Politik

"Es bleibt noch viel zu tun" Merkel nennt kein Abzugsdatum

Die Staatengemeinschaft hat ihr Ziel in Afghanistan noch nicht erreicht. Deshalb müssten Deutschland und die anderen Länder auf der Afghanistan-Konferenz handeln. Kanzlerin Merkel stellt im Bundestag die deutschen Pläne für Afghanistan vor - ohne konkretes Abzugsdatum.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat kurz vor der Londoner Afghanistan-Konferenz eine gemischte Bilanz des Einsatzes in dem Land gezogen. "Es gab manche Fortschritte und zu viele Rückschläge", sagte Merkel im Bundestag in einer Regierungserklärung. "Außer Zweifel steht: Die internationale Staatengemeinschaft hat das Ziel ihres Einsatzes noch nicht erreicht. Und deshalb müssen wir handeln."

Merkel betonte die Bedeutung der Londoner Afghanistan-Konferenz, die an diesem Donnerstag beginnt. Die künftige Strategie entscheide letztlich über Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes am Hindukusch. "In London geht es also um nichts weniger als um eine Weichenstellung", sagte Merkel. Ziel sei es, die Verantwortung für das Land Schritt für Schritt in die Hände der Afghanen zu übergeben.

Merkel sagte, die Ausbildung der afghanischen Armee werde künftig stärker in den Blick genommen. Die deutschen Soldaten sollten mit ihren afghanischen Kameraden für den Schutz der Bevölkerung im Norden des Landes sorgen. "Diese Aufgabe wird künftig im Zentrum unseres Engagements stehen." Dazu wolle Deutschland 500 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan entsenden. Weitere 350 bildeten eine "flexible Reserve", um auf besondere Situationen reagieren zu können. Bislang sind in Afghanistan bis zu 4500 deutsche Soldaten im Einsatz.

Die Kanzlerin stellte Anforderungen an die afghanische Regierung. "Korruption muss wirksamer bekämpft werden", sagte Merkel. "Wahlen müssen nach demokratischen Standards ablaufen. Drogenanbau muss intensiver bekämpft werden." Außerdem dürften regierungsfeindliche Kräfte keinen Unterschlupf mehr außerhalb Afghanistans finden. Merkel verteidigte das geplante Aussteigerprogramm für Mitläufer der radikal-islamischen Taliban. Die Risiken lägen auf der Hand, aber damit gebe es Anreize für mehr Zustimmung zum demokratischen Aufbau.

Kein endgültiges Abzugsdatum

Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan: Was sollen sie tun?

Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan: Was sollen sie tun?

(Foto: dpa)

Merkel lässt weiterhin offen, bis wann die deutschen Soldaten Afghanistan verlassen können. "Ein endgültiges Abzugsdatum nenne ich ausdrücklich nicht", betonte sie in ihrer Regierungserklärung. Wer möchte, dass der Einsatz nicht unendlich weitergehe, dürfe dem Impuls nach der Nennung eines festen Datums nicht nachgeben. Sie unterstütze aber das Ziel der afghanischen Regierung, die Verantwortung für das Land bis zum Jahr 2014 selber zu übernehmen. Deutschland werde bereits im ersten Halbjahr 2011 in einzelnen Distrikten die Übergabe der Verantwortung einleiten. Ende 2011 könne damit begonnen werden, den Umfang der deutschen Truppen und die Mandatsobergrenze zu senken.

Entschuldigung für Klein-Angriff

Merkel entschuldigte sich indirekt für den von einem Bundeswehr-Oberst befohlenen Luftschlag von Kundus, bei dem auch Zivilisten starben. "Ja, der Einsatz (in Afghanistan) fordert Menschenleben bei unseren Soldaten, bei den Polizisten, bei den zivilen Helfern, in der afghanischen Bevölkerung", sagte Merkel. "Menschen, die auch infolge deutschen Handelns ihr Leben verloren haben oder verletzt wurden, wie dies beim Luftschlag von Kundus am 4. September vergangenen Jahres geschehen ist. Die Bundesregierung bedauert dies zutiefst. Die Bundesregierung trauert um jedes unschuldige Opfer."

Allheilmittel Geld

Karsai, der immer wieder wegen der Korruption im Land kritisiert wird, will bald Herr im eigenen Haus sein.

Karsai, der immer wieder wegen der Korruption im Land kritisiert wird, will bald Herr im eigenen Haus sein.

(Foto: dpa)

Die Bundeskanzlerin sicherte Afghanistan nach dem bis 2014 angepeilten Abzug der internationalen Truppen weitere Unterstützung zu. Dies könne auch finanzielle Zusagen einschließen, hatte Merkel nach einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Berlin gesagt. Die Staatengemeinschaft müsse sich dazu bekennen, dass Afghanistan nicht vergessen werde, sobald die Regierung in Kabul die Verantwortung für das eigene Land übernommen habe.

Karsai versicherte, dass sein Land möglichst rasch die Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen wolle. Er betonte, dass dies möglichst bis 2014 zum Ende seiner Präsidentschaft erreicht werden sollte.

Mehr Ausbilder, mehr Entwicklungshilfe

Afghanische Polizisten bei einer Übung.

Afghanische Polizisten bei einer Übung.

(Foto: AP)

Das neue Konzept der Bundesregierung sieht vor, dass das deutsche Kontingent in Afghanistan um 850 auf dann 5350 Soldaten aufgestockt wird. Zugleich sollen rund 100 Polizeiausbilder mehr nach Afghanistan geschickt, die Entwicklungshilfe fast verdoppelt und ein Programm für aussteigewillige Taliban unterstützt werden. Merkel sieht vor allem Nachholbedarf bei der Polizeiausbildung durch die Europäische Union. Bei Eupol sei noch einiges zu verbessern.

Die USA sind laut Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mit dem neuen Afghanistan-Konzept der Bundesregierung zufrieden. Er habe mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton telefoniert und das Programm erläutert. "Es ist auf sehr viel Zustimmung gestoßen."

Opposition zweifelt

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte hingegen der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", es müsse wesentlich mehr dafür getan werden, die Menschen in Afghanistan vor den Anwerbeversuchen der Taliban zu schützen. Es reiche auch nicht aus, Gespräche mit gemäßigten Taliban zu führen. Man müsse versuchen, an die Führungsebene der Taliban heranzukommen.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin kritisierte in der "Frankfurter Rundschau", die Debatte um den deutschen Einsatz in Afghanistan sei "gefangen in der militärischen Logik". Tatsächlich müssten aber die Mängel beim zivilen Wiederaufbau aufgeholt werden.

Zahlreiche Bundesländer haben unterdessen ihre Unterstützung für eine Ausweitung der Polizeiausbildung in Afghanistan signalisiert. Niedersachsen allerdings sieht zuerst den Bund und damit die Bundespolizei in der Pflicht. Das Innenministerium in Düsseldorf teilte mit, Nordrhein-Westfalen sei grundsätzlich bereit, die Zahl der Polizisten in Afghanistan zu erhöhen. Auch Bayern und mehrere andere Bundesländer signalisierten Bereitschaft, mehr Polizeiausbilder an den Hindukusch zu entsenden.

Deutsche dagegen

Die überragende Mehrheit der Deutschen ist gegen die geplante Verstärkung der Bundeswehrtruppe. Das zeigt eine Forsa-Erhebung. Demnach lehnen es rund vier von fünf Deutschen (79 Prozent) ab, mehr Soldaten an den Hindukusch zu schicken.  Laut der Umfrage ist der Widerstand gegen die Pläne auch unter den Anhängern der Regierung hoch: 77 Prozent der Unions- und sogar 86 Prozent der FDP-Wähler sind gegen die Verstärkung der Truppe.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP

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