Ukrainekrieg bei "Maischberger" Masala: Friedensmanifest "ist Zynismus pur"
15.02.2023, 04:42 Uhr
Der Militärexperte Masala im Gespräch mit dem Diplomaten von Fritsch.
Das "Manifest für den Frieden" löst eine neue Debatte um eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg aus. Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau plädiert für eine Initiative der Vereinten Nationen. Militärexperte Masala glaubt nicht, dass dies Eindruck auf Putin machen würde.
Die Journalistin Alice Schwarzer und die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht haben ein "Manifest für den Frieden" veröffentlicht. Darin fordern die 69 Erstunterzeichner den Bundeskanzler auf, "die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen" und stattdessen mit den Mitteln der Diplomatie auf einen Waffenstillstand hinzuwirken. Rund 435.000 Menschen haben die Petition bislang online unterschrieben (Stand: 15. Februar, 4.30 Uhr). Der Militärexperte Carlo Masala gehört ebenso wenig dazu wie der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch. Beide üben bei "Maischberger" in der ARD heftige Kritik an dem Aufruf.
Kriegsbegeisterung kann man den beiden wohl nicht unterstellen: Es sei richtig, dass Deutschland der Ukraine beistehe und alles für ihre Verteidigung tue. Gleichzeitig sei aber auch richtig, wenn man die Frage stelle, wie ein Frieden gelingen könne, sagt Rüdiger von Fritsch. "Nur muss man dabei realistisch bleiben. Und man muss nicht glauben, aus einer deutschen Logik heraus in irgendeiner Form so was erreichen zu können. Der russische Präsident Putin denkt nicht in den Kategorien der Argumentation dieses Manifests."
Der Aufruf beschreibe mit seiner Sprache nicht die Realitäten des Krieges, stellt von Fritsch fest. Dort werde geschrieben, "es" würden Zivilisten getötet und "es" würden Menschen vergewaltigt, ohne jedoch die Täter zu benennen. Schließlich kritisiert von Fritsch die Ansicht, die Ukraine könne den Krieg gegen Russland nicht gewinnen, weil Russland eine Atommacht sei: Die Atommacht Sowjetunion habe nicht in Afghanistan gewonnen, die Atommacht USA nicht in Vietnam. Würde der Westen die Ukraine nicht weiter unterstützen, sende dies das Signal in die Welt, dass sich Gewalt lohne und das Recht des Stärkeren gelte.
Von Fritsch: "Es gibt andere Möglichkeiten, über Friedenshorizonte nachzudenken." Er schlägt deshalb vor, Russland zu Gesprächen zu überreden, in die ein Waffenstillstand mit eingebunden werden könne. Ein Thema könne zum Beispiel Sicherheitspolitik sein. Bislang seien viele Versuche für Gespräche mit Russland gescheitert. "Aber es gibt einen blinden Fleck auf der Landkarte", sagt von Fritsch: "Das sind die Vereinten Nationen. Wo ist denn eigentlich der UN-Generalsekretär?". Der sei bisher ein einziges Mal in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gewesen. "Wenn er will, hat er ein starkes Instrumentarium und könnte die Initiative ergreifen."
"Übler Nationalpazifismus"
Militärexperte Carlo Masala ist von dieser Idee nicht ganz überzeugt. Putin habe klargestellt, er wolle nur verhandeln, wenn Russland die vier annektierten Oblaste und die Krim zugeschlagen würden, das könne aber die Ukraine nicht akzeptieren. "Deswegen glaube ich: Weder die militärische noch die politische Realität ist im Moment so, dass eine erfolgreiche Vermittlung durchgeführt werden kann." Das gelte, solange Russland glaube, der Krieg sei noch nicht verloren und man könne noch weitere Geländegewinne machen.
Auch Masala missbilligt das Manifest von Schwarzer und Wagenknecht. Die Schuld werde darin fast ausschließlich der Ukraine zugeschrieben, beide Seiten würden zu Kompromissen aufgefordert. "Wenn einer einen Angriffskrieg durchgeführt hat, ist die Forderung nach Kompromissen von beiden Seiten eine Unverschämtheit." Zudem kritisiert er die Forderung, keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern. "Damit schmeißt man die Ukraine unter den Bus." Masala spricht von "üblem Nationalpazifismus". "Und man sieht ja auch, wer das Manifest unterstützt: Das ist eine breite Front, die nicht in Sorge um den Weltfrieden ist, sondern die einfach ihre Ruhe haben will."
Saubere Kriege gebe es nicht, und in jedem Krieg würden Menschen sterben, macht Masala klar. "Es gibt eine Seite, die diesen Krieg führen will. Wenn man eine Idee hat, wie man diese Seite stoppen kann, dann raus damit. Aber zu sagen, der Angegriffene dürfe sich nicht mehr verteidigen, ist Zynismus pur."
Quelle: ntv.de