurch erheblich gestärkt. Satellitenbilder aus Libyen, dem nordwestlichen Nachbarland des Sudan, zeigten zudem eine ungewöhnliche Zunahme an Aktivitäten der Gruppe Wagner parallel zu den Kämpfen zwischen RSF und Armee. In Libyen unterstützen die Wagner-Söldner ebenfalls eine aufständische Miliz: die von General Chalifa Haftar, der gegen die von den UN anerkannte Regierung in Tripolis kämpft.
Bereits im Juli 2022 hatte CNN darüber berichtet, wie Russland tonnenweise Gold aus dem Sudan ausfliegt. Bei diesen Deals hatte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin seine Finger demnach gleich mehrfach im Spiel: einmal über seine Söldner, aber auch über die sudanesische Firma Meroe Gold, die dem russischen Unternehmen M Invest gehört. Nach Ansicht der USA ist M Invest eine Tarnfirma der Gruppe Wagner.
"Wagner ist eine geheime Division der russischen Spezialkräfte"
Damals, im Juli 2022, stritt Prigoschin noch ab, etwas mit Wagner zu tun zu haben. Das hat sich geändert. Mittlerweile lässt sich der Söldner-Chef bei angeblichen Auftritten an der Front in der Ukraine filmen und will die "Befreiung des afrikanischen Kontinents von westlichen Besatzern" vorantreiben.
Die Gruppe Wagner trat erstmals 2014 im Donbass-Krieg öffentlich auf, auch in Syrien kämpften Wagner-Söldner in russischem Auftrag für den dortigen Diktator Baschar al-Assad. Später tauchten Wagner-Kämpfer zunehmend in afrikanischen Staaten auf. Der Kreml leugnete anfangs, dass sie in russischem Auftrag agierten. So behauptete Putin im Februar 2022 in Anwesenheit des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Russische Föderation habe "nichts mit privaten Militärorganisationen zu tun, die in Mali operieren".
Tatsächlich dürfte Wagner jedoch im Auftrag des Kreml operieren. Es sei "keine private Söldnerarmee, es ist eine geheime Division der russischen Spezialkräfte", wie der russische Menschenrechtler Wladimir Osetschkin RTL sagte. Der Russland-Experte Andreas Heinemann-Grüder sieht Organisationen wie Wagner nicht als private Unternehmen, sondern als Ausdruck der "Siloarchie", der Verschmelzung von Oligarchenmacht mit Militärmacht. "Über die Gruppe Wagner konnte Russland mit Bodentruppen in bewaffnete Konflikte eingreifen, ohne offiziell Akteur zu werden", so Heinemann-Grüder zu ntv.de. Neben Libyen, Mali und dem Sudan ist Wagner in Afrika mindestens noch in der Zentralafrikanischen Republik, im Tschad - beides ebenfalls Nachbarländer des Sudan - sowie in Somalia, Nigeria und zahlreichen anderen Staaten aktiv. Wagners Angebot an die Despoten sei: Wir stützen eure Regime und stellen keine weiteren Forderungen, sagt Heinemann-Grüder - jedenfalls keine Forderungen nach Demokratie und Menschenrechten.
Auch im Tschad will Wagner nach Einschätzung der USA die Regierung stürzen
Nach Informationen der "Washington Post" arbeitet die Gruppe Wagner daran, ein Bündnis anti-westlicher Staaten in Afrika aufzubauen. Mit Blick auf den Tschad gehen US-Geheimdienste demnach davon aus, dass Wagner im Februar versuchte, Rebellen zu rekrutieren und eine Ausbildungsstätte für 300 Kämpfer in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik einzurichten, "als Teil eines sich entwickelnden Plans, die Regierung des Tschad zu stürzen", wie es in einem Geheimdienstdokument heiße.
Die Zeitung beruft sich auf Dokumente aus den sogenannten Discord-Leaks, deren mutmaßlicher Urheber kürzlich gefasst wurde. Dabei hat Russland sich nicht unbedingt als loyaler Verbündeter erwiesen: Erst wurde Baschir unterstützt, dann die Armee, dann die RSF. Die Firma Meroe Gold stammt noch aus der Zeit, als Baschir an der Macht war: Im November 2017 war er in Moskau, wo er mehrere bilaterale Verträge unterzeichnete, darunter Konzessionsvereinbarungen über den Goldabbau sowie ein Abkommen über die Einrichtung eines russischen Marinestützpunkts in Port Sudan. Der "Washington Post" zufolge sprach der russische Außenminister Sergej Lawrow im Februar bei einem Besuch in Khartum mit dem sudanesischen Armeechef darüber, dass der Stützpunkt bis Ende 2023 fertiggestellt werden solle.
Offiziell wollen die RSF nichts mit Wagner zu tun haben
In den Jahren nach 2017 hatte die Wagner-Gruppe "in erster Linie die Aufgabe, die Bodenschätze, insbesondere die Goldvorkommen, zu bewachen und die Regierung Baschir zu unterstützen", zitiert der arabische Sender Al-Dschasira Samuel Ramadi, einen Experten für afrikanisch-russische Beziehungen. Ihm zufolge verbündete sich Prigoschin zunächst mit Armeechef Burhan, bevor er auf Daglo umschwenkte.
Ramadi sagt, in erster Linie gehe es Wagner - beziehungsweise dem Kreml - darum, eine Schmuggelroute für das Gold vom Sudan nach Dubai und dann nach Russland zu schaffen, "damit sie die Operationen der Wagner-Gruppe in der Ukraine finanzieren können". Al-Dschasira weist darauf hin, dass Daglo sich am Tag nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine in Moskau aufhielt, um die Beziehungen zwischen den RSF und Wagner zu verbessern.
Dass diese Beziehungen öffentlich diskutiert werden, gefällt der Miliz allerdings gar nicht. Am Samstag distanzierten sich die RSF in einem Tweet von der Gruppe: "Wir weisen die Behauptungen, wir hätten im aktuellen Konflikt im Sudan eine Verbindung zur Wagner-Gruppe, kategorisch zurück." Es sei vielmehr die sudanesische Armee, "die sich mit diesen ausländischen Kräften verbündet hat, nicht die RSF".
Quelle: ntv.de