Wahlkampf-Ende in Afghanistan Mehr Unterstützung für Karsai
17.08.2009, 08:12 UhrIn Afghanistan haben mehrere Präsidentschaftsbewerber ihre Kandidatur zurückgezogen, um den Favoriten und derzeitigen Amtsinhaber Karsai zu unterstützen. In Deutschland werden derweil die Forderungen nach einem baldigen Rückzug der Bundeswehr laut.

Zwei Drittel der Afghanen sind Analphabeten - da sind Bild die wichtigsten Wahlkampfmittel.
(Foto: AP)
Drei Tage vor der Präsidentschaftswahl in Afghanistan endet heute der Wahlkampf in dem Land. Mindestens acht Kandidaten zogen offenbar ihre Bewerbung zugunsten von Amtsinhaber Hamid Karsai zurück. Wie dessen Wahlkampfbüro in Kabul mitteilte, erklärten vier Präsidentschaftsbewerber ihre Unterstützung für den Favoriten, nachdem sich zuvor bereits vier andere für die Wiederwahl des Amtsinhabers ausgesprochen hätten.
Nach afghanischen Medienberichten zogen sich zwei weitere Kandidaten zugunsten des früheren Außenministers Abdullah Abdullah zurück. Er gilt als aussichtsreichster Widersacher Karsais und könnte diesen in eine Stichwahl zwingen. Ursprünglich hatten sich 41 Kandidaten für den Urnengang am Donnerstag registrieren lassen, darunter zwei Frauen.
Viele Analphabeten
Die radikal-islamischen Taliban haben zum Wahlboykott aufgerufen. Bereits im Vorfeld wurde die Abstimmung von Gewalt überschattet. Am Samstag kam es in Kabul zum ersten größeren Zwischenfall seit einem halben Jahr, als sich ein Selbstmordattentäter vor dem Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe ISAF in die Luft sprengte. Rund 100.000 ausländische Soldaten im Land sollen den afghanischen Sicherheitskräften dabei helfen, die Wahl zu schützen. Nach Angaben der Wahlkommission sind rund 17 Millionen Wähler registriert.
Doch nicht nur die schlechte Sicherheitslage könnte bei der zweiten Wahl seit dem Sturz der Taliban 2001 zum Problem werden: Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind Analphabeten und können nicht einmal den Wahlzettel lesen. Die Unabhängige Wahlkommission zieht daher seit Wochen mit einer Aufklärungskampagne durchs Land, um den Menschen zu erklären, wie gewählt wird. Bei den Schulungen schärfen die Helfer den Dorfbewohnern ein, sich das Foto und das Logo ihres Kandidaten einzuprägen. Für jeden der 41 Präsidentschaftskandidaten ist ein leicht zu merkendes Symbol auf dem Wahlzettel abgebildet: Flugzeuge, Rosen, Werkzeuge, ein Stethoskop - und ein Wecker. Das Logo von Präsident Karsai ist die Waage.
Rückzug deutscher Truppen?

In Deutschland entbrennt derweil die Debatte um den Sinn des Afghanistan-Einsatzes aufs neue.
(Foto: AP)
Unterdessen mehren sich die Stimmen, die einen baldigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordern. Der frühere Leiter des Planungsstabs der Bundeswehr, Ulrich Weisser, plädiert für ein Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan spätestens im Jahr 2011. "Die Deutschen dürfen erwarten, dass die Parteien im Wahlkampf einen solchen Ansatz oder eine glaubwürdige Alternative präsentieren und nicht die Aussicht, noch weitere zehn Jahre einen Krieg zu führen, der in einem Land, das von Drogenkartellen beherrscht und von Korruption zerfressen wird, nicht zu gewinnen ist", schreibt Weisser in der "Frankfurter Rundschau".
Bundesregierung und Parlament hätten bislang nicht überzeugend dargelegt, warum deutsche Soldaten überhaupt in Afghanistan eingesetzt seien und dort womöglich zu Tausenden über Jahrzehnte bleiben sollten. "Der Satz, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird, reicht nicht aus", schreibt Weisser. Mit den erkennbaren Absetzbewegungen der wichtigsten Bündnispartner sehe sich Deutschland in einer doppelt schwierigen Situation: Es gebe keine "Exit-Strategy", zugleich werde Deutschland als Bündnispartner zweiter Klasse behandelt, weil es an Solidarität mangele. "Diese Situation ist eine Zumutung, vor allem für unsere Soldaten."
Es spreche also alles dafür, in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung aller Nato-Staaten in den nächsten zwei Jahren zwei Ziele zu erreichen: Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Truppen und Polizei; Beruhigung der Lage durch Kampf gegen die Aufständischen und terroristischen Taliban, aber auch durch Dialog mit denen, die verständigungswillig seien
Jung rechnet mit "fünf bis zehn Jahren"
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung bekräftigt indes, dass die deutschen Soldaten noch "fünf bis zehn Jahre" im Einsatzgebiet bleiben müssten. Ziel des Einsatzes am Hindukusch sei es, Afghanistan in die Lage zu versetzen, selbst für seine Sicherheit zu sorgen. "Dies wird sicherlich noch einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren in Anspruch nehmen", betonte der Minister in der "Bild"-Zeitung.
Zugleich wies Jung seinen Amtsvorgänger Volker Rühe scharf zurecht, der einen Abzug der Bundeswehr bereits in zwei Jahren gefordert und den Einsatz "ein Desaster" genannt hatte. "Rühe hat schon lange nichts mehr mit den aktuellen Problemen zu tun. Es wäre klug, wenn Ehemalige sich mit aktuellen Ratschlägen zurückhalten würden", sagte Jung.
Ex-Nato-General Klaus-Dieter Naumann meinte zum Vorstoß Rühes laut "Bild": "Grundsätzlich stimme ich der Kritik zu, halte sie aber in Wahlkampfzeiten für falsch." Ex-Generalinspekteur Harald Kujat warnte in dem Blatt: "Wir können uns nicht auf einen jahrzehntelangen Krieg mit einem Gegner einlassen, der dort zu Hause ist und das Gelände kennt."
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, warnte indes vor einem Wahlkampfstreit über einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan: "Die Diskussion ist gefährlich. Wenn die Taliban merken, dass in Deutschland eine große Debatte losgetreten wird, werden sie noch mehr Anschläge auf die Bundeswehr verüben."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts