Mit EU und Anrainerstaaten Merkel für Georgien-Konferenz
23.08.2008, 16:00 UhrNach dem Abzug eines Großteils der russischen Truppen aus Georgien hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) darauf gedrungen, dass die Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens nun vollständig umgesetzt werden. Dazu gehöre insbesondere die Freigabe aller wichtigen georgischen Verkehrsadern, sagte Steinmeier in einem Telefonat mit seiner georgischen Kollegin Eka Tkeschelaschwili, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes mitteilte. Unabhängige Beobachter müssten die Einhaltung der Vereinbarungen überprüfen, forderte Steinmeier weiter.
Deutschland soll helfen
Steinmeier versicherte seiner georgischen Kollegin ferner, dass Deutschland sich weiterhin intensiv mit humanitärer Hilfe und beim Wiederaufbau der von dem Konflikt betroffenen Regionen engagieren werde.
Fregatte Lübeck im Schwarzen Meer
Die NATO bekräftigte derweil ihre Forderung nach einem Rückzug der russischen Truppen auf ihre Positionen vor Beginn der jüngsten Kämpfe um Abchasien und Südossetien. Solange Russland nicht alle Streitkräfte aus georgischem Kerngebiet abziehe, könne nicht zum Tagesgeschäft zurückgekehrt werden, sagte eine NATO-Sprecherin in Brüssel. Die NATO hatte wegen des bewaffneten Konflikts im Kaukasus die Zusammenarbeit im NATO-Russland-Rat bis auf weiteres ausgesetzt. Die Regierung in Moskau fror im Gegenzug die militärische Zusammenarbeit mit der Allianz ein.
Merkel für EU-Georgien-Konferenz mit Anrainerstaaten
Bundeskanzlerin Angela Merkel schlägt unterdessen eine "Nachbarschaftskonferenz" der EU für Georgien unter Beteiligung direkter Anrainerstaaten vor. Die Idee sei der französischen EU-Ratspräsidentschaft übermittelt worden, sagte ein Sprecher der Bundesregierung. Er widersprach der Darstellung des Magazins "Der Spiegel", dass Russland an einer solchen Konferenz nicht teilnehmen solle. "Die Entscheidung über das Ob, Wann und Wer liegt allein in der Verantwortung der EU-Ratspräsidentschaft", stellte er klar. "Das ist eine Idee, die ganz bewusst offengehalten wurde und keinen ausschließen soll." Es sei nun Sache Frankreichs, diese Idee zu konkretisieren. Noch sei nichts entschieden, sagte der Sprecher.
Die Idee zu einer solchen Nachbarschaftskonferenz hatte Merkel bereits vor einer Woche bei ihrem Besuch in Georgien entwickelt. "Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass angesichts der Aufgaben, die vor Georgien liegen, ein Treffen auf einer bestimmten Ebene der EU mit den Nachbarstaaten stattfinden könnten", hatte sie gesagt. Der Vorschlag sollte dann an die EU-Ratspräsidentschaft herangetragen werden.
Merkel hatte sich in Tiflis für eine Intensivierung der EU-Nachbarschaftspolitik ausgesprochen. Als betroffene Länder nannte sie neben Georgien Armenien, Aserbeidschan, Moldawien, die Ukraine, Kasachstan und Turkmenistan. Nicht genannt hatte Merkel allerdings Russland. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sprach später ergänzend von einer Erweiterung des Kreises auf Länder, die bislang nicht unmittelbar in die Nachbarschaftspolitik der EU einbezogen waren. Gedacht sei an eine Konferenz mit dem Arbeitstitel "Wiederaufbau und Stabilität in Georgien und der Region".
Russland weist Kritik zurück
Russland wies indes die internationale Kritik an seinem Truppenabzug aus Georgien zurück. Die russischen Kräfte handelten im Einklang mit dem von Frankreich ausgehandelten Friedensplan, sagte der stellvertretende russische Generalstabschef Anatoli Nogowizyn. "Alle Aktivitäten der Friedenstruppen" entsprächen den sechs Punkten des Dokuments, das die Präsidenten Russlands und Frankreichs unterzeichnet hätten. Die USA und Frankreich hatten am Freitag kritisiert, dass Moskau das Waffenstillstandsabkommen nicht einhalte, und drängten zu einem Rückzug aus Georgien.
Russland will in Südossetien und der ebenfalls abtrünnigen georgischen Provinz Abchasien weiterhin eine noch unbekannte Zahl von Soldaten lassen, zudem sollen 500 sogenannte Friedenssoldaten in einer Schutzzone um Südossetien stationiert werden. Auch die georgische Hafenstadt Poti am Schwarzmeer wollen die Russen weiterhin kontrollieren, indem sie dort patrouillieren, wie Nogowizyn sagte. Am Samstag hielten russische Truppen ihre Stellungen an der Zufahrt nach Poti und Teklati in Westgeorgien, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete.
Zum Stand des vereinbarten Abzuges gibt es widersprüchliche Angaben. Moskau meldete, der Rückzug sei abgeschlossen, dies wurde von Tiflis dementiert. Am Samstagmorgen stauten sich mehr als 200 russische Lastwagen und gepanzerte Fahrzeuge auf der Hauptverbindungsstraße zwischen Russland und der abtrünnigen georgischen Provinz Südossetien in beide Richtungen. Nach Angaben eines Reporters der Nachrichtenagentur AFP stand die Mehrzahl der Fahrzeuge zwischen dem Grenzposten Saramag und der Stadt Alaguir in Fahrtrichtung Russland. Eine Kolonne mit rund einem Dutzend Tankfahrzeugen sei aber auch in Richtung Südossetien unterwegs gewesen. Rund 20 weitere Lastwagen warteten am Grenzübergang Saramag rund 75 Kilometer von der südossetischen Hauptstadt Zchinwali entfernt.
Kritik an NATO-Kriegsschiffen
Der russische Generalstab kritisierte die Präsenz von NATO-Kriegsschiffen im Schwarzen Meer. "Die NATO verstärkt unter dem Vorwand der humanitären Hilfe ihre militärische Präsenz im Schwarzen Meer", sagte der Vize-Generalstabschef Anatoli Nogowizyn nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. "Das dient nicht dazu, die Lage in der Region zu stabilisieren", fügte Nogowizyn hinzu.
Der US-Zerstörer "USS McFaul" nimmt derzeit mit Hilfsgütern an Bord Kurs auf Georgien. Das Marineschiff passierte am Freitagabend den Bosporus. Die "McFaul" wurde auf dem Weg durch die Meerenge von einem polnischen Marineschiff begleitet. In den kommenden Tagen sollen zwei weitere US-Schiffe durch den Bosporus an die Küste Georgiens fahren.
Unabhängig von der Georgien-Hilfe der USA hatten am Donnerstag mehrere Schiffe aus NATO-Staaten den Bosporus Richtung Schwarzes Meer passiert, darunter die deutsche Fregatte "Lübeck". Sie beteiligen sich nach NATO-Angaben an einer seit über einem Jahr geplanten Übung im westlichen Teil des Meeres vor den Küsten der NATO-Staaten Bulgarien und Rumänien.
UN beraten über Resolution
Bei den Vereinten Nationen in New York wurde unterdessen weiter mit Hochdruck an einer solchen Entschließung des höchsten UN-Gremiums gearbeitet. Bei internen Beratungen unter Federführung Frankreichs entstand am Freitag ein aktualisierter Entwurf, der auch der russischen Seite zugeleitet werden sollte. "Wir haben einen guten Text, aber wir haben noch harte Verhandlungen vor uns", sagte ein westlicher UN-Diplomat. Mit einer Abstimmung wurde an diesem Wochenende jedoch noch nicht gerechnet.
Der neue Vorschlag stützt sich den Angaben zufolge auf den von Frankreich ausgehandelten Sechs-Punkte-Plan. Darüber hinaus werden jedoch weitere Klärungen verlangt. So sollen Sicherheitsfragen in der Pufferzone um Südossetien angesprochen werden. Zudem verweist der Text auf die territoriale Integrität Georgiens. Diesen Punkt hat Russland bislang stets abgelehnt.
Quelle: ntv.de