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Fragwürdige Prozesse in Russland Mehr als 200 ukrainische Gefangene verurteilt

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Viele der Verteidiger der Hafenstadt Mariupol befinden sich offenbar nach wie vor in russischer Gefangenschaft.

Viele der Verteidiger der Hafenstadt Mariupol befinden sich offenbar nach wie vor in russischer Gefangenschaft.

(Foto: AP)

Seit Kriegsbeginn geraten Tausende Ukrainer in russische Gefangenschaft. Viele von ihnen werden dort zu langen Haftstrafen verurteilt. Menschenrechtler kritisieren die Prozesse als illegal, doch Russland will an der Praxis festhalten.

Russland hat nach eigenen Angaben mehr als 200 ukrainische Kriegsgefangene verurteilt, einige von ihnen zu lebenslangen Haftstrafen. "Mehr als 200 ukrainische Militärangehörige wurden wegen Mordes an Zivilisten und Misshandlung von Kriegsgefangenen zu langen Haftstrafen verurteilt", behauptete Alexander Bastrykin, Chef des russischen Ermittlungskomitees, in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Kiew und internationale Menschenrechtsorganisationen verurteilten die Verfahren als illegal. In welchem Zeitrahmen die Verurteilungen erfolgten, sagte Bastrykin nicht.

Fast zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs befindet sich eine unbekannte Anzahl ukrainischer Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft - vermutlich sind es Tausende. Viele wurden während der Belagerung der Hafenstadt Mariupol gefangen genommen. Menschenrechtler und die Ukraine werfen Russland immer wieder unmenschliche Behandlung von ukrainischen Gefangenen vor. So wurden im Juli 2022 in einem russischen Gefangenenlager im besetzten Oleniwka bei einer Explosion mehr als 50 ukrainische Soldaten getötet. Russland beschuldigte die Ukraine, eigene Soldaten getötet zu haben. Zahlreiche Hinweise deuten aber auf Russland als Urheber des Massakers hin.

Bastrykin kündigte im Interview an, dass Moskau weiterhin ukrainische Militärs strafrechtlich verfolgen werde, auch "hochrangige Offiziere". Viele der ukrainischen Kriegsgefangenen werden in besetzten Gebieten im Osten der Ukraine gefangen gehalten, während andere nach Russland gebracht wurden. Ob die Gefangenen im Osten der Ukraine oder in Russland verurteilt wurden, sagte Bastrykin nicht. Der staatliche Propaganda-Sender Russia Today zitierte jedoch Aussagen des Ermittlungskomitees, wonach 242 Soldaten im besetzten Teil der Ukraine verurteilt wurden. Am 3. Januar hatten Russland und die Ukraine Hunderte Kriegsgefangene ausgetauscht. Es handelte sich um den ersten Gefangenenaustausch seit Monaten.

Deutlich mehr Fälle von "Extremismus"

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Bastrykin ging in dem Interview auch näher auf Russlands Kampf gegen angebliche ukrainische Sabotageangriffe ein. Er sagte, russische Behörden hätten Sabotageangriffe auf Bahnschienen in der Nähe der ukrainischen Grenzregion Brjansk, aber auch in Sibirien und im hohen Norden Russlands aufgedeckt. In Russland und Belarus kam es vor allem in den ersten Monaten des Kriegs zu Sabotageaktionen an der Eisenbahn, mit denen mutmaßlich die Transportrouten der Armee unterbrochen werden sollten.

Russische Behörden werfen der Ukraine immer wieder vor, hinter Sabotageangriffen auf eigenem Territorium zu stecken. Fälle von "Extremismus" seien 2023 um 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen - ein Anzeichen für Moskaus scharfes Vorgehen gegen Widerstand. Bastrykin sagte, Moskau habe in 273 Fällen die Verbreitung von Falschnachrichten über die russische Armee und in 81 Fällen die Diskreditierung der russischen Streitkräfte aufgedeckt. Russland nutzt die Gerichtsverfahren, um Kritiker mundtot zu machen. Tausende Menschen werden wegen Kritik am Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt.

Quelle: ntv.de, uzh/AFP

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