Vorwurf der Kriegsverbrechen Medien: Netanjahu befürchtet Haftbefehl durch Strafgerichtshof
28.04.2024, 14:08 Uhr Artikel anhören
Auch in der israelischen Bevölkerung ist Benjamin Netanjahu alles andere als beliebt.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Israel steht wegen seines Vorgehens im Gazastreifen zunehmend in der Kritik. Berichten zufolge steht die Ausstellung von internationalen Haftbefehlen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen unmittelbar bevor - auch gegen Regierungschef Netanjahu.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet Medienberichten zufolge, der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und andere Israelis erlassen. Die israelische Regierung gehe davon aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in dieser Woche internationale Haftbefehle für Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte, berichten israelische Medien. Netanjahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äußerst besorgt.
Der Strafgerichtshof ermittelt seit 2021 gegen die Hamas, aber auch gegen Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zur Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen.
"Empörend"
Netanjahu kündigte bei X bereits am Freitag an, Israel werde unter seiner Führung "niemals einen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben". Der Regierungschef schrieb zudem: "Die Drohung, Soldaten und Repräsentanten der einzigen Demokratie im Nahen Osten und des einzigen jüdischen Staates der Welt zu fassen, ist empörend." Israel werde "den gerechten Krieg gegen Terroristen, die auf Völkermord aus sind, bis zum Sieg fortsetzen".
Eine solche Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar nicht Israels Vorgehen beeinflussen, wäre aber "ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen", schrieb Netanjahu. Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH unterzeichnet haben, verpflichtet wären, den israelischen Regierungschef festzunehmen und an den Gerichtshof zu überstellen - sofern diese sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.
Erst Putin, jetzt Netanjahu?
Chefankläger Karim Khan hat bereits vier internationale Haftbefehle wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gegen hochrangige Russen erlassen, darunter auch gegen Präsident Wladimir Putin. Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an, die palästinensischen Gebiete sind dagegen Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln.
Angehörige israelischer Geiseln hatten den Strafgerichtshof im Februar aufgerufen, auch gegen die Entführer der Terrororganisation Hamas zu ermitteln und Haftbefehle zu erlassen. Sie forderten strafrechtliche Ermittlungen wegen Geiselnahme, sexueller Gewaltverbrechen, Folter und Mord.
Bei den Attacken der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Die Angriffe waren Auslöser für die militärische Offensive Israels im Gazastreifen, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 34.400 Menschen getötet worden sind.
Quelle: ntv.de, chr/dpa